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Was den Knoblauch scharf macht  
  Über die medizinischen Wirkungen des Knoblauchs gibt es eine Vielzahl von Studien. Über dessen Geschmack hingegen äußerst wenig. Die Wissenslücke wurde nun von US-Forschern geschlossen: Sie fanden heraus, dass die Schärfe des Knoblauchs offenbar via Thermorezeptoren im Mundraum wahrgenommen wird.  
Wie ein Team um Ardem Patapoutian vom Scripps Research Institute in La Jolla, Kalifornien, berichtet, ist für diese Empfindung der bekannte Inhaltsstoff Allicin verantwortlich: Das ist jene Substanz, die dem Knoblauch seinen typischen Geruch sowie seine antimikrobielle Wirkung verleiht.
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Die Studie "The Pungency of Garlic: Activation of TRPA1 and TRPV1 in Response to Allicin" von Lindsey Macpherson et al. erschien im Fachjournal "Current Biology" (Band 15, S.929-934, doi:10.1016/j.cub.2005.04.018).
->   Current Biology
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Alte Kulturpflanze
Knoblauch wird seit mehr als 5.000 Jahren kultiviert und ist damit eine der ältesten Heilpflanzen der Kulturgeschichte. Die Pflanze aus der Familie der Liliengewächse wurde bereits im Papyrus Ebers, dem wichtigsten Text zur ägyptischen Heilkunst, aufgrund ihrer heilsamen Wirkung erwähnt.

Hinweise finden sich auch in den ayurvedischen medizinischen Texten aus dem alten Indien. Dort wurde Knoblauch beispielsweise als Heilmittel gegen Lepra gepriesen.
->   Knoblauch bei Wikipedia
Wirkung durch Studien belegt
Aus schulmedizinischer Sich höchstwahrscheinlich zu Recht: Allium sativum wirkt - innerlich wie äußerlich - antiseptisch, hemmt das Wachstum von Bakterien und Pilzen und senkt den Cholesterinspiegel im Blut. Außerdem verdichten sich die Hinweise, dass gewisse Inhaltsstoffe der Pflanze auch Krebserkrankungen vorbeugen (Mutation Research 589, S.81).
Knoblauch parfümiert sogar Hühnerställe
Und, was selbst große Knoblauch-Fans nicht erwartet hätten: Das Lauchgewächs kann sogar als eine Art Raumparfum eingesetzt werden. Zumindest dort, wo es ohnehin ziemlich stinkt, nämlich in Hühnerställen.

Forscher der US-amerikanischen Clemson University fanden im Jahr 1998 heraus, dass die Exkremente von Hühnern wahrnehmbar besser riechen, wenn ihrem Futter drei Prozent Knoblauchpulver beigemengt wird.

"Dann riecht der Hühnerstall eher nach Pizzeria als nach Stallmist", fasste der Veterinärmediziner Glenn Birrenkott seine Untersuchung zusammen. Landwirte werden es ihm danken.
Wie wird Schärfe wahrgenommen?
Relativ wenig Untersuchungen widmeten sich hingegen bis dato den geschmacklichen Wirkungen des Knoblauchs. Warum schmecken beispielsweise Spaghetti aglio e olio so wie sie schmecken, also scharf? Die Antwort auf diese brennende Frage gibt nun eine Studie von Forschern um Ardem Patapoutian vom Scripps Research Institute in La Jolla, Kalifornien.
Thermorezeptoren nicht nur temperaturempfindlich

Viele Geschmacksempfindung abseits der Grundkategorien süß, sauer, salzig, bitter (und umami) haben offenbar etwas mit Thermorezeptoren von Nervenzellen zu tun, die sich im Mundraum und auf der Zunge finden.

Dabei handelt es sich um Ionenkanäle der so genannten TRP-Gruppe ("transient receptor potential family"). Ein Mitglied dieser Familie, TRPV1, lässt bei schädlicher Hitzeeinwirkung Kalzium in die Zelle einströmen, was zu einer schmerzhaften Empfindung führt.

Allerdings ist das nicht der einzige Reiz, der eine solche Reaktion hervorrufen kann: TRPV1 öffnet auch dann seine Pforten, wenn die Substanz Capsaicin im Mund vorhanden ist. Das ist jener Stoff, der uns etwa beim Genuss von Chilli con carne die Tränen in die Augen treibt.

Ähnlich verhält es sich auch beim Thermorezeptor TRPA1. Dieser reagiert neben Kältereizen auch auf Inhaltsstoffe von Zimt- und Senfölen. Und TRPM8 wiederum ist an der kühlen Empfindung beteiligt, die beim Verzehr von mentholhältigen Lebensmitteln auftritt. Patapoutian und seine Mitarbeiter vermuteten daher, dass auch die Schärfe des Knoblauchs über den einen oder anderen TRP-Rezeptor wahrgenommen wird.
In-vitro-Nachweis gelungen
Zur Überprüfung dieser Hypothese schleusten die Forscher diverse TRP-Gene in das Erbgut von Eizellen des chinesischen Hamsters sowie des Krallenfrosches und behandelten diese dann mit rohem und geröstetem Knoblauch.

Ersteres führte in der Tat zu einer starken Aktivierung der Ionenkanäle TRPV1 und TRPA1. Patapoutian und Kollegen fanden auch heraus, dass diese Wirkung zum größten Teil auf das Konto des so genannten Allicins geht - jene Substanz, die auch für den typischen Geruch des Knoblauchs verantwortlich ist.
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Allicin
Allicin entsteht erst dann, wenn das Gewebe der Knoblauchzehen (etwa durch Schneiden mit dem Küchenmesser) beschädigt wird. Dabei wird dessen Vorstufe, das geruchlose Alliin, durch das Enzym Aliinase in das Allicin übergeführt. Allicin dürfte auch zum Teil für die antimikrobielle sowie für die cholesterinsenkende Wirkung des Knoblauchs verantwortlich sein. Zudem wird diskutiert, dass Allicin auch freie Radikale neutralisieren könnte.
->   Mehr dazu bei www.allicin.com
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Nur roher Knoblauch ist scharf
Allerdings ist Allincin instabil und wird nach relativ kurzer Zeit in andere schwefelhältige Verbindungen verwandelt. Das geht umso schneller, je höher die Temperatur ist. Daher war es nicht überraschend, dass der geröstete Knoblauch in den Versuchen bei TRPV1 und TRPA1 keinerlei Reaktion hervorrief.

Das wird auch jeder Koch bestätigen: So aggressiv Knoblauch im rohen Zustand schmecken mag, geröstet, geschmort oder gegrillt ist er mild und aromatisch. Einziger Nachteil daran: Er ist dann auch nicht mehr ganz so gesund.
Abwehrstrategie der Pflanze
Soweit die Perspektive des Menschen. Aus Sicht der Knoblauchs ist die Schärfe ein simples Abwehrmittel gegen Fraßfeinde. Wie in einer Reihe von Studien festgestellt wurde, hält das Allicin verschiedenste Tierarten davon ab, sich an der Pflanze gütlich zu tun. Darunter etwa Stare, Zecken, Moskitos und Würmer. Nur bei Homo sapiens funktioniert der Trick offensichtlich nur bedingt.

Robert Czepel, science.ORF.at, 24.5.05
->   The Patapoutian Lab
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->   "Knoblauch-Bomben" zerstören Krebstumoren (23.4.04)
->   Verhindert Knoblauch Gewichtszunahme? (30.10.01)
 
 
 
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01.01.2010