News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 
Experten warnen: Pneumokokken-Tote bei Kindern  
  Die fehlende Aufnahme der Pneumokokken-Impfung in das österreichische Kinder-Impfprogramm wird vermeidbare Todesfälle unter Säuglingen und Kleinkindern verursachen, warnten am Mittwoch heimische Experten.  
Auch Fälle von Syphilis und Gonorrhoe nehmen in Österreich demnach dramatisch zu. Den Infektions-Alarm gaben am Mittwoch führende österreichische Experten bei einer Pressekonferenz zum Thema Infektionskrankheiten in Wien.
Pneumokokken-Immunisierung bei "Risikokindern"?
Trotz der eindeutigen Empfehlung der Impfexperten des Obersten Sanitätsrates (OSR) wird laut Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (ÖVP) die Pneumokokken-Immunisierung derzeit nicht in die Reihe der von der öffentlichen Hand allgemein bezahlten Kinderimpfungen aufgenommen.

Stattdessen wird die Impfung von "Risikokindern" überlegt. Die Aufnahme der Immunisierung in das generelle Programm war zuvor von Politikern mehrmals versprochen worden. In der Zwischenzeit hieß es, manche Bundesländer würden nicht mitmachen. Sie zahlen ein Sechstel des gesamten Kinder-Impfprogramms.
Mediziner: "Unsachliche Diskussion"
"Durch den Ministerwechsel (Gesundheitsressort, Anm.) wurde eine neue Diskussion aufgebracht, die völlig unsachlich ist", kommentierte Johann Sommer von der Kinderinternen Abteilung des Wiener Donauspitals.

"Man kann bei Säuglingen und Kleinkindern unter zwei Jahren keine Risikogruppen für Pneumokokken-Infektionen abgrenzen."
...
Neueste Daten sprechen für Impfungen
Neueste Daten, die der Wiener Impfexperte und Tropenmediziner Herwig Kollaritsch in den Jahren 2001 und 2002 in ganz Österreich erhoben hat, sprechen laut Sommer eindeutig für die Pneumokokken-Impfung schon im Säuglingsalter und für alle Kinder:

"Es hat in diesen zwei Jahren in Österreich 77 schwere invasive Pneumokokken-Erkrankungen mit Sepsis (Blutvergiftung, Anm.) oder Meningitis (Gehirnhautentzündung, Anm.) gegeben. Es gab dabei auch vier Todesfälle. Drei davon wären durch die Impfung verhinderbar gewesen." Der Großteil der betroffenen lebensgefährlich erkrankten kleinen Patienten war demnach unter zwei Jahre alt. Auf die Frage, ob die fehlende breit angewendete Pneumokokken-Impfung auch in Zukunft zu Todesopfern führen würde, antwortete Kinderarzt Sommer: "Auf jeden Fall!"
...
Experten lobten Vorreiterrolle Österreichs
Erst im vergangenen April wurde Österreich mit seinem Plan für die Aufnahme der Pneumokokken-Impfung in die Reihe der von der öffentlichen Hand bezahlten Kinder-Immunisierungen beim Kongress der europäischen Experten für Infektionskrankheiten bei Kindern in der sizilianischen Stadt Taormina als beispielgebend bezeichnet.

Österreich hätte hier eine Vorreiterrolle, hieß es. Doch zur Realisierung dieses Plans dürfte es offenbar nicht kommen.
->   Pneumokokken-Impfung gegen schwere Infektionen (5.5.03)
->   Alles zum Stichwort Pneumokokken in science.ORF.at
Immer mehr Geschlechtskrankheiten
Fünf bis acht Prozent der Weltbevölkerung sind von sexuell übertragbaren Erkrankungen betroffen - ein weiteres Thema der Experten bei der Pressekonferenz am Mittwoch.

Das sind 300 bis 400 Millionen Menschen. Wurden Syphilis, Gonorrhoe & Co. in den vergangenen Jahrzehnten in den westlichen Industrieländern eher in den Hintergrund gedrängt, kehren die gefährlichen Krankheiten nun - auch in Österreich - zurück.
Österreich: Anstieg der Syphilis-Fälle
"Seit 1993 steigt in Österreich die Zahl der gemeldeten Syphilis-Fälle wieder an. Zwischen 1993 und 2002 betrug diese Steigerung 338 Prozent", warnte bei der Pressekonferenz Stephan Madersbacher von der Abteilung für Urologie und Andrologie am Wiener Donauspital.

"Bei der Gonorrhoe ("Tripper", Anm.) hatten wir in Österreich einen Abfall bis 1998. Der Anstieg der Zahl der Fälle von 1998 bis 2002 machte 260 Prozent aus. Es ist somit zu einer dramatischen Zunahme der sexuell übertragbaren Erkrankungen in Österreich gekommen."
...
Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene betroffen
Die beiden Geschlechtskrankheiten betreffen vor allem Jugendliche und Erwachsene im jüngeren Alter. Madersbacher: "90 Prozent der Patienten in Wien sind jünger als 40 Jahre. 1997 ist erstmals die seit 1970 nicht mehr registrierte Syphilis congenita wieder aufgetreten (Infektion des Kindes bei der Geburt, Anm.)." Mittlerweile wurden 13 derartige Fälle gemeldet.
...
Welche Faktoren spielen eine Rolle?
Drei Faktoren werden für die Entwicklung verantwortlich gemacht. Madersbacher: "Die Promiskuität spielt sicher eine Rolle. Die Leute haben die Angst vor HIV verloren. Wir müssen mit einer besseren Aufklärung, speziell in den Schulen, beginnen."

Hinzu käme eine in den vergangenen Jahren in Osteuropa beobachtete "Epidemie" bei Geschlechtskrankheiten. In Russland wurde die Zahl der Neuerkrankungen an Syphilis mit 34 pro 100.000 Einwohner im Jahr 1993 angegeben. 1996 waren es 265 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner.

Schließlich spielte offenbar auch die sich in Österreich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs etablierende Geheimprostitution eine Rolle.
Mehr Ärzte-Fortbildung gefordert
Madersbacher forderte auch mehr Ärzte-Fortbildung in Sachen sexuell übertragbarer Erkrankungen, weil hier einfach zum Teil jahrzehntelang nicht mehr gesehene Krankheitsbilder wieder auftauchten.
->   Österreich: Geschlechtskrankheiten wieder im Vormarsch (September 2002)
SARS: Keine endgültige Entwarnung
Und schließlich war auch die Lungenkrankheit SARS ein Thema der Experten: Trotz aller positiven Nachrichten über SARS kann demnach keine endgültige Entwarnung gegeben werden.

Tropenmediziner Herwig Kollaritsch: "Man sollte SARS ernst nehmen, aber nicht übertreiben. Es muss uns klar sein, dass die Krankheit zurückgedrängt, aber nicht eliminiert ist. Wir werden auch die nächsten Jahre mit der Krankheit leben müssen. Ich bin auch überzeugt, dass wir in Österreich 'Einschleppungen' haben werden."
->   Alles zum Stichwort SARS in science.ORF.at
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010