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Homo Erectus: Weltweiter Urahne des Menschen  
  Die Abstammung des Menschen ist nach wie vor heftig umstritten. Die Geschichte des Homo erectus - einer der menschlichen Urahnen - wird nun anhand eines Schädelfundes neu rekonstruiert. Der eine Million Jahre alte Schädel aus Äthiopien bestätigt frühere Annahmen, dass sich der moderne Mensch aus einer einzigen Hominiden-Art entwickelt hat.  
Weit verbreitet, unterschiedliche Charakteristika

Henry Gilbert beim Freilegen des Fossils
Der in Äthiopien ausgegrabene Schädel lässt darauf schließen, dass Homo erectus eine weit verbreitete Art mit unterschiedlichen Ausprägungen war. Und dass der lange ausgestorbene Menschen-Urahn, nicht wie von manchen Forschern angenommen aus zwei verschiedenen Gruppen bestand.

Die entsprechende Studie wurde von den Anthropologen Berhane Asfaw von der Universität Addis Adeba sowie von Henry Gilbert und Tim White von der University of California, Berkeley durchgeführt und in der aktuellen Ausgabe von "Nature" publiziert.
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Originalartikel in Nature (kostenpflichtig):
->   Remains of Homo erectus from Bouri, Middle Awash, Ethiopia
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Homo Ergaster-Theorie seit den 1980ern
Seit den 1980er Jahren waren einige Wissenschaftler davon ausgegangen, dass der Homo Erectus aus zwei Arten bestanden haben muss.

Knochenfunde aus Afrika, die rund 1,8 Millionen alt waren, unterschieden sich so stark von anderen, etwa 700.000 Jahre alten aus Ostasien, dass erstere einer neuen Gruppe zugerechnet wurden. So fand der "Homo Ergaster" Eingang in den Stammbaum der Menschen.
Zurück zum "einfachen" Homo Erectus-Konzept
Die nun veröffentlichte Studie widerspricht dieser These fundamental und votiert - wieder - für das "einfache" Homo Erectus-Konzept.

Tim White laut Nachrichtenagentur AP: "Zuletzt gab es die Tendenz, jeden Fossilfund mit einem neuen Namen zu belegen. Das hat zu einem irreführenden Porträt der Biologie der menschlichen Evolution geführt."
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Homo erectus
Nach der gängigen Ansicht lebte die Hominidenart Homo erectus vor rund 1,8-0,2 Mio. Jahren. Sie ist von zahlreichen Fundorten aus Afrika, Ostasien und Westeuropa (Heidelberg, Atapuerca) bekannt. Homo erectus besitzt einen charakteristischen Schädelbau mit langem, flachem und nach oben zu schmaler werdendem Hirnschädel, gewinkeltem Hinterhaupt und vorspringendem Knochenwulst über den Augenhöhlen. Wesentlichste Veränderung während der Evolution des Homo erectus ist die Zunahme der Gehirngröße, die bei späten Funden bis 1.225 Kubikzentimeter erreicht (Cerebralisation). Aus dem Homo erectus entwickelte sich der "archaische Homo sapiens" und aus diesem (in Afrika) der moderne Mensch.
->   Mehr zum Stammbaum des Menschen
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Sehr gut erhaltener Schädel, ...
Gefunden wurde der Schädel bereits 1997 in Bouri, einem Dorf 230 Kilometer nordöstlich der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. Nach Angaben von Berhane Asfaw ist er in sehr gutem Zustand, alle wichtigen Teile sind komplett erhalten.
->   Press-Release der University of Berkeley (inkl. Videos)
... der Irrtum aufklärt?
Die Form des Schädels deckt sich mit jener von jüngeren Homo erectus-Funden, einige Eigenschaften lassen aber auch auf ältere schließen, meinte Asfaw.

Das Alter von etwa einer Million Jahre entspricht in etwa jener Zeit, in der sich H. erectus und H. ergaster in zwei Arten aufgeteilt hätten haben müssen. Aber: "Unser Fossilfund verbindet die asiatische und die afrikanische Form des H. erectus eindeutig", so Asfaw.

Solange keine anderen Fossilien gefunden werden, müsse der Homo ergaster als Irrtum gelten, glaubt Asfaw. Und Alan Walker von der Pennsylvania State University gibt dem Recht: "Den Stammbaum zwischen einer frühen Linie des ergaster und einer späteren des erectus aufzuteilen, ist willkürlich."
Diskussion geht weiter
Andere Wissenschaftler wollen an eben dieser Aufteilung aber weiter festhalten. Bernard Wood von der George Washington University, der H. ergaster als erster als eigene Gruppe vorgeschlagen hatte, gehört dazu.

Zweifellos handle es sich bei dem aktuellen um "einen hervorragenden Fund", der zur Geschichte des Homo erectus beiträgt. Laut Nature Science Update glaubt er aber, dass das Fossil zu wenig Ähnlichkeit mit H. ergaster aufweist, als dass dieser tatsächlich als eigene Gruppe aufgegeben werden muss.
Frage des Unterscheidungskriteriums
"Letztlich", so die Anthropologin Susan Anton von der Rutgers University, "entscheidet sich die ganze Frage nach den Arten danach, welches Unterscheidungskriterium man akzeptiert". Auch der nun gefundene Schädel werde diesen ewigen Streit nicht beenden können.
->   Mehr über Anthropologie in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010