Host-Info
Birgit Sauer
Institut für Politikwissenschaft, Universität Wien
 
ORF ON Science :  Birgit Sauer :  Gesellschaft 
 
Mädchenhandel: Staatlich geförderte Kriminalität  
  Abschreckung und Strafe sind ungeeignete Maßnahmen zur Verhinderung von illegaler Zuwanderung wie auch von Frauen- und Mädchenhandel. Dies ist das Ergebnis einer Studie der deutschen Ökonomin Angelina Topan.  
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Die mafiotischen Organisationen des Frauen- und Mädchenhandels in den ost- und mitteleuropäischen Staaten entstanden im Zuge des Verfalls staatlicher Strukturen und dem Übergang zur Marktwirtschaft.
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Staatliche Förderung der modernen Sklaverei
Die Maßnahmen gegen diese Form der organisierten Kriminalität seien eher als staatliche Förderung dieser "modernen Sklaverei", denn als Beseitigung ihrer Ursachen zu bezeichnen. So ist der Frauen- und Mädchenhandel nach betrieblichen und vor allem betriebswirtschaftlichen Prinzipien organisiert.

In den mittel- und osteuropäischen Ländern wird er durch die staatliche Elite vielfach gedeckt. Doch auch in den Ländern der Europäischen Union werden die kriminellen Strukturen des Frauen- und Mädchenhandels durch die Kriminalisierung der Arbeitsmigration eher unterstützt als beseitigt.
Kosten-Nutzen-Kalkül?
Eine Ursache für die kontraproduktiven Maßnahmen zur Bekämpfung des Frauen- und Mädchenhandels sieht die Autorin in einer falschen Anamnese und Diagnose. Die "Ökonomische Theorie der Kriminalität" gehe davon aus, dass die am Menschenhandel beteiligten Akteure ihren Nutzen, d.h. ihren Profit, und ihre Kosten (Risiken der Illegalität und der Gewaltanwendung) möglichst rational gegeneinander abwägen, um möglichst hohe Profite zu erzielen. Die Theorie schlägt deshalb als Maßnahme gegen die Organisierte Kriminalität Abschreckung vor.
Abschreckung soll die "Kosten" (sprich das Risiko der Strafe) erhöhen, so dass der Nutzen aus dem illegalen Handel gegen Null tendiert. Hierbei werden jedoch die sozialen, ökonomischen, politischen und kulturellen Bedingungen in den Ursprungsländern der gehandelten Menschen wie auch in den "Nachfrage"-Ländern vernachlässigt, so der schwerwiegendste Einwand der Autorin.
In die Arme von Schleppern getrieben
Doch sei es weniger das Kalkül der Menschenhändler, als vielmehr die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, die Frauen in den Ländern des einstigen Realsozialismus in die Arme von Menschenhändlern treibe. Verstärkend komme die Unmöglichkeit legaler Arbeitsmigration in die EU-Länder hinzu.

Die Frauen wollen in der Regel als Arbeitsmigrantinnen ihr Land verlassen, um ihre ökonomische und soziale Lage zu verbessern (Push-Faktoren). Sie werden aber aufgrund der restriktiven Gesetze in den Ländern der EU bei gleichbleibendem Bedarf an illegalisierten Frauen in die Arme von Schleppern getrieben (Pull-Faktoren).

Verdienstmöglichkeiten der Schlepper schmälern
Die Europäische Kommission nimmt mit ihrem Maßnahmenkatalog aus dem Jahr 1998 eine Vorreiterrolle in der Bekämpfung des Frauen- und Mädchenhandels innerhalb der EU ein. Die Autorin schlägt darüber hinaus eine in einer "Europäischen Einwanderungsbehörde" institutionalisierte Einwanderungspolitik vor, die die Arbeitsmigration reguliert bzw. quotiert.

Somit könnten die Verdienstmöglichkeiten der Schlepper erheblich gesenkt werden, was sich wiederum auf die Zwangsprostitution auswirke. Darüber hinaus müssten die gehandelten Frauen besser geschützt und bei einem beruflichen (Wieder)Einstieg unterstützt werden.
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Angelina Topan: Transformationsprozeß in Osteuropa und Organisierte Kriminalität am Beispiel des Frauen- und Mädchenhandels: Lösungsvorschläge der Ökonomischen Theorie der Kriminalität und praktische Lösungswege der EU. Hamburg: Verlag Trevi 2000. 143 Seiten.
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->   Angelina Topan
->   August Bebel über Mädchenhandel
 
 
 
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