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Laienforscher: Wissenschaft aus Leidenschaft  
  Milde belächelt, oft bestaunt, bisweilen als spleenig abgetan: Laienforscher haben es hierzulande nicht leicht. Doch was vielen nur als aufwändiges Hobby gilt, dient unter Aufopferung von Zeit und Geld dem Fortschritt der Wissenschaft.  
Die Passion der Privatgelehrten
Was die meisten Menschen belächeln oder als Spleen abtun, ist für Privatgelehrte eine Passion: Für ihr Hobby opfern sie Freizeit, stellen ihren Forschungstrieb über ihr Privatleben und finanzieren die meist kostenaufwändige Arbeit aus eigener Tasche.

Sie lesen und schreiben Fachliteratur, besuchen Vorträge und setzen sich intensiv mit der Forschungspraxis auseinander. Sie suchen Kontakt zu Wissenschaftlern auf der ganzen Welt, um deren Meinung zu ihren Erkenntnissen zu erhalten.
Respektierte Amateure
Die Gründe und Umstände, wie Laienwissenschaftler zu ihren Fachdisziplinen gekommen sind, sind so vielfältig wie die Hobbys selbst.

Eines haben aber alle gemein: Auf ihrem Gebiet haben diese Menschen ein unglaubliches Wissen entwickelt, das selbst Fachleute mit Respekt erfüllt und manche vor Neid erblassen lässt.

Und: Die Amateurforscher arbeiten zwar nahezu immer mit der Scientific Community zusammen, aber meist im Hintergrund des offiziellen Wissenschaftsbetriebs. Tatsache ist allerdings: Ohne ihren Einsatz wäre so manches Spezialgebiet wie beispielsweise die Globenkunde ein weißer Fleck auf der Weltkarte der Forschung.
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Ausnahme Ornithologie: Laienforschung mit Tradition
Trotz ihres Stellenwerts für die offizielle Forschung führt die Laienwissenschaft in Zentraleuropa aufgrund der strikten Trennung zwischen universitärer und Amateur-Wissenschaft nach wie vor ein stiefmütterliches Dasein. In Großbritannien hingegen gilt beispielsweise die Amateurornithologie nicht nur als eine anerkannte Disziplin, die Arbeit der hingebungsvollen Vogelkundler wird gesellschaftlich ebenso gewürdigt wie jedes universitäre Werk. Auffälliges Detail: Die Wissenschaft aus Leidenschaft wird zumeist von Männern betrieben.
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Spleenige Schnecken-Spezialisten
Bild: Universum Magazin
Mit ihrer Hingabe und ihrem Enthusiasmus wirken die Laienwissenschaftler auf die meisten Menschen eigenwillig, ja schrullig.

Ein Beispiel ist Helmut Nisters: Wenn der Tiroler Muschel- und Schneckenexperte Briefe mit "schnecklichen Grüßen" unterschreibt und seine Initialen mit der Zeichnung eines Schneckengehäuses schmückt, als Nascherei stets nur Schokomuscheln anbietet und als Haustiere Weinbergschnecken hält, mag diese Hingabe für viele weit außerhalb der Norm angesiedelt sein.

Die Tatsache, dass der 50-jährige ehemalige Drogerist nach wie vor bei seiner Mutter Irmgard wohnt, sich gemeinsam mit der 92-Jährigen seit mehr als 30 Jahren ausschließlich mit der Malakologie(Schnecken- und Muschelkunde) beschäftigt und damit auf ein eigenes Privat- und Familienleben verzichtet, trägt ihr Übriges dazu bei, dass der anerkannte Laienwissenschaftler leichtfertig als Sonderling wahrgenommen wird.
"Die faszinierendste Sache der Welt"
Die wenigsten zeigen Verständnis, wenn Irmgard Nisters die Muscheln und Schnecken als "die faszinierendste Sache der Welt" bezeichnet oder ihr Sohn Helmut stolz seine mit der neuen Digitalkamera geschossenen Fotos von der "entzückenden Herzmuschel", der Schnecke namens "Fliegenschiss" herzeigt.
Anerkannte Amateurforscher
Die Fachleute der Naturkundlichen Sammlung des Tiroler Landesmuseums wissen die Arbeit der Nisters zu schätzen:

Als der Tiroler Entomologe Karl Burmann 1972 bei Archivarbeiten im Museum eine alte Schnecken- und Muschelsammlung aus dem Ende des 19. Jahrhunderts entdeckte, bat er die bereits als Expertin für europäische Mollusken (Weichtiere) bekannte Mutter und ihren Sohn, den Fund zu bewerten und zu sortieren.

