Host-Info
Konrad Paul Liessmann
Institut für Philosophie, Universität Wien
 
ORF ON Science :  Konrad Paul Liessmann :  Gesellschaft 
 
Friedrich Heer und die Neuausgabe seiner Werke  
  Friedrich Heer gilt als einer der bedeutendsten österreichischen Intellektuellen des 20. Jahrhunderts. Im Herbst 2003 wurde mit der Herausgabe der wichtigsten Werke des Historikers und Kulturphilosophen begonnen.  
Zwischen Wissenschaft und Literatur
Bild: Friedrich Heer Archiv
Der 1916 in Wien geborene universal gebildete Friedrich Heer war in seiner Jugend ein erbitterter Gegner des Nationalsozialismus, wurde mehrmals inhaftiert, arbeitete nach dem 2. Weltkrieg lange Jahre als Publizist für die "Furche", wirkte als Professor an der Wiener Universität, war Dramaturg des Wiener Burgtheaters und veröffentlichte bis zu seinem Tod im Jahre 1983 Hunderte von Büchern, Essays, Artikel, Rundfunkvorträge und auch Romane.

Friedrich Heer repräsentierte jene Spielart des österreichischen Intellektuellen, der stets zwischen Wissenschaft und Literatur, zwischen Gelehrsamkeit und öffentlichem Engagement changiert, ein streitbarerer Geist, den gerade deshalb immer die andere Position interessierte, ein geistiger Europäer par excellence, der wusste, dass Europa nur eine Zukunft haben wird, wenn es sich seiner höchst komplexen und widersprüchlichen Vergangenheit besinnt.
Mann des Dialogs ...
Sein engagiertes, von einem unorthodoxen Katholizismus gespeistes Interesse galt vor allem dem Dialog zwischen den Weltanschauungen und Religionen, der Ergründung der Wurzeln von Faschismus und Antisemitismus, den historischen, politischen und geistesgeschichtlichen Fundamenten der europäischen Idee und der Frage nach der österreichischen Identität.
... vom Buchmarkt nahezu verschwunden
Die meisten seiner bedeutenden und einflussreichen großen Studien zu diesen Themen sind aber vom Buchmarkt und aus dem öffentlichen Bewusstsein nahezu verschwunden. Die ungebrochene Aktualität der Arbeiten Friedrich Heers und sein Rang als Schriftsteller stehen zu dieser Situation in einem Widerspruch.
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Werkausgabe bei Böhlau
Dank einer Initiative der Österreichischen Forschungsgemeinschaft und anlässlich des 20. Todestages von Friedrich Heer begann der Böhlau-Verlag im Herbst 2003 mit einer Werkausgabe, die die wichtigsten und wirkmächtigsten Texte Friedrich Heers versammeln und dem Publikum wieder zugänglich machen soll.
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Erster Band über die Einbildungskraft
Als erster Band dieser Ausgabe ist "Das Wagnis der schöpferischen Vernunft" erschienen, Friedrich Heers große und beeindruckende Studie über die Bedeutung von Kreativität und Einbildungskraft in Religion, Geschichte, Philosophie und Literatur, ein Buch, das nicht zuletzt auch seine eigene Position zwischen wissenschaftlicher Rationalität und produktiver Imagination methodisch reflektiert.
Zugang zu Methode und Darstellungsstil Heers
Bild: Friedrich Heer Archiv
Ankündigung einer Veranstaltung mit Friedrich Heer am 7.12.1945
Denn wie kaum ein anderes Buch von Friedrich Heer versammelt dieses nicht nur einige der Hauptmotive seines Denkens, sondern gibt auch Auskunft über jene Entfaltung einer unverkürzten, kreativen und imaginativ gesättigten Erkenntnisleistung, die für Heer nicht nur zentral für die Kultur Europas, sondern auch seiner eigenen, umstrittenen Methode geisteswissenschaftlicher Forschung eingeschrieben war.

