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Biosemiotik: Neuer Biologiebegriff der Zukunft?  
  Mit Biosemiotik wollen Experten die Zeichensysteme und Kommunikationsprozesse der Natur näher entschlüsseln. Die junge Disziplin steht aber erst am Anfang und soll auf einer Tagung mehr Profil entwickeln.  
Biosemiotik: Mit diesem Begriff können bisher nur wenige Spezialisten etwas anfangen. Bei einem Kongress in Salzburg wollen Wissenschafter aus ganz Europa sich vom 5. bis 9. Juli mit dieser noch jungen Disziplin auseinander setzen.

"Es geht um die Entwicklung eines neuen Biologiebegriffs für das 21. Jahrhundert", erklärte der Organisator der Tagung "Gathering in Biosemiotics 6", Günther Witzany, im Gespräch mit der APA.
->   Details zur Konferenz Biosemiotics 2006
Biosemiotik: Noch methodische Defizite
Das Treffen hochrangiger Wissenschaftler aus aller Welt findet das erste Mal in Salzburg statt. Ziel sei der Austausch unterschiedlicher Disziplinen und deren Vernetzung.

Außerdem gehe es darum, beim Aufbau einer gemeinsamen wissenschaftlichen Methode weiterzukommen. Das Fehlen einer solchen Methode wäre eine "Schwäche der Biosemiotik", erläuterte Witzany.
"Keine Wissenschaft im herkömmlichen Sinn"
Was steckt nun hinter diesem Begriff? "Biosemiotik ist keine Wissenschaft im herkömmlichen Sinn, sondern vereint Biologie, Sprach- und Kommunikationswissenschaft."

Die Biosemiotik geht davon aus, dass in der belebten Natur Kommunikationsprozesse ablaufen. Lebensprozesse werden nicht anhand von chemischen oder physikalischen Gesetzmäßigkeiten erklärt, sondern von den Biosemiotikern als Zeichenprozesse gesehen.
Biologische Prozesse als Kommunikationsprozesse
Der neue Biologiebegriff ermögliche eine Abkehr vom reduktionistischen Denken der Naturwissenschaften. Nicht der Mensch, sondern Pflanzen, Bakterien und Tiere stehen im Mittelpunkt des Interesses.

Biologische Prozesse werden als Kommunikation gesehen, die ge- oder misslingen kann. Scheitert sie, können Krankheiten entstehen.
Auf Bedeutung des Kontextes achtend
Als neue Regelebene werde neben der Grammatik (Zeichen, die nach bestimmten Prinzipien kombiniert werden) und der Semantik (Was bedeutet was?) auch die pragmatische Ebene eingeführt.

Diese Frage nach dem Verwendungszusammenhang, nach dem Kontext, sei bisher von der Biologie ausgeklammert worden, erläuterte Witzany.

Ein Beispiel: Der Körper produziere Adrenalin. In einer Angst- oder Stresssituation ermögliche es die schnelle Flucht. Gebe es diese bedrohlichen Situationen nicht, dann werde das Adrenalin verwendet, um den Verdauungsprozess anzuregen, wies Witzany auf die Bedeutung des Kontextes hin, um einen Prozess zu verstehen.
Natur neu verstehen
Der Biosemiotik gehe es nicht primär um neue Erkenntnisse, die in technischen Fortschritt - wie neue Medikamente - umgesetzt werden könnten, sagte der Tagungsorganisator. Sie ziele auf ein neues Verständnis der belebten Natur ab. "Das Leben folgt Kommunikationsprozessen."

Er wies auf Forschungen hin, wonach Pflanzen sehr intensiv mit ihrer Umwelt kommunizieren. Wenn ein Schädling auf eine Pflanze zusteuere, sende diese Duftstoffe aus, um ihn zu vertreiben. Gleichzeitig warne sie über andere Stoffe ihre Nachbarpflanzen, damit diese ebenfalls mit Abwehrmaßnahmen beginnen. Und nicht zuletzt locke sie mit Duftstoffen Schädlinge der Schädlinge an, um sich zu schützen, erläuterte Witzany.

Nach Ansicht der Biosemiotiker laufen solche komplexen Prozesse nicht zufällig, sondern nach einem strukturierten Kommunikationsmuster ab. Um solche Phänomene besser zu verstehen, wird beim Kongress unter anderem ein Pflanzenneurobiologe referieren, kündigte Witzany an.

[science.ORF.at/APA, 30.6.06]
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->   Günther Witzany - Biosemiotik
 
 
 
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01.01.2010