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Europa: WHO erklärt Kinderlähmung für ausgerottet  
  Nach jahrzehntelangen Impfkampagnen gilt die Kinderlähmung nun auch in Europa offiziell als ausgerottet. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erklärte Europa am Freitag zur poliofreien Region, nachdem drei Jahre lang in keinem der 51 Staaten Fälle von Kinderlähmung aufgetreten sind. Nach Ansicht von Experten sollten die Impfkampagnen aber dennoch nicht gestoppt werden.  
Europa ist - nach Amerika und Australien - die dritte Region, in der die Kinderlähmung nun als ausgerottet gilt. Doch auch wenn hier keine neuen Fälle mehr auftreten, warnen Experten davor, mit dem Impfen aufzuhören - in vielen anderen Weltregionen ist die Krankheit noch verbreitet.
Seuchenherde in Indien, Pakistan, Afganistan ...
Somit kann der Virus nach wie vor eingeschleppt werden. Nach Angaben der WHO gibt es in vielen Ländern Asiens und Afrikas - etwa Indien, Pakistan, Afganistan, Nigeria, Kongo und Somalia -noch immer größere Seuchenherde.

In diesen Ländern ist allerdings eine flächendeckende Polio-Impfung aus verschiedenen Gründen sehr schwierig: Schlechte hygienische Bedingungen oder Krisensituationen erschweren die Kampagne der WHO, auch dort die Krankheit auszurotten.
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Bürgerkriege und schlechte hygienische Bedingungen
Die zehn größten Risikoländer teilen sich in zwei Kategorien. Zur ersten gehören Staaten wie Äthiopien, Bangladesch, Indien, Nigeria und Pakistan mit einer großen Bevölkerungszahl und schlechten hygienischen Bedingungen. In den anderen Risikoländern wie Angola, der Demokratischen Republik Kongo, Somalia und Sudan herrscht seit Jahren Krieg bzw. Bürgerkrieg.

Im Juli 2001 blies die WHO in Zentralafrika zum Angriff auf eine der letzten Bastionen der Polio-Viren. Im Rahmen der ersten zeitgleichen und länderübergreifenden Aktion in Bürgerkriegsgebieten erhielten 16 Millionen Kinder unter fünf Jahren in Angola, der Demokratischen Republik (DR) Kongo, der Republik Kongo und Gabun Schutzimpfungen. Allein in der DR Kongo gingen 86.000 Gesundheitsmitarbeiter von Tür zu Tür und erreichten dabei selbst entlegene und schwer zugängliche Regionen.
->   science.ORF.at: Polio-Impfung für 16 Millionen Kinder
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Trotzdem vereinzelte Fälle in Europa
Noch nie traten weltweit so wenig neue Polio-Fälle auf: Im vergangenen Jahr wurden nur 600 Erkrankungen gemeldet. Dass Impfungen dennoch auch in Europa weiterhin von Nutzen sein können, zeigen vereinzelte Infektionen, die in den vergangenen Jahren gemeldet wurden.

In Europa ist der "letzte" Fall von Polio demnach im November 1998 in der Türkei aufgetreten. Ein Kleinkind, das nicht geimpft war, erkrankte an einem einheimischen Virus.

Doch noch im vergangenen Jahr wurden insgesamt vier Infektionen gemeldet - in Bulgarien und Georgien. Laut Experten-Analysen wurde das Virus aber vermutlich aus Indien eingeschleppt - und gilt daher nach WHO-Definition nicht als "europäischer Polio-Fall".
Ende der Impfkampagne erst bei weltweiter Ausrottung
"Erst wenn wir eine weltweite Ausrottung haben, wovon wir gar nicht mehr so weit entfernt sind, dann können wir auch die Impfungen einstellen", erklärte dazu UNICEF- Mitarbeiterin Helga Kuhn am Freitag in einem dpa-Gespräch.

Für eine lebenslange Grund-Immunisierung beginne die Impfung in den Regel bei dem drei Monate alten Säugling und ende mit einer Auffrischung nach dem elften Lebensjahr. UNICEF habe allein in den vergangenen drei Jahren 177 Millionen Kinder in Osteuropa und Zentralasien mit dem Impfstoff versorgt.

"Um Polio bis 2005 weltweit zu besiegen, müssten noch in diesem Jahr 575 Millionen Kinder in 94 Ländern geimpft werden", so Kuhn weiter. Die globale Ausrottung von Polio bis 2005 haben sich UNICEF und die Weltgesundheitsorganisation WHO zum Ziel gesetzt.
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Poliomyelitis
Poliomyelitis, kurz Polio genannt, ist hoch ansteckend. Die Übertragung erfolgt über Tröpfchen- oder Schmierinfektion. Die Viren gelangen über den Mund in den Körper und dringen später in das Nervensystem ein. Sie können innerhalb von Stunden vollständige Lähmungen auslösen. Die Anfangssymptome sind Fieber, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Erbrechen sowie ein steifes Genick und Gliederschmerzen. Nach Angaben der WHO führt eine von 200 Infektionen zur Lähmung, zumeist in den Beinen. Von den gelähmten Patienten stirbt fast jeder zehnte an Störungen der Atemmuskulatur.

Vor Einführung des ersten Impfstoffes - entwickelt von dem US-Bakteriologen Jonas Edward Salk - erkrankten in Europa nach Schätzung des Kinderhilfswerkes UNICEF jährlich rund 30 000 Kinder an Polio. In Deutschland wurden nach Auskunft des Robert Koch-Instituts beispielsweise 1938 noch knapp 5.400 neue Fälle registriert. Seit 1988 die erste weltumspannende Anti-Polio-Initiative startete, sank die Zahl der Infizierten um ganze 99 Prozent.
->   Robert Koch Institut: Steckbrief Polio
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Mehr Geld für Impfkampagnen gefordert
Die WHO und das UN-Kinderhilfswerk UNICEF riefen am Freitag in Kopenhagen zu vermehrten finanziellen Anstrengungen reicher Länder auf, damit das ansteckende Virus für Kinderlähmung auch in Afrika und Asien endgültig besiegt werden kann.
->   WHO: www.polioeradication.org
->   UNICEF: A World Without Polio
->   WHO-Weltkarte der Polioverbreitungsgebiete (mit Länderabfrage)
->   Mehr zum Thema Polio im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010