News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Gesellschaft 
 
"C.S.I." - den Ideologen auf der Spur  
  Seit sieben Jahren zeigen die Ermittler der TV-Krimireihen wie Mörder fast ausschließlich durch handfeste Beweise der Naturwissenschaft überführt werden. Der Begriff des "C.S.I.-Shots" wurde geprägt, der die Vorgänge im Körperinneren der Mordopfer visualisiert und die Wahrheit über den Tathergang zeigen soll. Dass diese Bilder die Wahrheit erst konstruieren, meint Barbara Hollendonner, Kulturwissenschaftlerin und Stipendiatin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.  
Sie hält die Konzentration auf "harte", naturwissenschaftliche Beweise der "C.S.I."-Kommissare für paradox. Denn diese sind nicht nur konstruiert, sondern bedürfen erst recht der menschlichen Interpretation, meint sie in einem science.ORF.at-Interview.
Bild: Alliance
William Petersen spielt in
"C.S.I. - Den Tätern auf der Spur"
den Chefermittler Gil Grissom
science.ORF.at: "C.S.I." wirkt wie Schulfernsehen für Naturwissenschaften. Die Fälle werden gelöst aufgrund von Beweisen, die Methoden der Biochemie, Physik etc. anwenden. Das Motto "The evidence never lies" scheint immer aufzugehen.

Barbara Hollendonner: Abgesehen von Einzelfällen, wo selbst bei "C.S.I." die Beweise lügen, funktioniert die Beweisführung deshalb, weil sie funktionieren soll. Forensiker und Forensikerinnen bescheinigen der TV-Serie zwar Realitätsnähe bei den gezeigten Techniken und Methoden. Ihre Ergebnisse sind aber in Wirklichkeit nicht so exakt.

Auch sind zumeist Spuren nicht in der gezeigten Reinheit und Menge vorhanden. "C.S.I." drückt den starken Willen aus, dass die Naturwissenschaften funktionieren sollen, es bringt die Leitwissenschaften unserer Zeit auf den Punkt.
Sie parallelisieren den Erfolg von "C.S.I." mit den Entwicklungen der Wissenschaftslandschaft?

"C.S.I." macht meiner Ansicht nach keine Propaganda für die Naturwissenschaften, wie das auf den ersten Blick den Anschein hat, sondern ist durchaus widersprüchlich. Die präsentierten Beweise sprechen nie für sich selbst, man muss mit ihnen etwas tun, damit sie eine Wahrheit verkünden und zur Auflösung des Falls beitragen.

Und das impliziert menschliche Analyse und Interpretation, die andererseits aber negiert wird durch das Credo "The evidence never lies". "C.S.I." handelt für mich von der Auseinandersetzung mit diesem Widerspruch.
Die Interpretation der Beweise von "C.S.I." beruht auf Messdaten, die von Geräten im Labor stammen. Insofern stammt die Wahrheit der Serie von Maschinen.

Das wird so inszeniert, ja. Aus den Bildwissenschaften stammt aber etwa die These, dass technische Bilder Wahrheit nicht ausdrücken, sondern mitkonstruieren - etwa die berühmten Hirnbilder, die die Funktion des Gehirns darstellen sollen.

In der Naturwissenschaft gibt es das Phantasma, dass die Herstellbarkeit derartiger Bilder Kontrolle über die Technik markiert, für mich als Kulturwissenschaftlerin ist diese Kontrolle eher Ausdruck der Produktion, der Hergestelltheit der Bilder.
...
Vortrag zum Thema "Gender und C.S.I."
Barbara Hollendonner hält am 17. Oktober 2007, 20 Uhr einen Vortrag zum Thema "Der Blick auf/in den Körper - Gender und C.S.I.".
Ort: Kunsthalle Wien, project space Karlsplatz, 1040 Wien
->   Mehr über den Vortrag
...
Was macht die Beweisführung durch DNA-Proben und andere handfeste Techniken so anziehend?

Zum einen sind einfache Lösungen immer am beliebtesten. Zum anderen gibt es eine ganz alte Tradition der Verbindung von Sehen und Wahrheit. Beliebtestes Beispiel ist Platons Höhlengleichnis und die Frage, ob das Sichtbare wirklich das Wahre ist oder nur Schatten von etwas anderem.

Da gibt es eine Pendelbewegung. Entweder herrscht die Ansicht vor, alles, was wir sehen, ist Lug und Trug, oder umgekehrt, dass es vertrauenswürdig ist - so wie bei "C.S.I.". Immer wenn ich etwas sehr stark betone, impliziere ich, dass das gar nicht stimmt.

Banales Beispiel: Bei der Aufforderung "Denke nicht an rosa Elefanten", denkt jeder an rosa Elefanten. Genauso ist auch das Motto zu verstehen "The evidence never lies".
Eine Ihrer Thesen lautet: Im Krimigenre wird immer der Tod verhandelt. Versuchen Serien wie "C.S.I." unsere Angst vor dem Tod ein wenig zu verringern?

