News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 
Nutzen von Gebeten für Herzpatienten untersucht  
  Eine der bisher größten Studien zur Religiosität und Gesundheit bestätigt einmal mehr: Beten hat keinen Nutzen für die Genesung. Für einige Experten bleibt aber die Frage nach dem Sinn dieser Untersuchungen.  
Ob Gott existiert oder nicht, kann die Studie nicht beantworten. Und auch die Frage, ob Gebete Kranken unter Umständen helfen können, bleibt offen. Aber die bisher größte wissenschaftliche Untersuchung zum Zusammenhang von Religiosität und Gesundheit zeigt, dass zumindest unter den gegebenen Bedingungen Gebete nicht zur Genesung von Patienten beitragen.

Im Gegenteil: Wissen die Patienten, dass für sie gebetet wird, kam es dieser Studie zufolge sogar gehäuft zu Komplikationen. Über die Resultate wird nun reichlich spekuliert.
...
Der Artikel "Study of the Therapeutic Effects of Intercessory Prayer (STEP) in cardiac bypass patients: A multicenter randomized trial of uncertainty and certainty of receiving intercessory prayer" ist in der Fachzeitschrift "American Heart Journal" (Bd. 151, Nr. 4, S. 934, April 2006) erschienen.
->   Abstract
...
Starke Kritik an Anspruch der Studie
Etliche Wissenschaftler kritisieren schon den Anspruch der rund zwei Millionen Euro teuren Untersuchung. "Wissenschaft ist nicht dazu da, das Übernatürliche zu untersuchen", so der Leiter des Zentrums für Spiritualität, Theologie und Gesundheit der Duke Universität, Harold Koenig.

Und selbst die beteiligten Forscher interpretieren ihr Untersuchungsergebnis auffällig zurückhaltend: Die Studie habe zum Verständnis der Wirkung von Gebeten nichts beigetragen, sagt der Kardiologe Charles Bethea aus Oklahoma City. Und der ebenfalls beteiligte Harvard-Mediziner Herbert Benson pflichtet bei: "Wir können zu keinem Resultat kommen, außer zu dem, dass wir bei diesem Untersuchungskonzept mit seinen Einschränkungen zu diesem Resultat gelangt sind."
Experten: Beste Studie zum Thema
Allen Einschränkungen zum Trotz: Experten halten die in der Zeitschrift "American Heart Journal" veröffentlichte Untersuchung für die bisher beste Studie zur Erforschung des medizinischen Nutzens von Gebeten.

Die Forscher ließen drei christliche Gruppen für die Genesung eines Teils der insgesamt 1.800 Herzpatienten beten, und zwar vom Abend vor der Operation über einen Zeitraum von zwei Wochen.
Für erfolgreiche Herz-Operation gebetet
Die Patienten wurden in drei Gruppen eingeteilt. 600 Patienten wussten, dass für sie gebetet wurde. Die übrigen 1.200 Patienten waren dagegen nicht informiert, wobei für die Hälfte von ihnen ebenfalls Fürbitten gehalten wurden.

Diese baten um eine erfolgreiche Operation mit einer schnellen Genesung und ohne Komplikationen für die Patienten, von denen lediglich der Vorname und die Initiale des Nachnamens genannt wurden.

Aus ethischen Gründen nahmen die Forscher keinen Einfluss darauf, ob zusätzlich noch Angehörige für die Teilnehmer beteten.
Keine bessere Genesung
Zumindest innerhalb des Untersuchungszeitraums von 30 Tagen förderten die Gebete die komplikationsfreie Genesung nicht.

In der Gruppe, die von den Gebeten wusste, kam es bei 59 Prozent der Patienten zu Komplikationen, in den beiden anderen Gruppe zusammen dagegen nur bei 52 Prozent.
Gebete führten sogar vermehrt zu Problemen
Gerade dieses Phänomen, dass das Wissen um die Gebete sogar vermehrt zu Problemen führte, überraschte die Forscher. Vielleicht seien die Patienten besorgt darüber gewesen, dass ausgerechnet sie für Gebete ausgewählt wurden, mutmaßt Bethea, nach dem Motto: Ich bin so krank, dass sie schon eine Gebetsgruppe rufen müssen.
Studie bestätigt Skeptiker
Während andere Forscher das Resultat auffallend zurückhaltend kommentieren, bereitet die Studie dem Philosophieprofessor Paul Kurtz, dem Vorsitzenden des Komitees zur wissenschaftlichen Untersuchung von Behauptungen zum Paranormalen, wenig Kopfzerbrechen.

Auf die Frage, warum die Studie nicht auf eine Wirkung von Gebeten hindeute, antwortet er unverblümt: "Weil es keine gibt. Das wäre eine Antwort." Zwar sei er grundsätzlich offen, betont der Philosoph. Aber bisher habe er auch in früheren Studien keinen einzigen Hinweis für solch einen Effekt entdeckt. "Die neue Untersuchung bestätigt diejenigen, die skeptisch sind."
Wenig überraschendes Resultat
Auch für Koenig kommt das Resultat der Studie nicht überraschend: "Es gibt keine wissenschaftlichen Gründe, ein positives Ergebnis zu erwarten, und es gibt auch keine echten theologischen Gründe für ein solches Ergebnis."

Gemäß der christlichen Tradition, so Koenig, würde man erwarten, dass Gott am Seelenheil eines Menschen Anteil nehme. "Warum sollte Gott seine Pläne für einen bestimmten Menschen ändern, nur weil der an einer Forschungsstudie teilnimmt."

Malcolm Ritter, AP, 14.4.06
->   Beth Israel Deaconess Medical Center, Harvard Medical School, Boston, MA
Mehr zum Thema in science.ORF.at:
->   Gebete zeigen keine Heilwirkung (15.7.05)
->   Religion und Gesundheit (29.3.02)
->   Wohlbefinden durch Gebet und Meditation (24.12.01)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010