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Nach Zungen-Transplantation geht es Patienten gut  
  Dem 42-Jährigen, dem am Samstag im Wiener AKH in einer 14-stündigen Operation eine Zunge verpflanzt wurde, ging es am Dienstag erstaunlich gut. Es handelte sich um die weltweit erste derartige Transplantation. "Der Patient fühlt sich wohl, er hat keine Schmerzen", berichtete der Intensivmediziner Claus Krenn bei einer Pressekonferenz im AKH. Die Zunge ist gut durchblutet und nicht einmal mehr geschwollen. Der Patient wird möglicherweise schon am Mittwoch oder Donnerstag das Bett verlassen können.  
Ob das Organ "normal" funktioniert, noch unklar
Bild: APA
Eine Grafik anlässlich der Pressekonferenz
Die Operation ist optimal verlaufen, mangels Erfahrung können die Ärzte aber noch nicht sagen, wie die "neue" Zunge des 42-Jährigen einmal funktionieren wird. Bis man das weiß, werden noch ein paar Wochen vergehen.

Auf jeden Fall ist es gelungen, die für die Motorik der Zunge verantwortlichen beiden Nerven "anzuschließen", bei den für das Gefühl "zuständigen" zwei Nerven gelang das in einem Fall.
Bisher keine Abstoßungsreaktionen ...
Da es bis jetzt keine Komplikationen gab und auch die gefürchteten Abstoßungsreaktionen offenbar ausblieben, sind die Ärzte zuversichtlich, dass es gut weitergehen wird. Da dem Patienten auch lymphatisches Gewebe transplantiert werden musste, das für das Immunsystem des Körpers wesentlich ist, sind die Ärzte bezüglich möglicher Infektionen besonders vorsichtig.
... dank starker Immunsuppressiva
Um keine Abstoßungsrekationen aufkommen zu lassen, erhält der 42-Jährige vorerst starke Immunsuppressiva. Nach einer Woche soll auf ein leichteres Schema umgestellt werden. Damit der Körper die neue Zunge nicht als fremd abstößt, wird der Patient sein ganzes Leben lang Medikamente nehmen müssen, welche diese Reaktion unterdrücken.
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Die Zukunft der Organtransplantation
Eines der größten Probleme nach einer Organverpflanzung ist die Abstoßungsreaktion des Immunsystems gegenüber dem neuen Organ. Medikamente, die diesen Prozess unterdrücken sollen haben Nebenwirkungen und sind nicht immer erfolgreich. Der Transplantationsspezialist Thomas Wekerle vom AKH Wien beschrieb in einem Gastkommentar für science.ORF.at im März 2002 neue Methoden, die ohne Medikamente auskommen.
->   Gastbeitrag Thomas Wekerle (18.3.02)
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Patient litt an bösartigem Tumor
Bild: APA
Rolf Ewers bei der
Pressekonferenz
Der 42-jährige Patient litt an einem bösartigem Tumor, der unter anderem die rechte Zungenseite, den Mandelraum, den rechten Unterkieferwinkel und Zungengrund befallen hatte.

Der Patient konnte laut Rolf Ewers, Vorstand der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, plötzlich den Mund nicht mehr öffnen. Vor zehn Wochen sei der 42-Jährige ins AKH gekommen.
Transplantations-Überlegungen schon vor zwei Jahren
"Wir sehen Patienten mit einem derart großen Malignom nur ein Mal pro Jahr", sagte Oberarzt Christian Kermer, der die Operation mit acht Kollegen durchführte.

Schon vor zwei Jahren gab es im AKH Überlegungen, sich an eine Zungentransplantation zu wagen, damals scheiterte ein solches Vorhaben aber am Fehlen eines Spenders. Im vergangenen Jahr lehnte eine in Frage kommende Patientin eine Zungenverpflanzung ab.
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Dünndarm als Ersat für Schleimhaut
Bei den gängigen Verfahren in Fällen, in denen die Zunge entfernt werden muss, wird das im Rachen entstehende "Loch" mit einem Stück Dünndarm verschlossen, das ein guter Ersatz für Schleimhaut ist. Der Patient kann sich dann aber nicht oral ernähren, sondern nur durch eine Sonde in der Bauchwand, und sich nur sehr schlecht sprachlich verständigen.
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Vermutlich kein Geschmacksempfinden
Sollte die Transplantation an dem 42-Jährigen optimal gelungen sein, wird der Mann seine neue Zunge bewegen können und auch spüren. Als eher unwahrscheinlich stuft Ewers die Möglichkeit ein, dass der Patient Geschmacksempfinden haben wird.
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Organtransplantationen: Deutlicher Anstieg in Österreich (24.6.03)
->   Erste beidseitige Hand- und Armtransplantation (20.2.03)
->   Erste Organtransplantation vor 100 Jahren (7.3.02)
->   Das soziale Leben nach der Transplantation (18.2.02)
 
 
 
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01.01.2010