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Passivrauchen nicht so schädlich wie befürchtet?  
  Passivrauchen ist ungesund, so lautet die gängige Annahme: bis zu 30 Prozent höher soll das Risiko sein, eine Herz-Kreislauf-Krankheit zu bekommen, wenn man dem blauen Dunst des Partners ausgesetzt ist. "Falsch", erwidert nun eine umstrittene Langzeitstudie. Die Gefahren des Passivrauchens sind ihr zufolge viel geringer als befürchtet.  
Nichtraucher, die jahrelang Zigarettenrauch einatmen, erkrankten nur unwesentlich häufiger an Lungenkrebs oder Herzkrankheiten als Nichtraucher, die sich vollständig von Tabakdunst fernhalten konnten, schreiben die US-Wissenschaftler James Enstrom und Geoffrey Kabat in der am Samstag erscheinenden Ausgabe der Fachzeitschrift "British Medical Journal" (BMJ).
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Die Studie ist unter dem Titel "Environmental tobacco smoke and tobacco related mortality in a prospective study of Californians, 1960-98" in der aktuellen Ausgabe des BMJ (Bd. 326, S. 1057, 17. Mai 2003) erschienen.
->   Die Studie
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36.000 Raucher über vier Jahrzehnte untersucht
Die beiden Forscher von der Universität Los Angeles und der Staatsuniversität New York stützen ihre Erkenntnisse auf Daten von knapp 36.000 mit Rauchern verheirateten Nichtrauchern, die zwischen 1959 und 1998 regelmäßig von der "American Cancer Society" untersucht worden waren.
Passivrauchen und Todesfälle: Kein Kausalzusammenhang
Dabei sei "kein Kausalzusammenhang zwischen Passivrauchen und tabakbedingten Todesfällen sichtbar geworden". Schätzungen, wonach das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch Passivrauchen um bis zu 30 Prozent steigt, sind ihrer Ansicht nach falsch. Ein geringer Effekt sei allerdings nicht auszuschließen.

Beim Aktiv-Rauchen wurden im Gegensatz dazu eindeutige Zusammenhänge mit Krankheitsrisiken (Lungenkrebs, Herzkrankheiten, COPD) festgestellt.
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Tabakrauch und Nikotin
Der Luftschadstoff Tabakrauch besteht aus mehr als 4.500 chemischen Verbindungen mit unterschiedlichsten Wirkungen. Darin enthalten sind schleimhautreizende Stoffe, toxische Komponenten und allergieauslösende Verbindungen. Außerdem konnten bisher mehr als 50 Substanzen nachgewiesen werden, die das Erbgut verändern und Krebs erzeugen können.
->   Passiv rauchende Kinder sind häufiger krank (15.5.02)
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Ärzteverband: "Mangelhaftes Datenmaterial"
Der britische Ärzteverband BMA wies die Ergebnisse umgehend zurück. Das in der Studie verwendete Datenmaterial sei "mangelhaft"; so gehe daraus nicht hervor, welchen Mengen von Zigarettenrauch die Untersuchungsteilnehmer ausgesetzt gewesen seien.

"Es gibt überwältigende, über Jahrzehnte hinweg gesammelte Belege, dass Passivrauchen Lungenkrebs, Herzkrankheiten und Asthma auslöst", hieß es in einer Stellungnahme.
Methodische Ungenauigkeit als Ursache?
Ein möglicher Grund für die Resultate liegt in einem methodischen Detail der Studie: Das letzte Mal, das die Teilnehmer gefragt wurden, ob sie rauchen, war im Jahr 1972. Bis zum Studienende - 1998 - hatten sie dementsprechend 26 Jahre Zeit, um mit dem Rauchen aufzuhören. Und auch jene, die den gesamten Zeitraum geraucht haben, könnten Rücksicht auf ihre Partner genommen und es nicht direkt in ihrer Gegenwart getan haben.
Vorwurf: Studie von Tabak-Industrie gesponsert
Ebenso unzufrieden zeigte sich Amanda Sandford von der britischen "Action on Smoking and Health". Sie warf dem BMJ vor, eine von der Tabak-Industrie gesponsorte Studie veröffentlicht zu haben.

"Das kann sich als sehr schädlich herausstellen, wenn es als Argument gegen Rauchverbote an öffentlichen Plätzen verwendet werden sollte", so Sandford laut BBC Online.
BMJ: Übliche Veröffentlichungspraxis
In einer begleitenden Stellungnahme verwehrt sich das BMJ gegen derartige Angriffe. Die Entscheidung, die Studie zu veröffentlichen, habe der üblichen Praxis entsprochen - Peer Review inklusive. "Es ist unvermeidbar, dass einige Forschungsergebnisse kontroversiell betrachtet werden," heißt es.

George Davey Smith von der Universität Bristol fügt in einem Kommentar hinzu, dass die Auswirkungen des Passivrauchens besonders schwierig zu messen und insofern die Resultate entsprechender Studien immer umstritten seien.
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Der Kommentar von George Davey Smith ist unter dem Titel "Effect of passive smoking on health" ebenfalls im BMJ (Bd. 326, S1048-1049, Ausgabe vom 17. Mai 2003) erschienen.
->   Der Kommentar
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->   American Cancer Society
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01.01.2010