Ein zentrales Problem des Lebens heißt: Was ist nach dem Tod? Übersetzt auf das Krimigenre: Was ist nach dem Mord, wie kann ich ihn aufklären?

Die Fälle werden in der Regel aufgeklärt und beruhigen uns in diesem Sinn, bewahren aber immer die ursprüngliche Beunruhigung mit auf. Im realen Leben ist das Problem des Todes aber nicht gelöst, auch wenn die Genetik daran arbeitet.
Bei anderen Krimis wie Tatort oder früher Derrick wird gerne das psychologische Gespräch geführt, die Geschichte von Tätern und Opfern erzählt. Im Vergleich dazu wirken die Figuren von "C.S.I." sehr oberflächlich und hohl.

"C.S.I." konzentriert sich zum einen auf die Gegenwart der Ermittlung und zum anderen auf die Opfer. In Rückblenden werden sie wieder lebendig, die Theorie des Tathergangs wird visualisiert.

Bei "C.S.I." bekommt das Opfer mehr Sendezeit als bei anderen Krimis, die undankbarste und kürzeste Rolle spielen bei Tatort und Co ja die Mordopfer. Die Psychologie ist sehr zurückgeschraubt bei "C.S.I.", bei späteren Staffeln weicht sich das ein bisschen auf, und das Verhör wird wieder wichtiger.
Die Wahrheit kommt nicht durch das Sprechen zum Vorschein, sondern durch den Körper.

Ja. Und um diese Körperwahrheit darzustellen, gibt es sogar eine eigene Wortschöpfung - den "C.S.I.-Shot". Also jene Szenen, in denen die Kamera scheinbar in den Körper des Opfers hineinfährt und diesen von innen filmt.

Das sind natürlich keine echten Leichen-Innenbilder, sondern digital hergestellte Bilder, die auf analogen Aufnahmen, medizinisch-technischen Bildern und Plastikmodellen basieren.
Gerade diese künstlichen Aufnahmen sprechen also die Wahrheit über den Mord?

Ja, das ist aber ein Phänomen mit langer Tradition. Man denke etwa an bürgerliche Konventionen: Das, was am natürlichsten gedacht wird, ist meist am künstlichsten produziert worden. Das ist Teil seiner Rechtfertigung.

Bei "C.S.I." soll etwas gezeigt werden, was noch nie zuvor gesehen wurde. Der Filmwissenschaftler Stephen Zepke hat einmal gesagt: Wenn du sehen willst, wo die Ideologie ist, dann schau, wo in einer Produktion das Geld hingeht. Bei "C.S.I." sind die "C.S.I.-Shots" das teuerste an der ganzen Serie.
In der Technik von "C.S.I.-Shots" haben Autorinnen Parallelen zur Pornografie entdeckt. Worin liegt die?

Elke Weissmann und Karen Boyle haben diese strukturelle Ähnlichkeit beschrieben. Sie beziehen sich dabei auf Linda Williams, die Pornografie als die Suche nach einer Wahrheit interpretiert hat, und zwar die Wahrheit der weiblichen Lust.

Der weibliche Orgasmus ist nicht sichtbar und deshalb soll er mit den hochartifiziellen Bildern der Pornografie inszeniert werden. Was natürlich nicht funktioniert. Genauso versucht "C.S.I." die Wahrheit im Körper zu finden. Beide berufen sich auf maximale Sichtbarkeit, die mit Wahrheit gleichgesetzt wird.

Es ist aber keine Wahrheit im Körper zu finden, was man auch an den "C.S.I.-Shots" sieht. Man sieht bei ihnen nicht das Innere des Körpers, sondern nur einen weiteren Raum zwischen Außen und Innen. Denn wenn etwas in den Körper eindringt, bringt es den Außenraum mit hinein. Sehen funktioniert nur über Distanz. Man kann nicht sehen, indem man drinnen steckt: Man kann etwa nicht Luft sehen, oder Wasser, wenn man im Wasser ist.
Schauen Sie selber noch "C.S.I." im TV und welche ist Ihre Lieblingsserie von "C.S.I."?

Ich schaue "C.S.I." nur noch auf DVD, verspüre dabei noch immer Genuss, allerdings ist das mittlerweile ein rein wissenschaftlicher. Aus diesem Grund gefällt mir die Urserie "C.S.I. - Crime Scene Investigation" auch am besten, denn darin wird "Wissenschaft und Wahrheit" am stärksten thematisiert.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 17.10.07
->   Barbara Hollendonner
...
Vortragsreihe
Die Vortragsreihe "gender studies@project space" wird seit drei Jahren von der Universität für Angewandte Kunst in Wien veranstaltet und setzt sich in monatlichen Vorträgen mit dem Thema "Bildforschung und Geschlechterkonstruktionen" auseinander.
->   gender studies@project space
...
->   C.S.I.-Wiki
->   C.S.I. (Wikipedia)
->   C.S.I. kommende Woche im ORF
->   C.S.I. (CBS)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Gesellschaft 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010