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ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
Reiche sollen Kohlendioxid sparen  
  Bisher werden globale Klimaziele auf einzelne Länder anhand von durchschnittlichen Pro-Kopf-Zielen verteilt. Nun präsentieren Wissenschaftler einen anderen Vorschlag: Da die wohlhabendsten Menschen am stärksten zum Klimawandel beitragen, sollen sie am meisten CO2 einsparen - unabhängig davon, ob sie in einem Industriestaat oder einem Entwicklungsland leben.  
Entwicklungsländer versus Industriestaaten
Im Dezember dieses Jahres werden Regierungschefs in Kopenhagen über die Nachfolge des Kyoto-Protokolls und damit über zukünftige Ziele des Klimaschutzes verhandeln. Im 1997 in der japanischen Stadt Kyoto beschlossenen und derzeit gültigen Protokoll, sind Entwicklungsländer noch von verpflichtenden Klimaschutzmaßnahmen ausgenommen.

Doch diese Länder geraten in den internationalen Verhandlungen zunehmend unter Druck: Sie emittieren derzeit annähernd die Hälfte der globalen CO2-Emissionen - stellen allerdings einen weitaus größeren Anteil an der Weltbevölkerung. Die Emissionen der Entwicklungsländer wachsen derzeit jedoch schneller als jene der Industriestaaten. Daher können sie in globalen zukünftigen Emissionszielen nicht außer Acht gelassen werden.
Diplomatischer Ausweg und Schutz der Armen
 
Bild: PNAS

Bild oben: Einzelne Personen sollen einen Grenzwert der CO2-Emissionen nicht überschreiten. Jene, die am meisten emittieren, würden zum CO2-Reduktions-Ziel des Landes am meisten beitragen.

Einem drohenden Patt zwischen den Ländern des Nordens und des Südens bei den Verhandlungen zu Jahresende möchten nun einige Wissenschaftler vorbeugen: Klimaschutzziele sollten nicht wie bisher nach durchschnittlichen Pro-Kopf-Werten auf Länder aufgeteilt werden, sondern jene Menschen, die durch ihren Lebensstil am stärksten zum Klimawandel beitragen, sollten auch am meisten CO2 einsparen. Das schreiben Forscher um Shoibal Chakravarty vom Princeton Environmental Institute in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "PNAS" (online).

An der Studie haben auch Wissenschaftler mitgearbeitet, deren Konzept zur CO2-Reduktion Al Gore in seinem Film "An Inconvenient Truth" zitiert hat.

Die Forscher schlagen eine Obergrenze für individuelle CO2-Emissionen vor. Erst wenn alle Menschen eines Landes darunter liegen, sollten darüber hinaus reichende Maßnahmen den nationalen Durchschnitt weiter senken, wenn die notwendig ist. Ärmere Menschen würden dadurch mehr Spielraum erhalten, ihren Lebensstandard zu erhöhen und dürften mehr Ressourcen verbrauchen - etwa indem sie Strom aus Dieselaggregaten produzieren oder mit Gas kochen, wenn dies für sie die günstige Alternative darstellt.
Wohlhabende verursachen mehr CO2
Die Wissenschaftler haben die Einkommensverteilung und die Verteilung der CO2-Emissionen für die Menschen einzelner Länder ermittelt. "Der Großteil der Emissionen stammt von den wohlhabenden Bürgern, egal, in welchem Land sie wohnen", sagt Chakravarty. Er schätzt, dass die Hälfte der globalen CO2-Emissionen im Jahr 2008 von nur 700 Millionen Menschen und damit nur etwas mehr als einem Zehntel der Weltbevölkerung verursacht wurde.

Laut den Autoren würden einzelne Menschen mit besonders wohlhabendem Lebensstil und hohen CO2-Emissionen derzeit statistisch nicht auffallen. Durchschnittliche Pro-Kopf-Zahlen liefern ein ungenaues Bild, wenn der Großteil der Bevölkerung in Armut lebt, aber eine kleine Oberschicht das meiste der Ressourcen verbraucht.
Neue Messmethoden, faire Verteilung
Der von den Wissenschaftlern präsentierte Ansatz basiert auf einem Prinzip, das auch Teil der Klimarahmenkonvention von 1992 ist, jenem der "gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten". Es sieht vor, dass zunächst nur die Industriestaaten ihre CO2-Emissionen reduzieren; die Entwicklungsländer sollen erst zu einem späteren Zeitpunkt nachziehen. In ihrem Vorschlag legen die Forscher dieses Prinzip nun von der Ebene der Nationalstaaten auf eine individuelle um.

Dazu seien aber auch neue Methoden nötig, mit denen die CO2-Emissionen in Ländern festgestellt werden. Detailliertere Haushaltsbefragungen sollen Aufschluss über unterschiedliche Lebensstile geben.

Berücksichtigt wurde für das Modell nur CO2, keine anderen Treibhausgase. Ebenfalls nicht in die Analyse aufgenommen haben die Wissenschaftler Emissionen, die mit dem Import und Export von Gütern verbunden sind - eine Komponente, die für stark handelsorientierte Länder aber bedeutend ist, wie die Autoren selbst schreiben. Sie sehen ihren Vorschlag als einen Schritt hin zu einer fairen und gleichmäßigeren Verteilung von CO2-Emissionen.

Mark Hammer, science.ORF.at, 7.7.09
->   Shoibal Chakravarty
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01.01.2010