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Neuer Leitfaden für das Problemfeld Krankenhaushygiene  
  Wer in ein Krankenhaus geht, erwartet dort gesund zu werden. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass sich zur Grunderkrankung Infektionen gesellen, die erst im Krankenhaus erworben werden. Bei etwa vier bis zehn Prozent aller Krankenhaus-Patienten tritt eine solche Komplikation auf. Ein neu entwickelter Leitfaden zur "Organisation und Strategie der Krankenhaushygiene" soll zur Verbesserung der Situation beitragen und bundesweite einheitliche Standards schaffen. Denn diese gab es in Österreich bist jetzt nicht.  
Nosokomiale - d.h. im Krankenhaus erworbene - Infektionen gelten seit jeher zu den wichtigsten Komplikationen medizinischer Behandlungen. Bis Anfang des letzten Jahrhunderts wurden sie vor allem durch fehlende Beachtung von - aus heutiger Sicht - elementaren Regeln der Hygiene verursacht.

Die heutigen Probleme spiegeln dagegen die geänderten diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten wider: Denn je komplexer und aufwändiger die Behandlungsmethoden, desto größer die Gefahr von nosokomialen Infektionen.
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Endogene und exogen Infektion
Bei den nosokomialen Infektionen unterscheidet man zwischen zwei Arten - der endogenen und der exogenen Infektion. Für beide Arten der Infektion gilt: Je schwächer das Immunsystem des Betroffenen ist, sei es durch Krankheit oder Therapie, umso größer ist die Gefahr einer Ansteckung.

Bei der exogenen Infektion handelt es sich um eine Infektion von außen. Bakterien, die in der Krankenhausumgebung vorkommen, oder die von Besuchern, Krankenhauspersonal und Mitpatienten eingeschleppt werden, werden von Patient zu Patient weitergegeben.

Bei endogenen Infektionen stammen die Keime vom Patienten selbst. Das bedeutet, die auf der Haut des Patienten siedelnden Bakterien können durch verschiedene invasive medizinische Maßnahmen in das Innere des Körpers gelangen. So kann z. B. jeder Venen-Katheter eine "Rutsche" für Bakterien darstellen, durch die sie in keimfreie Regionen vordringen können.
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Schwer kranke und ältere Patienten am meisten betroffen
Von nosokomialen Infektionen sind am stärksten Patienten betroffen, die schon an einer schweren Grundkrankheit leiden und die früher kaum eine Überlebenschance hatten. Heute dagegen können sie erfolgreich behandelt werden.

Durch Intensivbehandlung werden Vitalfunktionen unterstützt und zeitweilig sogar ersetzt. Die dabei erforderlichen invasiven Maßnahmen wie intravasale Katheter, Harnableitungssysteme, künstliche Beatmung usw. beeinträchtigen jedoch die körpereigenen Abwehrkräfte und durchbrechen die natürlichen Barrieren des Organismus. Infektionserreger haben damit leichter Zugang zu normalerweise keimfreien Körperbereichen.
Ansteckungsgefahr ist nicht auf allen Stationen gleich
Daher ist es verständlich, dass Krankenhausinfektionen besonders häufig auf Intensivstationen auftreten. Obwohl nur fünf bis zehn Prozent aller Patienten auf Intensivstationen behandelt werden, finden sich hier etwa 25 Prozent aller nosokomialen Infektionen.

Bei einer multizentrischen europäischen Studie wurde festgestellt, dass etwa 45 Prozent aller Intensivpatienten bereits eine Infektion hatten. Bei 21 Prozent der Patienten ist die Infektion erst auf der Intensivstation aufgetreten.
Die Folgen einer nosokomialen Infektionen
Die Folgen einer im Krankenhaus erworbenen Infektion sind vom Zustand des Patienten und der Art der Infektion abhängig. So sind etwa Harnwegsinfektionen sehr häufig, verlaufen aber meist gutartig. Lungenentzündungen hingegen sind mit einer bedeutenden Sterblichkeitsrate verbunden. Die Prognose hängt aber immer vom Grundleiden des Patienten ab.
Krankenhaushygiene verhindert Infektionen
In sämtlichen österreichischen Spitälern gab es bisher zwar Beauftragte für Krankenhaushygiene, aber keine einheitlichen österreichweiten Richtlinien. In der Praxis bedeutet dies: Eine Vielzahl unterschiedlicher Initiativen, jedoch keine einheitliche Linie und kein einheitliches Niveau in der Krankenhaushygiene.

