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Friedensforscher Galtung: Die Weltordnung ist tot  
  "Die Weltordnung ist tot, sie weiß es nur noch nicht" - das sagte heute der Friedensforscher Johan Galtung auf einer Pressekonferenz in Wien. Die Zukunft hänge jetzt davon ab, wie sich die USA verhalten und wie Europa eingreift: als Bündnispartner der USA oder als friedensstiftende Kraft.  
Wenn die USA nur die Schuldigen suchen und die Attentäter als die Bösen verdammen, dann werde die Weltordnung eine Kriegsordnung werden. Galtung mahnte die USA und Europa, keine Rache zu üben, sondern über die eigenen Fehler nachzudenken.
Nur keine Rache
Galtung: "Ich hoffe, dass die Geschehnisse von gestern nicht nur die Fragen stellen: 'Wer hat das getan, wo könnte man Rache ausüben?', sondern auch: 'Warum hat man das getan, was hat die USA in fast allen Ländern der Welt getan?' Wenn man sieht, dass ein Land 228 Militärinterventionen in anderen Ländern durchgeführt hat, dann ist es ja nicht so erstaunlich vielleicht, dass jemand einen Gegenangriff einleitet. Nach einem Gegenangriff folgt noch ein Gegenangriff und noch ein Gegenangriff. Diese Spirale hat kein Ende."
Keine Terrorgefahr in Europa
Galtung glaubt nicht, dass Europa derzeit von ähnlichen Terroranschlägen wie die USA gefährdet ist. Er hält sie für ein Zeichen von "Antiglobalisierung".

"Die Globalisierung ist in den USA zu Hause. Die drei Ziele World Trade Center, Pentagon und State Department stehen für das ökonomische Amerika, das militärische Amerika und das außenpolitische Amerika", so Galtung.
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"Die Weltordnung ist tot"
Galtung glaubt, dass die bis gestern gültige Weltordnung gestorben ist. "Diese Weltordnung weiß es nur noch nicht und wird versuchen, sich fortzusetzen."
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Chance für Frieden
Nach Ansicht Galtungs liegt in den Terroraktionen auch eine Riesenchance für eine gerechtere und friedlichere Welt.

"Wir haben eine Ökonomie, die sich hoffnungslos in Richtung Finanzökonomie entwickelt hat und nicht in Richtung Produktionsökonomie. Das Wichtige bei der Ökonomie ist, menschliche Bedürfnisse zu befriedigen. 100.000 Menschen sterben derzeit aber pro Tag aus Armut, 1,7 Milliarden Menschen leben mit weniger als einem Dollar Einkommen pro Tag. Also müssen wir diese Ökonomie umbauen. Es wäre keine schlechte Idee für Ökonomen, sich ein wenig weiterzubilden. Anstatt immer über Kompetenz und Wachstum zu reden, vielleicht über Zusammenarbeit und Verteilung zu reden", so Galtung.
George Bush uneinsichtig?
Das Wichtigste ist nach Ansicht Galtungs, dass die Amerikaner die Schuld auch bei sich suchen. "Sie sollten sich die Reziprozitätsfrage stellen: Wäre es möglich, dass ich etwas getan habe, das der Grund ist, warum er so reagiert?"

Die erste Rede nach dem Anschlag von Präsident George Bush hält Galtung für wenig reif. Der einzige Mann, der jetzt eine Friedensrolle in den USA spielen könnte, ist seiner Ansicht nach der Ex-Präsident Jimmy Carter. "Er hat genau diese Reife, die man jetzt braucht."
Gefahr eines Gegenschlags
Galtung sagt als Reaktion der USA sowohl die Invasion in Afghanistans als auch den Einsatz von Atombomben voraus.

"Ich glaube, die Presse ist schon gut vorbereitet. Taliban-Hass hat man entwickelt, und man kann und dürfte böse Sachen gegen die Taliban sagen. Das mit den Palästinensern glaube ich nicht. Ich glaube, die ganze Sache war zu groß für die Palästinenser", so Galtung.
Demokratie: Mediation, nicht Gewalt
Um noch schlimmere Auswirkungen zu vermeiden, baut Galtung auf die Bündnispartner der Vereinigten Staaten.

Wenn sich die Bündnisparteien nicht bereit erklären, bei möglichen militärischen Aktionen mitzumachen, "ist es möglich, dass die Vereinigten Staaten es nicht machen. Also ist jetzt sehr wichtig, dass die europäischen Regierungen sagen: Versuchen wir zu verstehen, was geschehen ist, versuchen wir eine Mediation. Das ist die Methode der Demokratien."

Edith Bachkönig, Ö1-Wissenschaft
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01.01.2010