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Katze und Mensch: Eine wechselvolle Beziehung  
  Das Verhältnis von Katzen zu Menschen war durchaus wechselhaft: Im Alten Ägypten wurden Katzen als Gottheiten verehrt, im Mittelalter wegen vermeintlicher Teufeleien verfolgt und heute werden sie in großer Zahl als Haustiere gehalten. Der Wissenschaftshistoriker Erhard Oeser von der Uni Wien zeichnet in einem neuen Buch diese abwechslungsreiche Geschichte nach - und fasst sie in einem Gastbeitrag zusammen.  
Die Geschichte eines Verhältnisses
Von Erhard Oeser

Heutzutage gibt es auf dieser Welt so viele Katzen wie nie zuvor. Bereits vor Jahrzehnten hat die Katze in vielen Ländern Westeuropas, vor allem in den Großstädten, den Hund als beliebtestes Haustier übertrumpft.

Hunde haben ja in letzter Zeit an Beliebtheit eingebüßt. Horrorgeschichten über Hunde, die sich sogar auf die Kinder ihres Besitzers stürzen, Berichte über Infektionen durch Hundekot und Gesetze zur Leinenpflicht und Entsorgung der Hinterlassenschaften der bellenden Vierbeiner haben dazu beigetragen, dass die friedliche, saubere unabhängige Katze zur beliebteren Alternative wurde.
Symbol einer ursprünglichen Welt
Die Katze wird daher von den in engen Wohnungen lebenden Menschen als das Haustier der Zukunft angesehen, als das lebende Symbol einer schon fernen ursprünglichen Welt.

Sie nimmt wenig Platz ein, braucht nicht spazieren geführt zu werden und kann die Wochenenden mit ihrem Trockenfutter und einem Schüsselchen voll Wasser allein verbringen.
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Das Buch "Katze und Mensch. Die Geschichte einer Beziehung" ist dieser Tage in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt (WBG) erschienen.
->   WBG
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Verständnis und ...
Trotzdem gibt es noch immer Katzenfeinde, die in ihr ein falsches und egoistisches Tier sehen, das keiner Liebe oder zumindest Dankbarkeit gegenüber ihrem Wohltäter fähig ist, der ihr Nahrung, Wärme und Behaglichkeit gibt, sondern ihn bei erstbester Gelegenheit scheinbar kaltherzig verlässt.

Nicht selten sind es die Hundebesitzer, die durch Vergleiche mit ihrem Lieblingstier zu einer derartigen Meinung über die Katzen gekommen sind.
... Missverständnis der Katze
Bild: WBG
Demgegenüber steht die zum Teil überschwängliche Liebe der Katzenfreunde, die mitunter an den Katzenkult der alten Ägypter erinnert, weil sich bis heute noch die Vorstellung von geheimnisvollen magischen Kräften der Katze erhalten hat.

Warum gibt es diese Gegensätze in der Beziehung des Menschen zur Katze? Ein Hauptgrund dafür liegt sicher in dem manchmal rätselhaften und schwer verstehbaren, sich ganz plötzlich ändernden Verhalten der Katze, das von schnurrender Zärtlichkeit in absolute Gleichgültigkeit oder gar in Aggression umschlägt oder abrupt von freudiger Spiellust zu träger Faulheit wechselt.

Rätselhaft ist es auch, warum Katzen ihren Menschen verlassen, während andere ihrem umgezogenen Besitzer oft über hunderte von Kilometern nachfolgen, als ob sie telepathische Fähigkeiten hätten.
Hund-Mensch-Gemeinschaft viel älter
Während Hund und Mensch lange bevor der Mensch sesshaft wurde, eine Überlebensgemeinschaft in der Wildnis bildeten, die eine bedingungslose Treue zum Rudel erfordert, ging die Katze viel später eine Bindung mit den Menschen ein.

Erst als dieser in festen Behausungen wohnte und Vorräte anlegte, die vor Mäusen und Ratten geschützt werden mussten, wurde sie zum Haustier im wahrsten Sinn des Wortes. Aber niemals gingen Katzen in Rudeln auf die Jagd, weder mit den Menschen noch mit ihren Artgenossen.

In der Freiheit verbringen Katzen einen Großteil ihres Tages damit, sich einzeln an ihre Beute anzuschleichen oder ihr aufzulauern.
"Künstler lieben Katzen, Soldaten Hunde"
Dieser artspezifische Unterschied im Verhalten von Hund und Katze ist nicht nur die Ursache für die sprichwörtlich gewordene Feindschaft zwischen "Hund und Katz" sondern wird auch von den heutigen Verhaltensforschern als der Grund angesehen, warum Katzenliebhaber meist völlig anders sind als Hundefreunde.

In überspitzter Form hat diesen Unterschied Desmond Morris ausgedrückt: "Künstler lieben Katzen, Soldaten Hunde".
Gottheit und Mäusefänger: Das Tier, das aus Ägypten kam
Zum Verständnis der Katze gehört nicht nur die Kenntnis, wie man sie füttert und pflegt oder für Ausstellungen herausputzt, sondern auch das Wissen um die Geschichte ihrer wechselvollen Beziehung zum Menschen.

