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Pakistan: Frauen in der Geschlechtertrennung  
  In den Städten Pakistans wird derzeit versucht, die Schwangerschaftsvorsorge einzuführen. Viele Frauen kommen dennoch nicht zum Gynäkologen, weil sie in Purdah - der Geschlechtertrennung - leben.  
Die schwangeren Frauen auf dem Land in Pakistan werden zumeist von Hebammen versorgt - es gibt kein Konzept für Geburtskliniken in den ländlichen Regionen. "Die Frauen bleiben im Haus und wenn sie hinausgehen, dann nur in Begleitung ihrer Männer", schildert Niger Qureshi.

Die Gynäkologin lebt in Peschawar, der Hauptstadt der Nordwest-Grenzprovinz Pakistans. Qureshi hat eine Praxis und arbeitet zusätzlich im Krankenhaus.
Nur bei Notfällen ins Krankenhaus
"Die Frauen lassen sich lieber von lokalen Geburtshelferinnen versorgen, die sie durch die Schwangerschaft begleiten und dann auch zu Hause entbinden," erzählt die Medizinerin.

"Wenn es sich allerdings um komplizierte Fälle handelt, werden sie ins Krankenhaus überwiesen. Sie kommen dann als Notfall. Nur in den Städten melden sich vereinzelt Frauen zur Geburt im Krankenhaus an."
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Komplikationen bei ganz jungen Frauen
Die Frauen kommen mit Blutungen vor oder nach der Geburt, beschreibt die Ärztin. Bei vielen ist ein Kaiserschnitt nötig, weil das Becken der noch sehr jungen Mädchen für die Geburt zu klein ist. Oft kommt es deshalb auch bei der Geburt zu Verletzungen, sodass die Gebärenden in einer Operation wiederhergestellt werden müssen. Viele Frauen leiden an Krampf- und Komaanfällen während der Geburt oder der Schwangerschaft, weshalb die Neugeborenensterblichkeit hoch ist.
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Zu Hause billiger
Niger Qureshi hat die Betreuung der Arbeiter bei der Eisenbahn übernommen. Auch diese Frauen wollten alle zu Hause entbinden. Sie haben der Gynäkologin zwei Gründe genannt.

Erstens sei die Hausgeburt billiger - denn in Pakistan müssen die Patienten alle ihre Medikamente, ihre Bettwäsche und sogar das Essen ins Krankenhaus mitbringen.

Der zweite Grund ist, dass die Schwiegermütter kein Verständnis dafür hätten. Auch sie haben zu Hause entbunden, also warum sollte das nun anders sein?
Leben wie die Vorfahren
"Die Leute vom Land - es ist schwierig, sie von der modernen Medizin zu überzeugen. Denn sie sind kaum gebildet, Sie sagen, ihre Vorfahren sind auch nicht ins Krankenhaus gegangen - und sie haben so lange gelebt. Die Städter hingegen sind gebildeter, da wächst das Bewusstsein", meint Qureshi.

"Die meisten komplizierten Fälle kommen aus ländlichen Regionen. Dort gibt es keine Transportmöglichkeit, keine medizinische Versorgung, und sie haben nur die Hebammen. Aber bis die Gebärende die Stadt oder das Krankenhaus erreicht, stirbt sie schon fast."
Familienplanung ist Sünde
Aufklärung und Familienplanung sind in Pakistan dennoch besonders schwierig: "Was die Familienplanung betrifft: die meisten Leute - weil sie Moslems sind - sind sich gar nicht wirklich bewusst, dass man Familienplanung betreiben kann", erzählt Qureshi aus der Erfahrung in ihrer Praxis.

"Wenn man die Frauen aufklärt, passiert aber folgendes: Sie sagen nein. Familienplanung ist eine Sünde. Deshalb haben sie acht bis zehn Kinder. Manchmal sind es lauter Mädchen - fünf, sechs, sieben Mädchen - und sie wollen weiterprobieren, bis sie einen Buben bekommen."
Mädchen zählen nicht
Denn Söhne sichern die wirtschaftliche Versorgung der Familie. Mädchen hingegen "zählen nicht". Die Ärztin erklärt, warum. "Denn sehen Sie - Eltern müssen die Mädchen verheiraten. Sie müssen eine Menge Mitgift beisteuern - und die wird von Tag zu Tag mehr."

"Je mehr sie dem Mädchen mitgeben, umso mehr ist sie in der neuen Familie akzeptiert", erzählt Qureshi. "Aber wenn sie nichts zu geben haben, wenn sie sehr arm sind, dann ist es sehr schwer, sie zu verheiraten."

Anders liegt der Fall bei einem Sohn: "Wenn sie aber einen Buben haben, wird der einmal für sie verdienen und er wird sich um sie kümmern. Bei Mädchen kann man nicht wissen, ob die Familie oder der Ehemann erlauben, dass sie sich noch um ihre Eltern kümmert."
Abtreibung nach vielen Kindern
Abtreibung ist daher ein Problem, mit dem Niger Qureshi oft konfrontiert wird. "In meine Praxis kommen weniger die ganz jungen Frauen, als vielmehr diejenigen, die schon viele, viele Kinder haben", erzählt sie.

"Sie können diese Kinder gar nicht mehr alle ernähren. Wenn sie also ein 12. oder 13. Kind bekommen - dann sagen sie 'Wir sind zu arm, um dieses Kind noch zu bekommen' - sie wollen eine Abtreibung."
Für Ärzte verboten
Die Gynäkologin kann nur diese Auskunft geben. "Abtreibung ist nicht erlaubt. Es gibt allerdings die illegale Abtreibung. Sehr oft sogar. Sie wird von den lokalen Hebammen durchgeführt. Ärzten ist es verboten, abzutreiben. Deshalb tun wir es auch nicht."

"Wir versuchen den Patienten klar zu machen, welche Probleme damit verbunden sind. Und dass es vom religiösen Standpunkt her eine Sünde ist. Dass man einen Mord begeht.¿
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Salzburger Nachtstudio: "Der steinige Weg der Frauen"
Das Interview mit Niger Qureshi stammt von einem Lokalaugenschein in Pakistan von Ulrike Schmitzer für das gemeinsam mit Elisabeth Nöstlinger gestaltete Salzburger Nachtstudio "Der steinige Weg der Frauen in einer Welt der Gewalt" am 15.5.2002 um 21.01 Uhr auf Ö1
->   Ö1
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01.01.2010