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Zur Entstehung der Sieben-Tage-Woche  
  Seit Moses in der Genesis von der Erschaffung der Welt in sieben Tagen berichtete, bestimmt die Sieben-Tage-Woche unser religiöses und weltliches Leben. Die Anerkennung für unsere langen Wochenenden, blauen Montage und kurzen Freitage gebührt jedoch nicht einem erschöpften Schöpfer, sondern den Sumerern. Diese teilten ihre Zeit in 7-Tage-Blöcke ein.  
Sumerer weit voraus
Die Sumerer, deren Siedlungsgebiet etwa dem heutigen Irak entspricht, waren dem Rest der Welt in Sachen Schreiben, Mathematik und Zeitrechnung einen großen Schritt voraus.
Ihnen verdanken wir auch die 60-Minuten-Stunde. Nur die Faszination mit der Sieben passt so gar nicht ins 60er-System.
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Sexagesimalsystem
Dieses Zahlensystem verwendet die Zahl 60 als Grundlage, genauso wie das heute gebräuchliche Dezimalsystem auf der Zahl 10 basiert.
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Zeiteinteilung im Bann der Planeten
Auch die Einteilung der Zeit in Jahre, Monate und Tage ist eine natürliche. Sie leitet sich bekanntermaßen aus der Bewegung der Planeten.

Die Länge des Jahres entspricht der Umkreisung der Erde um die Sonne; ein Monat dauert so lange wie die Umrundung der Erde durch den Mond; die Länge des Tages korreliert mit der Erdumdrehung um ihre eigene Achse.
Wocheneinteilung willkürlich
Die Woche hingegen beruht auf einer willkürlichen gesellschaftlichen Übereinkunft und gibt sich äußeren Umständen gegenüber ignorant. Weder Mond- noch Sonnenzyklus lassen sich ohne lästige Überbleibsel in Wochen teilen.

Exakte 29,53 Tage vergehen zwischen zwei Neumonden, das ergäbe dann 7,386 Tage, und der Wochenanfang würde kaum jemals mit dem Tagesanfang zusammenfallen. Das Sonnenjahr mit seinen 365,25 Tagen ist ebenfalls denkbar ungeeignet, um restlos durch sieben geteilt zu werden.

Trotz alledem scheint der Siebentagerhythmus eine geheimnisvolle Anziehungskraft auszuüben.
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Siebentagerhythmus trotz Ungereimtheiten
Nicht einmal die Umstellung des Julianischen auf den Gregorianischen Kalender, bei der zehn Tage übersprungen wurden, unterbrach den Ablauf der Wochentage: Auf Donnerstag, den 4. Oktober 1582 folgte direkt Freitag, der 15. Oktober. Sogar China gab vor etwa 1000 Jahren seine 10-Tage-Woche zugunsten der biblischen 7-Tage-Woche auf.
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Siebentagerhythmen physiologisch bedingt?
Eine mögliche Erklärung liefert laut Wolfgang Marktl, Physiologe von der Universität Wien, die Chronobiologie. Diese kenne den Begriff Zirkaseptanrhythmus. Das heißt, man kann bei Lebewesen physiologische Siebentagerhythmen beobachten.

Blutdruck, die Anzahl roter Blutkörperchen, Heilungsprozesse und Abstoßungsreaktionen bei Organtransplantationen, Körpertemperatur und Kortisolausschüttung sind nur ein paar Beispiele von Parametern, die diesem Wochenmuster folgen.
Henne oder Ei?
Kein Wunder, meinen viele Chronobiologen, der Körper passt sich natürlich dem seit Jahrtausenden gleich gebliebenen wöchentlichen Ablauf von Arbeit und Rast an. Ursache und Wirkung eindeutig zu trennen käme einer Antwort auf die berühmte Frage ¿Was kam zuerst, Henne oder Ei?" gleich.
Auf der Suche nach genetischen Einflüssen
Obwohl es zahlreiche Hinweise auf einen biologischen Siebentagerhythmus gibt, fehlt bislang ein wissenschaftlicher Nachweis, dass auch genetische Einflüsse und nicht nur soziale Gewohnheiten eine Rolle spielen.

¿Bislang hatten wir die Werkzeuge nicht, um diese Frage eindeutig zu beantworten", erklärt der Chronobiologe Michael Young von der Rockefeller University in New York, der die genetische Basis von Tag- und-Nacht-Rhythmen an Fruchtfliegen untersucht.

¿Es spricht aber nichts dagegen, und die Experimente werden mit Sicherheit schon bald durchgeführt werden", meint Young, der soeben eine neue Methode entwickelt hat, die sich speziell dafür eignet, biologische Einflüsse auf das Aktivitätsmuster eines Lebewesens aufzuspüren.
Nicht biorhythmisch, sondern religiös motiviert
Aber die offiziellen sumerischen Beweggründe waren ohnehin nicht biorhythmischer, sondern religiöser Natur: Sie beteten jene sieben Planeten, die mit freiem Auge am Himmel sichtbar sind, als Götter an: Die ¿Planeten" Sonne und Mond, Mars, Merkur, Jupiter, Venus und Saturn.
Ehrfürchtig benannten sie sieben aufeinander folgende Tage nach den verehrten Himmelskörpern und ließen sie in einer Endlosschleife aufeinander folgen. Der Urahn unserer 7-Tage-Woche war geboren.
Sieben, eine mythische Zahl
Aber nicht nur im religiösen Leben, sondern auch in den mythologischen Vorstellungen der Sumerer spielte die Zahl Sieben eine zentrale Rolle: Der sumerische Baum des Lebens verzweigte sich in sieben Äste, und darüber spannten sich sieben Himmel.

