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"Fall Borodajkewycz" erschütterte Österreich  
  Das etwas andere Gedenken im Jubiläumsjahr 2005: Vor 40 Jahren war das erste politische Todesopfer der Zweiten Republik zu beklagen - als Folge des "Falls Borodajkewycz".  
Am 31. März 1965 wurde der 67-jährige ehemalige KZ-Häftling Ernst Kirchweger - der an einer Demonstration gegen den an der damaligen Hochschule für Welthandel (der heutigen Wirtschaftsuniversität Wien) lehrenden Sozial- und Wirtschaftshistoriker Taras Borodajkewycz teilgenommen hatte - von einem rechtsradikalen Gegendemonstranten so schwer verletzt, dass er zwei Tage später an den Folgen der Attacke verstarb.

Borodajkewycz hatte schon zuvor durch antisemitische Äußerungen und sein Bekenntnis zu seiner nationalsozialistischen Vergangenheit heftige Kontroversen ausgelöst.
Heinz Fischer brachte den Fall ins Rollen
Die Affäre hatte 1962 ihren Anfang genommen. Der damals 24 Jahre alte Student und heutige Bundespräsident Heinz Fischer veröffentlichte im SPÖ-Organ "Zukunft" und in der Arbeiter-Zeitung Artikel gegen den Rechtsradikalismus an den österreichischen Hochschulen.

Speziell kritisierte Fischer die Vorlesungen von Borodajkewycz. Der Hochschulprofessor klagte und Fischer wurde 1963 in erster Instanz verurteilt.

Denn Fischer hatte sich geweigert, die Grundlagen seiner Artikel - Vorlesungsmitschriften eines jungen Wirtschaftsstudenten namens Ferdinand Lacina, dem späteren SP-Finanzminister - offen zu legen. Er wollte Lacinas Identität nicht lüften, da dieser sein Studium noch nicht abgeschlossen hatte.
Borodajkewycz schrieb sich Gedanken von der Seele
Wenige Monate nach diesem Prozess wurde der Fall Borodajkewycz akut. Auslöser war ein Artikel des Hochschullehrers in der deutschen Wochenzeitung "Das Parlament" unter dem Titel "Gedanken zum 1. September 1939 und seine Folgen".

In dem Aufsatz hieß es unter anderem: "Es ist nur ein Teil der gesamtdeutschen Katastrophe, dass wir deutschen Österreicher zum zweiten Mal innerhalb einer Generation das größere Vaterland verloren haben."

SPÖ-Abgeordnete wollten daraufhin vom damaligen Unterrichtsminister Theodor Piffl-Percevic (ÖVP) in einer parlamentarischen Anfrage wissen, ob er bereit sei, gegen Borodajkewycz ein Disziplinarverfahren einzuleiten.
Offenes Nazi-Bekenntnis
Auf Grund dieser Ereignisse gab Borodajkewycz am 23. März eine Pressekonferenz an der Hochschule für Welthandel, die das Fernsehen ausschnittsweise ausstrahlte.

Dabei bezeichnete der Professor die österreichische Nation als "Geflunker" und bekannte sich offen zu seiner NS-Vergangenheit: "Ich habe niemals meine Mitgliedschaft bei der NSDAP verleugnet, ich bin auch freiwillig beigetreten, zum Unterschied von manchen Zeitgenossen, die dann behaupteten, sie sind gezwungen worden. Ich bin freiwillig beigetreten. Ich müsste mich ja schämen, wenn ich mich nicht zu der Vergangenheit bekenne", sagte Borodajkewycz unter anderem.

Die Pressekonferenz löste einen Proteststurm aus.
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Mitarbeiter der SS
Taras Borodajkewycz wurde 1902 in der Ukraine geboren und wuchs in Baden bei Wien auf. 1934 trat er der damals noch illegalen NSDAP bei. Er habilitierte sich 1937 und wurde 1942 Professor in Prag. Während des Zweiten Weltkriegs war er Mitarbeiter des SS-Nachrichtendienstes. 1955 wurde der Historiker außerordentlicher Professor an der Hochschule für Welthandel in Wien. Er verstarb im Jänner 1984 im 82. Lebensjahr.
->   Taras Borodajkewycz (AEIOU)
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Minister wolle an ihm festhalten
Am 31. März 1965 erklärte der zuständige Unterrichtsminister Theodor Piffl-Percevic in einer parlamentarischen Fragestunde, dass er nicht bereit sei, den Historiker vom Dienst als Hochschullehrer zu suspendieren.
Ernst Kirchweger nach Demonstration getötet
An diesem Tag nahmen tausende Menschen an einer von der "Österreichischen Widerstandsbewegung" organisierten Demonstration gegen Taras Borodajkewycz und für dessen Suspendierung teil. Es kam zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten der Widerstandsbewegung und Anhängern des Uni-Lehrers.

Dabei wurde Ernst Kirchweger durch einen Faustschlag von Günther Kümel schwer verletzt. Der ehemalige KZ-Häftling erlag zwei Tage später seinen Kopfverletzungen, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben.

Kümel, der bereits wegen verschiedenen Attentaten straffällig geworden war, wurde im Oktober 1965 zu zehn Monaten Arrest verurteilt.
Fischer wird freigesprochen
Im April 1965 erreichte Heinz Fischer die Wiederaufnahme seines Verfahrens. Ferdinand Lacina hatte in der Zwischenzeit sein Studium abgeschlossen und konnte als Zeuge und Verfasser der Vorlesungsmitschriften für Fischer aussagen.

Das Verfahren endete mit Fischers Freispruch im Juni 1965. Borodajkewycz meldete ein Monat später gegen das Urteil Berufung an. Im Endurteil des Wiener Landesgerichts für Strafsachen vom 30. November 1965 wurde der Freispruch Fischers bestätigt und die Berufung zurückgewiesen.
Strafweise in den Ruhestand
Borodajkewycz selbst stellte im März 1965 an der Hochschule für Welthandel den Antrag, gegen ihn ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Im Mai 1966 wurde er durch einen Entscheid des Disziplinarsenats der Hochschule für Welthandel strafweise in den Ruhestand versetzt.

[science.ORF.at/APA, 25.3.05]
 
 
 
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01.01.2010