Wie in keinem anderen Buch erfährt man in diesem etwas über die treibenden Motive des rastlosen Denkers und Schreibers Heer, wie in keinem anderen Buch werden all jene Themen, Fragen, Ahnungen und Ängste im wahrsten Sinn des Wortes umschrieben, die Friedrich Heer zeit seines Lebens nicht losgelassen haben. Und nicht zuletzt eröffnet das "Wagnis der schöpferischen Vernunft" zumindest implizit einen Zugang und eine Rechtfertigung für die eigenwillige, assoziative und mäandernde Methode und dem daraus resultierenden Darstellungsstil Friedrich Heers.
Zweiter Band mit unveröffentlichten Essyas
Der zweite Band der Ausgabe "Europa: Rebellen, Häretiker und Revolutionäre" ist eine Sammlung ausgewählter, zum Teil bislang noch unveröffentlichter Essays, die Heer "nicht nur als glänzenden Stilisten, sondern vor allem als einen Autor zeigen, der für eines der drängenden Probleme unserer Zeit, die Frage nach der europäischen Identität, schon frühzeitig provozierende und unhintergehbare Einsichten entwickelt hat.
Rekonstruktion der Wurzeln Europas ...
Während Europa sich im Kalten Krieg in seine Spaltung fügte und seine politische Bedeutung gegenüber den dominierenden Supermächten USA und UdSSR bestenfalls marginal genannt werden konnte, rekonstruierte Friedrich Heer unbeirrt jene geistigen, politischen und kulturellen Wurzeln und Strömungen, denen Europa seine unverwechselbare und widersprüchliche Gestalt verdankt.
... mit sehr aktuellen Bezügen
Gerade in einer Zeit, in der an einer europäischen Verfassung gearbeitet wird und die Europäische Union mehr sein will als eine Freihandelszone für 25 Staaten, scheint ein Blick in Friedrich Heers Reflexionen dazu dringend geboten - ob es sich um die Bedeutung des Judentums, um die Frage der Toleranz, um die europäische Stadt oder um das Phantasma des gerechten Krieges handelt.

In den nächsten Jahren werden dann weitere bedeutende Werke Friedrich Heers wieder veröffentlicht werden, darunter die "Europäische Geistesgeschichte", "Europa - Mutter der Revolutionen"," Gottes erste Liebe", "Der Glaube des Adolf Hitler", "Abschied von Höllen und Himmeln"," Gespräch der Feinde" und "Der Kampf um die österreichische Identität".
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Friedrich Heer: Ausgewählte Werke in Einzelbänden
Herausgegeben von Konrad Paul Liessmann. ca 12 Bände.

Bereits erschienen:
Das Wagnis der schöpferischen Vernunft. Herausgegeben von Konrad Paul Liessmann. Wien: Böhlau 2003

Europa: Rebellen, Häretiker und Revolutionäre. Ausgewählte Essays. Herausgegeben von Johanna Heer. Wien: Böhlau 2003

Europäische Geistesgeschichte. Herausgegeben von Sigurd Paul Scheichl. Böhlau

Europa Mutter der Revolution, Herausgegeben von Alfred Pfabigan, Böhlau

Die nächsten zwei Bände erscheinen demnächst:

Gottes erste Liebe. 2000 Jahre Judentum und Christemtum. Herausgegeben von Manfred Voitgts, Böhlau

Der Glaube des Adolf Hitler. Anatomie einer politischen Religiosität, Herausgegeben von Wolfgang Müller-Funk, Böhlau
->   Friedrich Heer-Homepage
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Radio-Hinweis: Salzburger Nachtstudio am 17.5.
Das Salzburger Nachtstudio von Radio Österreich 1 widmet sich dem "Archiv des Wissens - Friedrich Heers Werk und Wirkung kultursoziologisch betrachtet" .
Datum: Mittwoch, 17. Mai 2006, 21:01 Uhr
->   Mehr dazu in oe1.ORF.at
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