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"Totale Unterhaltung": NS-Ästhetik in Österreich  
  Der Frage, ob es während der Zeit der NS-Herrschaft eine eigenständige österreichische Ausformung der Nazi-Ästhetik gegeben hat, geht eine Publikation des Böhlau-Verlags nach.  
Wissenschaftler, Autoren und Künstler, wie die Herausgeber Ilja Dürhammer und Pia Janke, Marlene Streeruwitz, Wendelin Schmidt-Dengler, Gerhard Scheit oder Franzobel, machten sich auf die Spur der NS-Kunst und ihrer heutigen Überbleibsel, der Rolle der Kulturwissenschaften und prominenter Künstler- Kontinuitäten nach Kriegsende.
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Ilja Dürhammer, Pia Janke (Hg.), "Die 'österreichische' nationalsozialistische Ästhetik". 266 S, zahlreiche Abbildungen in S/W. ISBN 3-205-77151-6, Euro 24,90
->   Böhlau-Verlag
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Liebliche Kunstästhetik zur Systemstärkung
"Totale Unterhaltung im sich abzeichnenden 'Totalen Krieg', wie der Zeitgeschichtler Oliver Rathkolb erläutert, war etwa das Credo in der darstellenden Kunst. Wien hat innerhalb des Reiches einen besonderen Ruf in "künstlerischer Festgestaltung" erworben, die Stadt wurde "Zentrum einer gegenwartsbezogeneren, aber immer auch lieblichen Kunstästhetik", die "der Systemstärkung diente".

An den Theatern fand das "rührselige wienerische Genre" besonderen Beifall und eine politische Aufgabe in der Festigung des Regimes. Dies sei kein "oftmals behaupteter 'innerer Widerstand'" gegen die NS-Herrschaft gewesen, betonen die Herausgeber. Aussagen von Klassikern wurden "trivialisiert, Themen idyllisiert oder heroisiert", so Evelyn Deutsch-Schreiner in ihrem Beitrag.
Von Kabarett bis Wessely
Hitlers ästhetische Prägungen werden in der spannenden Publikation ebenso erörtert wie die Rolle des Kabaretts zwischen Opportunismus und Widerstand oder die trivialisierende NS-Bühnenästhetik an "ostmärkischen" Theatern. "Männerträume" über das Nazi-Heldentum erörtert Streeruwitz anhand von Felix Saltens "Bambi".

Heimatdichtung und Volksmusik, aber auch die unentschlossene Abgrenzung der Nationalsozialisten zur nicht-avantgardistischen Moderne werden thematisiert, Nachkriegs-Diskussionen etwa zum Eisenmenger-Vorhang in der Wiener Staatsoper oder die Rolle Paula Wesselys mit historischen Fakten unterlegt.
Zu wenig Zeit für Repräsentationsarchitektur
Repräsentationsarchitektur wurde in Österreich relativ wenig gebaut, denn die Zeit für eine Objektivierung der "ostmärkischen" Architektur-Ästhetik war mit einem Friedensjahr und vier Kriegsjahren viel kürzer als in Deutschland und die Produktion schon beim "Anschluss" auf Kriegszwecke orientiert.
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Innsbrucker Landhaus: Paradeibeispiel
Das Neue Landhaus in Innsbruck der Architekten Ewald und Walther Guth etwa sei ein Paradebeispiel für "provinzielle NS- Herrschaftsarchitektur", ansonsten verlegte man sich auf "Germanisierungen" vorhandener Gebäude, wie die "Verdeutschung" der ehemaligen deutschen Botschaft durch Josef Hoffmann. Vorhanden sind die "steinernen Zeugen" der NS-Herrschaft vor allem im Industrie- und Wohnbau.
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Kein grüner Hund in der "Ostmark"
"Ordentliche Gegenwartskunst" wurde in der "Ostmark" in zahlreichen Kunstsparten gebilligt und von Baldur von Schirach gefördert. Hitler selbst ließ 1943 eine von Schirach organisierte Gemälde-Schau schließen, weil darin ein Hund abstrakt dargestellt wurde - noch dazu grün.
Avantgarde-Gegner seit der Monarchie
Jedoch fand die künstlerische Avantgarde eine Gegnerschaft, die in der Stadt, wo sich schon zu Zeiten der Monarchie Befürworter und Gegner bei Schönberg-Konzerten prügelten, reichen Boden und auch nach Kriegsende mannigfaltige Kontinuitäten in den "Repräsentationskünstlern" hatte.

Der berühmte Wiener Mozartstil der späten 40er- und 50er Jahre sorgte für eine "kulturelle Abpolsterung" der politischen Opferdoktrin.
Keine spezielle österreichische Ästhetik
Gefunden wurde insgesamt keine geschlossene speziell österreichische Ästhetik, in der bildenden Kunst etwa blieb jede spezifische Besonderheit österreichischer Künstler aus. Jedoch zeigte sich eine besondere Eigenständigkeit in den sprachlich geprägten Kunstformen.

Georg Leyrer/APA
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01.01.2010