News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Gesellschaft .  Leben 
 
DNA-Beweis: Etrusker stammten aus Anatolien
 
  Vor den Griechen und Römern florierte in Italien die Kultur der Etrusker. So sehr ihr Zivilisationsgrad bekannt ist und geschätzt wird, so stark war bisher ihre Herkunft umstritten. Neueste genetische Untersuchungen geben dem altgriechischen Geschichtsschreiber Herodot Recht. Der hatte schon vor 2.500 Jahren gemeint, dass die Wurzeln der Etrusker in Anatolien liegen, in der heutigen Südtürkei.  
Alberto Piazza von der Universität Turin und Kollegen haben hohe Übereinstimmungen im Erbgut von heutigen Toskanern und Türken gefunden, wie sie bei der Jahrestagung der Europäischen Gesellschaft für Humangenetik (ESHG) berichteten.
...
Die Jahrestagung der ESHG findet vom 16. bis 19. Juni in Nizza statt.
->   ESHG 2007
...
Beachtliche Zivilisation
Bild: EPA
Etruskische Terracotta-Statue
des Apollo von Veio aus dem sechsten
Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung
Die Etrusker beherrschten Mittelitalien vom achten bis zum vierten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Sie gelten als Urväter Europas und Pioniere der Antike, waren Meister der Metallverarbeitung, geschäftstüchtige Handelsleute und gefürchtete Seeräuber.

Sie bauten bereits 15 Meter breite Straßen, erfanden das Atriumhaus und den Klosettstuhl. Besondere Bedeutung messen Forscher ihren Grabanlagen bei. Manche Nekropolen bildeten die Anlage der jeweiligen Stadt ab, die Gräber sind in Architektur, Einrichtung und Wandschmuck dem Inneren des Wohnhauses nachempfunden.

Die Gräberfelder der Etrusker gehörten zu den größten der antiken Welt. Bewunderte Spezialisten waren die etruskischen Wahrsager, die selbst von den Römern zu Rate gezogen wurden. Diese haben die Etrusker im Laufe ihrer Expansion besiegt, die etruskische Kultur ist in der römischen aufgegangen.
Eingewandert oder indigen?
Vieles weiß man über die Etrusker, wo sie ursprünglich herstammten, ist aber unter Historikern, Archäologen und Linguisten bis heute umstritten.

Zwei Hauptthesen sind es, die miteinander konkurrieren: zum einen die Theorie, wonach die Etrusker aus Kleinasien eingewandert sind, wie es schon Herodot beschrieben hat; zum anderen die Vermutung, dass sie sich aus ortsansässigen Volksgruppen der Steinzeit entwickelt haben, wie es ein anderer griechischer Geschichtsschreiber, Dionysios von Halikarnassos, vorgeschlagen hat.
DNA-Vergleiche mit zahlreichen Regionen
Mit Mitteln der modernen Genetik hat diese Frage nun Alberto Piazza mit seinen Kollegen untersucht. Die Forscher entnahmen Bewohnern von drei Städten der Toskana Genproben: Sie stammten aus Murlo, Volterra und Casentino, in denen noch heute starke Einflüsse Etruriens vorhanden sind, u.a. lokale Dialekte und Ortsnamen mit etruskischer Herkunft.

Diese DNA-Proben wurden mit anderen verglichen, die jungen Männern in Süditalien, in der Türkei, im Nahen Osten und anderen in Betracht kommenden Regionen Europas abgenommen worden waren.

Das Ergebnis: Das Erbgut der toskanischen und türkischen Männer war einander am ähnlichsten, auch die DNA von heute auf der griechischen Insel Lemnos lebenden Männern wies hohe Parallelen auf.

1885 war auf Lemnos eine Säule mit einer Inschrift aus dem sechsten Jahrhundert v.Chr. entdeckt worden, deren Sprache eine starke Ähnlichkeit mit dem Etruskischen hatte.
Auch Rinderstudie spricht für Anatolien-Herkunft
Dass vieles für die These von Herodot spricht, hat erst vor kurzem eine weitere Studie gezeigt, die das Erbgut von Rindern verglichen hat.

Ihr zufolge stammen die heutigen Nutztiere in der Toskana ebenfalls aus den Gebieten des östlichen Mittelmeers und waren mit ihren Bauern nach Mittelitalien eingewandert.
...
Die Studie "The mystery of Etruscan origins: novel clues from Bos taurus mitochondrial DNA" von Marco Pellecchia et al ist in den "Proceedings of the Royal Society B" (Bd. 274, S.1175; 7.5.07) erschienen.
->   Abstract der Studie
...
Emigration wegen Hungersnot?
Laut der - später oft kritisierten - These von Herodot waren die Etrusker ursprünglich wegen einer Hungersnot aus Lydien, dem heutigen Westanatolien in der Türkei, nach Mittelitalien emigriert.

Die Hälfte der Bevölkerung soll auf Geheiß ihres Königs aufgebrochen sein, um anderswo nach einem besseren Platz zu suchen. Sie fuhren laut Herodot aus Smyrna (heute: Izmir) ab und landeten in Umbrien.

Alberto Piazza glaubt nun, dass der griechische Geschichtsschreiber Recht gehabt hat. Um sicher zu gehen, möchte er in einem nächsten Arbeitsschritt das Erbgut fossiler Überreste von Etruskern mit jenem zeitgenössischer Toskaner vergleichen.

[science.ORF.at, 17.6.07]
->   Apollo von Veio
->   Etrusker (Wikipedia)
->   Alberto Piazza, Universität Turin
->   European Society of Human Genetics
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Italien: Größtes Heiligtum der Etrusker entdeckt (1.9.06)
->   Die mysteriösen "Vie Cave" der Etrusker (18.8.06)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Gesellschaft .  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010