Dabei haben Untersuchungen ein hohes Präventionspotential der Krankenhaushygiene festgestellt, wenn sie gewissenhaft betrieben wird. In einer amerikanischen Studie wurde der Anteil der vermeidbaren Infektionen mit etwa 32 Prozent angegeben.
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Studien über das Potential der Krankenhaushygiene
In einer amerikanischen Studie (SENIC - Study of the Efficacy of Nosocomial Infection Control) wurde beim Vergleich zwischen Spitälern mit und ohne effektives Hygienemanagement über den gesamten Beobachtungszeitraum ein Unterschied in der Infektionsquote von 36 bis 61 Prozent festgestellt.

Eine Studie in Deutschland hat Ende der 90er Jahre eine Reduktion nosokomialer Infektionen durch konsequente Hygiene um 26 Prozent belegt (NIDEP, Nosokomiale Infektionen in Deutschland - Erfassung und Prävention).

Eine weitere amerikanische Studie zeigt, dass Krankenhaushygiene auch wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass schon eine Reduktion der Krankenhausinfektionen um sechs Prozent ausreicht, um die Kosten des Aufwandes zu decken.
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Österreich: Gesundheitswesen ist Ländersache
Zu den wichtigsten Aufgaben der Krankenhaushygiene zählen die Erfassung, Analyse und Interpretation von krankenhaushygienischen Daten. Durch die Auswertung dieser Daten können dann gezielte Gegenmaßnahmen eingeleitet werden, um das Infektionsrisiko und damit auch die Sterblichkeit im Spital zu senken.

Da in Österreich der Bund nur eine Grundsatzkompetenz und kein Durchgriffsrecht hat, ist das Gesundheitswesen also Ländersache. Daher ist für die Umsetzung von konkreten Maßnahmen viel Überzeugungsarbeit notwendig.

Bei den neu erstellten Leitlinien hofft man, diese Akzeptanz - und damit auch die erfolgreiche Umsetzung - durch die Mitarbeit von Experten aus ganz Österreich bei der Entstehung des Leitfadens erreichen zu können.
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Hygiene ist nicht selbstverständlich, auch nicht im Spital
Hygiene ist nicht selbstverständlich, das hat eine Studie an einem österreichischen Spital gezeigt. Dabei wurde untersucht, ob sich Ärzte und Pflegepersonal die Hände desinfizieren, die Hände waschen oder Handschuhe anziehen, bevor sie eine Venenkanüle legen, sagt Hans Hirschmann, Hygienefachkraft am Landeskrankenhaus Feldkirch. Das Ergebnis: Nicht einmal die Hälfte hat diese einfache Hygienemaßnahme ergriffen.
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Wer setzt die Leitlinien in der Praxis um?
Die tägliche Arbeit in der Krankenhaushygiene wird von Hygieneteams wahrgenommen. Diese bestehen zumindest aus dem Krankenhaushygieniker (Facharzt für Hygiene und Mikrobiologie) oder dem hygienebeauftragten Arzt (Arzt einer anderen Fachrichtung mit Ausbildung in Krankenhaushygiene) und der Hygienefachkraft (diplomierte Pflegekraft mit Sonderausbildung in Krankenhaushygiene). Für diese Teams ist der neue praxisorientierter Leitfaden als Unterstützung ihrer Arbeit gedacht.
Das Problem der Multiresistenz
Krankenhäuser sind zudem - aus Sicht der Bakterien - besonders gute Orte für eine Resistenzentwicklung. Dort werden viele verschiedene Infektionen mit ebenso vielen Antibiotika behandelt und es gibt viele abwehrgeschwächte Menschen, die ideale Wirte für Erreger sind. Außerdem ist permanenter Nachschub in Form neuer Patienten gewährleistet.

Das Ergebnis sind eine immer größer werdende Zahl an so genannten multiresistenten Keimen, die im schlimmsten Fall kaum mehr auf eine Behandlung mit Antibiotika ansprechen. Auch hier soll der Ausbau und die Vereinheitlichung der Krankenhaushygiene zu einer Eindämmung der Verbreitung beitragen.

Walter Gerischer-Landrock, Ö1-Radiodoktor
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Ö1-Radiodoktor: Informationen zum Thema
Der Krankenhaushygieniker Helmut Mittermayer und Siegfried Weilharter von der Wiener Patientenanwaltschaft sind am Montag, 14.Oktober, ab 14.05 Uhr beim "Ö1-Radiodoktor" Manfred Götz zu Gast und diskutieren mit dem Staatssekretär für Gesundheit Reinhart Waneck über das Problemfeld Krankenhaushygiene.

Interessierte können bis etwa 14.40 Uhr unter der kostenfreien Telefonnummer 080022 - 6979 anrufen und den Experten Fragen zum Thema stellen.
->   Radio Österreich 1
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->   Staatssekreteriat für Gesundheit
->   Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen
Mehr zu diesem Thema finden Sie in science.ORF.at unter:
->   "Gen-Inseln" machen Krankenhauskeime resistent
 
 
 
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01.01.2010