Mit der Eroberung Sumeriens übernahmen die Babylonier nicht nur die planetarische Woche der Sumerer, sondern auch die herausragende Bedeutung der Zahl Sieben, die sie in siebenstufigen Tempelanlagen, die auch als hängende Gärten oder Zikkurats bekannt sind, symbolisierten.

Die Sonderstellung der Zahl Sieben breitete sich in der Folge gemeinsam mit der Sieben -Tage-Woche aus und fand Eingang in viele religiöse und profane Bräuche, in die Bibel, aber auch in Mythologie und Märchenwelt.
Von sieben Siegeln zur sonntäglichen Ruhe
Das Buch mit den sieben Siegeln, die sieben Geißlein, Raben und Zwerge spiegeln das genauso wider wie der siebte Himmel und die sieben Farben des Regenbogens. Nicht zuletzt die sonntägliche Ruhe haben wir den Sumerern zu verdanken.

Aber im Gegensatz zu den Nachahmern war den Erfindern der siebte Tag der Woche nicht heilig. Ganz im Gegenteil. Er repräsentierte Dunkelheit und Gefahr; jegliche Unternehmen standen unter einem dunklen Stern. Also blieb die Arbeit liegen.
Ursprung der Wochenend-Idee
Für die globale Verbreitung der Wochenend-Idee ist wahrscheinlich Abraham verantwortlich, der von Christen, Juden und Moslems gleichermaßen als Vater, Patriarch und spiritueller Vorfahre verehrt wird.
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Abraham und die Glaubenswelt der Sumerer
Die Bibel berichtet, dass er von seinem Geburtsort, der Stadt Ur, westwärts nach Kanaa und später Ägypten zog. Dabei nahm er zwangsläufig die Legenden seines Volkes als geistiges Gepäck mit auf den Weg. Urfu, im Südosten der heutigen Türkei gelegen, rühmt sich ebenfalls als Geburtsort Abrahams. Aber auch hier wäre er mit der Glaubenswelt der Sumerer vertraut gewesen.
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Hebräische Tradion und sumerische Legenden
Und schon bald fanden sich ¿Ur"- sprüngliche Einflüsse in hebräischen Traditionen und Überlieferungen: Sumerische Legenden berichteten von einer alles verschlingenden Sintflut, weil die von ihnen erschaffenen Menschen die Götter enttäuscht hatten.

Was lag da näher, als den Schöpfer in Analogie zur sumerischen Arbeitswoche sein Werk in sechs Tagen vollenden zu lassen?
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Wann beginnt die Woche?
Obwohl an Details herumgetüftelt wurde - der Koran bestimmte zum Beispiel den Freitag als Bet- und Feiertag -, wurde die Sieben-Tage-Woche bis in die Neuzeit nicht grundsätzlich angefochten. Nur das fast 1.700 Jahre alte Dekret Konstantins, dass statt samstags sonntags geruht oder gefeiert wird, verursacht noch heute Verwirrung, wenn es darum geht, was denn nun der erste Tag der Woche sei.

Die Bibel erklärt den Sabbat eindeutig zum letzten Tag der Woche, und somit beginnt die biblische Woche mit dem Sonntag. Der russische Dienstag heißt allerdings ¿vtornik" oder ¿zweiter Tag", und in der industrialisierten Welt hat sich der Montag als Arbeitswochenbeginn gleichzeitig den Ruf als Wochenanfang erworben. Seit sich die Internationale Organisation für Standardisierung (ISO) dieses Problems angenommen hat, ist es offiziell. Per Verordnung IS-8601 erklärte sie am 15. Juni 1988 den Montag zum ersten Tag der Woche. Das Ganze fand übrigens an einem Mittwoch statt.
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Siebenter Tag - Tag der Ruhe
Tief verwurzelter Aberglaube könnte jüdische Autoren davon abgehalten haben, Gott am unglücksbehafteten siebten Tag etwas erschaffen zu lassen.

Noch heute halten sich orthodoxe Juden am Sabbat an strikte Ruhegebote. Sie entzünden kein Feuer, bedienen keine elektrischen Geräte und bewegen sich nur zu Fuß.
Aber nicht nur die großen monotheistischen Religionen bedienten sich im Ideenladen der innovativen Sumerer.

Gina Kirchweger, Universum Magazin
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Mehr dazu lesen in der aktuellen Ausgabe des Universum Magazins.
->   Universum Magazin
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->   Evolution der Zeitrechnung
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Buchtipps
¿Zeitrechnung. Von den Sumerern bis zur Swatch." von Thomas Vogtherr, erschienen im Verlag Beck, München 2001, 127 S., E 7,50

¿Computus. Zeit und Zahl in der Geschichte Europas." von Arno Borst, Verlag DTV, München 1999, S. 174, E 10,17
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01.01.2010