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Das Gehirn kann auch noch im Alter wachsen  
  Das menschliche Gehirn ist eine recht komplexe Angelegenheit. Bislang gingen Wissenschaftler davon aus, dass sich diese "Denkzentrale" - was ihre anatomische Struktur angeht - bei Erwachsenen nicht mehr wesentlich verändert, es sei denn zum Schlechteren. Doch deutsche Forscher behaupten nun das Gegenteil: Sie ließen Probanden das Jonglieren lernen - und stellten anschließend fast, dass die graue Masse in ihren Gehirnen tatsächlich angewachsen war.  
Das Forscherteam um Christian Gaser von der Psychiatrischen Uniklinik Jena und Arne May von der Neurologischen Uniklinik Regensburg veröffentlichte seine Ergebnisse in "Nature".
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Der Artikel "Changes in grey matter induced by training" ist erschienen in "Nature", Bd. 427, Seiten 311-312, Ausgabe vom 22. Jänner 2004 (doi:10.1038/427311a).
->   Abstract der Studie in "Nature"
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Bildgebende Methoden zeigen Veränderungen
"Verändert sich die Struktur des erwachsenen menschlichen Gehirns als Reaktion auf Anforderungen der Umwelt?". Diese Frage bildete den Ausgangspunkt der Untersuchung, welche die deutschen Forscher vor allem mit Hilfe von bildgebenden Methoden durchgeführt haben.

Die Neurologen untersuchten die Gehirne von Erwachsenen vor, während und nach einem dreimonatigen Jonglier-Training - und verglichen die Ergebnisse mit denen von untrainierten Testpersonen.
Spezialisiertes Areal zeigt mehr Masse
Bild: Universität Jena/ Universität Regensburg
"Anfangs ließen sich keine wesentlichen Unterschiede in der grauen Substanz der angehenden und der Nicht-Jongleure feststellen", erklärte dazu der Regensburger Neurologe Arne May in einer Aussendung.

Nachdem allerdings die drei Monate verstrichen waren, konnten die Wissenschaftler eine deutliche beidseitige Vergrößerung der grauen Substanz in einem spezialisierten Bereich des Gehirns erkennen (siehe Abbildung rechts).

Jene Region in der linken hinteren Furche zwischen oberem und unterem Seitenläppchen des Gehirns (im so genannten intra-parietalen Sulcus) ist demnach darauf spezialisiert, Bewegungen von Objekten im dreidimensionalen Raum wahrzunehmen.
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Wahrnehmung von Objekten im dreidimensionalen Raum
Die Wissenschaftler wiesen das Gehirnwachstum mit Hilfe von Magnetresonanztomographie (MRT)-Aufnahmen nach und erstellten "scheibchenweise" sehr genaue Bilder von der grauen und weißen Gehirnsubstanz der Probanden. Die Technik der MRT arbeitet mit Magnetfeldern und Radiowellen, ist jedoch wie die CT ein Schnittbildverfahren - jede beliebige Körperebene kann dargestellt werden.
->   Mehr zur Magnetresonanztomographie in science.ORF.at
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Ohne Training: Rückgang der grauen Masse
Um das Mehr an grauer Masse allerdings zu erhalten, müssten die Probanden wohl kontinuierlich das Jonglieren üben. Denn nach weiteren drei Monaten ohne Training stellten die Forscher einen Abfall in genau denselben Arealen des Gehirns fest.
Mehr Zellkörper, oder mehr Synapsen?
"Dieses Ergebnis widerlegt die gängige Vorstellung, dass sich die anatomische Struktur des erwachsenen Gehirns nicht mehr verändert, es sei denn durch den Alterungsprozess oder durch Krankheit", fasst Neurologe May die Ergebnisse zusammen.

Die Studie belege vielmehr, dass der Lernprozess strukturelle Veränderungen in der Gehirnrinde bewirke. Ob dieses Wachstum jedoch auf eine Vermehrung von grauen Zellkörpern oder aber von Stützzellen und Synapsen zurückzuführen sei, müssten weitere Tests von Zellforschern ergeben.
->   Uniklinik für Psychiatrie Jena
->   Uniklinik für Neurologie Regensburg
->   Mehr zum Thema Gehirnforschung in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010