Im alten Ägypten war sie nicht nur der überaus nützliche Mäusefänger, sondern wurde auch als Gottheit verehrt. Die Griechen und Römer wunderten sich zwar über diese maßlose Hochschätzung der Katze, anerkannten aber ihre Nützlichkeit.

Im Nahen und im Fernen Osten, in der islamischen Welt und in China, waren Katzen äußerst beliebt. Bekannt war die große Zuneigung, die Mohammed für Katzen legte, die im Unterschied zu den Hunden als reine Tiere galten.
Mittelalter: Die Katze als Begleiterin der Hexen
Im Abendland dagegen war das finstere Mittelalter für die Katzen tatsächlich eine finstere Zeit. Sie führten zwar zunächst als zutrauliche Gefährten der Mönche und Eremiten ein friedliches Leben, gerieten aber bald in Verdacht, diese frommen Menschen vom Dienst an Gott abzulenken.

In den Krallen der Inquisition waren die Katzen das Hauptziel der Anklagen gegen die Häretiker, die vom dogmatisch festgelegten Glauben abgewichen waren. Sogar der christlichen Militärorden der Templer wurde verdächtigt, die Katze als Wiedergeburt des Teufels vergöttert zu haben.

Die Verteufelung der Katze erreichte ihren Höhepunkt in den Hexenjagden, die erst im 17. Jahrhundert endeten.
Aufstieg in der Neuzeit: Vom Mäusejäger zum Salontier
Nachdem die Katzen im christlichen Europa Jahrhunderte lang geschunden, gekreuzigt, bei lebendigem Leib verbrannt, totgeschlagen oder aus den Luken der Kirchtürme geworfen wurden, setzte in der Neuzeit unvermutet ein sagenhafter Aufstieg der Katzen in der Gunst der Menschen ein.

Als Kirchen- und Klosterkatzen wurden sie genauso nützliche Helfer gegen die Ratten- und Mäuseplage wie in den Postämtern und Bibliotheken, wo ihnen sogar für ihre Leistungen Gehälter ausgezahlt wurden.
Half Seefahrer gegen Rattenplage
Seefahrernationen, wie die Italiener und Engländer, erkannten die unersetzliche Bedeutung der Katze gegen die Rattenplage. Kein Schiff durfte auslaufen, ohne eine Katze vorweisen zu können.

Admiral Nelson sorgte sogar höchstpersönlich für das Wohl seiner Schiffskatze. Auf diese Weise reisten die Katzen rund um die Welt und besiedelten die neu entdeckten Gebiete der Erde von der Antarktis bis zu den Galapagosinseln.
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Manchmal aber auch gebraten
Doch waren die Katzen trotz ihrer Funktion als Beschützerin der Vorräte des Menschen nicht davor geschützt, selbst aufgefressen zu werden. Als "Dachhase" war sie nicht nur in Notzeiten ein willkommener Braten, sondern rangierten auch in Zeiten des Überflusses als besondere Gaumenfreude der Reichen und Wohlhabenden.
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Plötzlich auch in den Salons
Im Frankreich waren es Schriftsteller wie Chateaubriand und Champfleury, die die Katze vor den Vorwürfen Buffons verteidigten oder Dichter wie Baudelaire, die sie in feinsinnigen Gedichten besangen.

Auch Staatsmänner wie Richelieu und Churchill waren Katzenliebhaber. Darüber hinaus wurde die Katze von der verrufenen Begleiterin der Hexen zum viel geliebten Spielzeug für kleine Mädchen und zur verzärtelten Gefährtin adeliger Salondamen.
Die Zukunft der Katze ist gesichert
Heutzutage, wo die wenigsten Hauskatzen in den zivilisierten Ländern jemals eine Maus oder Ratte gesehen haben, ist ihr Wert gleich wie beim Hund ein rein seelischer. Doch genauso wenig wie der Hund ist sie davor geschützt, ausgesetzt oder im Tierheim abgeliefert zu werden.

Während jedoch ausgesetzte Hunde in unseren Ländern kaum selbständig überleben können, kehrt die für ihre Zähigkeit sprichwörtlich gewordene Hauskatze in den Zustand ihrer Wildheit zurück oder sucht sich ein neues Haus.

Ihre Zukunft ist daher gesichert. Sogar dann, wenn der Mensch sich selbst vernichtet hat, und die Welt nur mehr von Ratten und Mäusen bewohnt sein wird, kann die Katze, die ihre Freiheit und Unabhängigkeit bewahrt hat, überleben.

[28.1.05]
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Über den Autor:
Erhard Oeser, geb. 1938. Professor für Philosophie und Wissenschaftstheorie an der Universität Wien. Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Konrad Lorenz Institutes für Evolutions-und Kognitionsforschung.

Arbeitsgebiet: Geschichte der Naturwissenschaft; Buchveröffentlichungen u.a.: "Historische Erdbebentheorien von der Antike bis zum Ende des 19. Jahrhunderts", "Geschichte der Hirnforschung", "Hund und Mensch. Die Geschichte einer Beziehung".
->   Mehr über Erhard Oeser
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01.01.2010