Seither arbeiten die Nisters nicht nur für das Landesmuseum, sondern begutachten und vervollständigen die Sammlungen von Museen und Schulen in Deutschland, Italien, Slowenien oder der Schweiz - ehrenamtlich und unentgeltlich, versteht sich.
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Die Ausnahme: Finanzierung durch Wissenschaftsfonds
Im Gegensatz zur etablierten Forschung finanzieren die Laienwissenschaftler ihre wissenschaftliche Arbeit überwiegend selbst. Ausnahmen bestätigen die Regel wie Peter Eigner aus Deutsch Goritz in der Steiermark: Der 61-jährige Landwirt und Laienzoologe ist mit seiner Erforschung des Wimperntierchens bereits viermal vom Wissenschaftsfonds (FWF) gefördert worden. Mit seinen Publikationen gehört der Steirer längst zum erlesenen Kreis der weltweit anerkannten Experten. Beweis für seine Meisterschaft: Eigner hat sechs neue Arten entdeckt.
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Die Regel: Geld aus eigener Tasche
Bild: Universum Magazin
Walter Pölz und Anna Baar werden oft gefragt, wer denn ihr skurriles Hobby, die Fledermauskunde, subventioniere.

"Wenn wir den Leuten dann sagen, dass wir die Forschungsprojekte zuerst mal aus der eigenen Tasche bezahlen und anschließend auf finanzielle Unterstützung von Sponsoren hoffen, schütteln die meisten den Kopf", erzählt der Wiener Techniker von seinen Erfahrungen bei Fledermauskartierungen:

"Viele Menschen können einfach nicht verstehen, warum man Zeit und Geld in etwas derartig Schräges wie Fledermäuse investiert."

Was für verletzte oder in Privatwohnungen gefangene Fledermäuse oft die letzte Rettung ist, bedeutet allerdings für Pölz und Seine Fachkollegin Anna Baar eingeschränkte Lebens- und Wohnverhältnisse.
Letzte Rettung für Fledermäuse
Ein Blick in die kleine Reihenhauswohnung erklärt die Situation: Wo andere Menschen ein Fernsehgerät oder eine Stereoanlage stehen haben, türmen sich bei den Laienexperten die Terrarien der Pflege- und Dauergäste, jene invaliden Fledermäuse, die nicht mehr freigelassen werden können.
Wissenschaftlicher Erfolg der Fledermauskundler
Anna Baar und Walter Pölz gehören längst nicht mehr zu den einzigen Flattertier-Fans: Die von ihnen 1990 gegründete "Fledermauskundliche Arbeitsgemeinschaft" hat regen Zulauf von interessierten Laien und Fachleuten.

Einer der größten wissenschaftlichen Erfolge: Vor einigen Jahren konnten die Experten erstmals wieder die Teichfledermaus nachweisen, die in Österreich seit 150 Jahren nicht mehr gesichtet worden ist.

Eva-Maria Gruber, Universum Magazin
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Acht Porträts im Universum Magazin
Der vollständige Artikel über die österreichischen Laienwissenschaftler ist erschienen im aktuellen Universum Magazin (vom 9. Mai 2003).

Neben den im Beitrag vorgestellten Hobbyforschern geht es etwa um den Amateurbotaniker Wolfgang Adler, den passionierten Sterngucker und Hobbyastronom Alexander Pikhard, oder um Franz Brunner, der in seiner Freizeit Archäologie betreibt.
->   Universum Magazin
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->   Website von Helmut Nisters
->   Fledermauskundliche Arbeitsgemeinschaft
 
 
 
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01.01.2010