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Sauerstoff in Atmosphäre bestimmt Insektengröße  
  Vor 300 Millionen Jahren lebten Rieseninsekten, gegen die auch die größten Insekten der Gegenwart zwergenhaft wirken. Der Grund für diesen Unterschied ist die Sauerstoffkonzentration in der Luft: Weil sie nicht mehr so hoch ist wie damals, können Insekten nicht größer werden, berichten US-amerikanische Forscher.  
"Warum sind Elefanten groß und Käfer klein?", könnte ein Kind fragen. Und tatsächlich sind Käfer aus gutem Grund kleiner als Elefanten, und nicht, "weil das eben so ist". Ein Faktor, der die Körpergröße beeinflusst, ist die Sauerstoffversorgung.

Diesem Faktor ist eine US-Forschergruppe um Alexander Kaiser von der Midwestern University in Glendale, Arizona, nachgegangen und hat ausgerechnet, welche Größe Käfer maximal erreichen können.
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Die Studie "Increase in tracheal investment with beetle size supports hypothesis of oxygen limitation on insect gigantism" von Alexander Kaiser et al. erscheint zwischen 31. 7. und 3. 8. in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (doi: 10.1073/pnas.0611544104).
->   Zur Studie (sobald online)
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Sauerstoffversorgung beschränkt die Größe
Jede einzelne Zelle im Körper eines Tieres muss mit Sauerstoff versorgt werden. Je größer ein Tier ist, desto schwieriger gestaltet sich diese Aufgabe. Bei Wirbeltieren wird der Sauerstoff zentral gesammelt und dann mit dem Blut in alle Ecken des Körpers gepumpt.
Röntgenbild des untersuchten Käfers, eines Tibolium molitor
 
Bild: PNAS

"ht", "cxt","l2t2" sind die großen Tracheenkanäle, "mss", "mts", "a1"-"a6" sind die Atemöffnungen.
Tracheen kann die Luft ausgehen
Insekten haben keinen Blutkreislauf, sondern Tracheen. Das sind kleine, verzweigte Röhren im Insektenkörper; über sie gelangt die Atemluft direkt zu den Zellen. Tracheen sind auf kleine Distanzen viel leistungsfähiger als unsere Blutgefäße, doch mit zunehmender Länge geht ihnen buchstäblich die Luft aus.

Bei größeren Insekten müssten die Tracheen größer sein, doch im Insektenkörper mit seinem starren Außenskelett ist nicht unbeschränkt Platz vorhanden. Deshalb muss es eine maximale Größe für Insekten geben. Und die könnte sich mit dem Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre ändern.
Mehr Sauerstoff - größere Insekten?
Dieser Annahme ging die US-Forschergruppe aus Glendale nach. Sie ist nämlich nicht rein hypothetisch, denn vor etwa 300 Millionen Jahren, im späten Karbon und frühen Perm, war die Sauerstoffkonzentration tatsächlich größer. Sie betrug etwa 35 Prozent, heute sind es 21.

Die Erde wurde damals von wahren Rieseninsekten bevölkert. Die Urlibelle Meganeura monyi mit einer Flügelspannweite von 70 Zentimetern zum Beispiel war größer als so mancher heutige Vogel.
Bei 16 Zentimetern ist Schluss
Die Wissenschaftler untersuchten vier heute lebende Käferarten und ihre Tracheen mittels Röntgenaufnahmen. Die Atemwege von ausgestorbenen Insekten zu untersuchen war nicht möglich, denn die Tracheensysteme erhalten sich nicht in den Fossilien.

Je größer ein Insekt ist, desto mehr Platz brauchen die Tracheen. Der Platzbedarf nimmt mit der Größe unverhältnismäßig stark zu. Besonders in den filigranen Beinchen der Käfer können die Tracheen nicht ewig weiterwachsen.

Anhand ihrer Daten konnten die Forscher errechnen, dass kein heutiger Käfer länger als 16 Zentimeter sein kann. Und tatsächlich: Der größte lebende Käfer, Titanus giganteus, misst höchstens 17 Zentimeter.
Riesenwuchs nicht mehr möglich
In einer sauerstoffreicheren Umgebung reichen schmalere Tracheen aus, um den Körper mit Sauerstoff zu versorgen. "Die erhöhte Sauerstoffaufnahme könnte den Insekten erlaubt haben, viel größere, ja gigantische Körper zu entwickeln", schreiben die Forscher.

In der heutigen Zeit wäre Riesenwuchs bei Insekten also rein physiologisch gar nicht mehr möglich - egal, wie sehr die anderen Umweltbedingungen ihn begünstigt hätten. Dazu müsste der Sauerstoffgehalt der Luft wieder steigen, oder die Insekten müssten die Mechanismen ihrer Atmung ändern.

[science.ORF.at, 31.7.07]
->   Arizona Research Laboratories - Center for Insect Science
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01.01.2010