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Das physikalische Feld ist eine Form der Materie  
  Elektromagnetische Kräfte, die Gravitation und anderes mehr werden in der Physik durch Felder beschrieben, denen wiederum mathematische Konzepte zugrunde liegen. Letztere sind jedoch keine reinen Hilfsmittel, sondern verweisen auf etwas, das "wirklich" vorhanden ist. Allerdings konnten Felder bis dato immer nur indirekt nachgewiesen werden.  
Seit Einstein geht man jedenfalls davon aus, dass etwa ein elektrisches Feld selbst das Bild einer eigenen Art von Materie ist, die für ihre Ausbreitung kein eigenes Medium braucht. Die Frage der Woche wurde von Gebhard Grübl von der Universität Innsbruck sowie von Franz Embacher von der Universität Wien beantwortet.
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Die Frage der Woche im Wortlaut
Andreas H.:"In der Physik spricht man sehr oft von Feldern: elektromagnetisches Feld, Gravitationsfeld etc. Was ist eigentlich ein 'Feld'? Eigenartig finde ich, dass sich elektromagnetische Signale auch im Vakuum fortpflanzen können. Wenn der Raum leer ist, wie kann sich dann ein Signal in einem Feld ausbreiten?"
->   Zur Frage der Woche samt User-Forum
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Theoretische Physik und Realität
"Zunächst sind fast alle Begriffe in einer guten Theorie so, dass sie etwas außerhalb unserer Gedankenwelt darstellen sollen. Die Mathematik hat in der Physik lediglich die Funktion das Denken schlüssiger zu machen, als dies im Alltag üblich ist."

Und genauso verhält es sich im Prinzip mit den Erklärungsversuchen der Physik für den Feldbegriff, erläutert der Innsbrucker Physiker Gebhard Grübl von der Arbeitsgruppe Field Theory am Institut für Theoretische Physik gegenüber science.ORF.at.
Äther als Medium
Typische Felder der Physik sind etwa das Gravitationsfeld oder das elektrisches Feld. Während etwa bei der Massendichte jeder daran denkt, dass sie ein Maß für die Verteilung von Materie darstellt, die sich in einem bestimmten Raum befindet, ist dies bei einem elektrischen Feld nicht ganz so klar.

"Bis etwa 1905 dachte man, es sei eine Auslenkung aus der Gleichgewichtslage einer sehr dünnen, sonst nicht weiter greifbaren Materie - dem Äther -, welche die ganze Welt erfüllt, und dass ein elektrisches Feld nichts mit An- oder Abwesenheit von Materie zu tun hat", erklärt der Innsbrucker Physiker.
Seilschwingung als bildliche Vorstellung
Grübl: "Damals hatten die Physiker das Bild einer Seilschwingung vor Augen: Das Seil ist ähnlich dem Äther immer da; es kann schwingen - oder auch nicht. Wenn der Äther schwingt, sehen wir zum Beispiel Licht und bei Stillstand eben nicht."
Seit Einstein ist der Äther "out"
Seit der 1905 veröffentlichten Speziellen Relativitätstheorie Einsteins stellen sich die meisten Physiker vor, dass ein elektrisches Feld selbst das mathematische Bild einer eigenen Art von Materie ist.

Auf das anschauliche Bild der Seilschwingung umgelegt heißt das: "Das Licht entsprach früher der Tatsache, ob das Seil schwingt oder nicht. Jetzt ist das Licht selbst das Seil und das physikalische Feld dazu der Zustand des Schwingens oder Ruhens", erläutert Gebhard Grübl.
Kein Problem mit dem Vakuum
Das klassische elektrische Feld ist Grübl zufolge also "Kontinuumsmaterie, die nicht aus Massenpunkten zusammengesetzt ist. Das Feld kann so ähnlich wie ein Massenpunkt durch den ansonsten leeren Raum laufen und vor allem braucht es dazu kein Medium."

Somit stellt sich die Frage, wie sich denn ein Signal in einem Feld ausbreiten kann, wenn der Raum leer ist, in dieser Form nicht. Denn das elektromagnetische Signal selbst ist das Feld, das sich im Vakuum ausbreitet, wie auch User "marlenew" im Forum richtigerweise vermerkt hat.
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Feld als Kontinuumsmaterie
"Das klassische relativistische elektromagnetische Feld ist also kein atomistisches, sondern ein kontinuierliches Materiebild. Das vielleicht merkwürdigste an dieser Materie ist, dass sie, einmal von ihrer Quelle losgelöst, sich mit einer unveränderlichen Geschwindigkeit c von etwa 300 Millionen Metern in der Sekunde ausbreitet", so der Innsbrucker Physiker weiter.
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Quantenfeldtheorie: Comeback des Atomismus
Mit der Quantenfeldtheorie hingegen hat sich dieses Bild im Detail gründlich gewandelt, denn der Atomismus hielt Einzug im elektrischen Feld. Das allgemeine Schema jedoch ist geblieben: Lichtartige, ungeladene Materie wird in Wechselwirkung mit geladener erzeugt und vernichtet.

"Wird sie in einem kleinen Raumgebiet erzeugt, läuft sie von dort weg, bis sie von einem Hindernis verschluckt wird und sei es erst nach 16 Milliarden Jahren im Detektor einer Astronomin, welche die kosmische Hintergrundstrahlung vermisst," erläutert Grübl wieder in einem bildlichen Vergleich.
Mögliche Namen: Fotomaterie - oder Äther "neu"?
Im Zusammenhang der Quantentheorie wird diese lichtartige Materie, photonisch genannt. Im Bereich der klassischen, Nach-Einsteinschen Elektrodynamik hat sie jedoch keinen allgemein benützten Namen.

"Mit der Abschaffung des Äthers, den man ursprünglich für den materiellen Träger der elektrischen Felder hielt, kam dieser Art von Materie leider auch ihr Name abhanden. Mein Physiklehrer hat sich des einfachen und bildhaften Namens 'Fotomaterie' bedient. Aber auch der Name 'Äther' in seiner veränderten Bedeutung stünde ihr gut an", regt der Innsbrucker Physiker zu einer einheitlichen Nomenklatur an.
Die "wahre" Theorie existiert nur theoretisch
"Wenn Sie mehrere Physiker fragen, welches das realistischere Weltbild darstellt - Teilchen oder Felder -, werden die meisten eher die Felder als Antwort geben. Prinzipiell liegt hinter jedem physikalischen Begriff ein mathematisches Konzept. Niemand hat Teilchen oder Felder je wirklich gesehen, sondern immer nur indirekt gemessen - als zählbare Hits in einem Detektor zum Beispiel", bemerkt der Wiener Physiker Franz Embacher zum Thema Feldtheorien.

Gebhard Grübl resümiert sogar noch drastischer: "Nun werden sie vielleicht fragen, wenn sich die anschauliche Vorstellung davon, was ein elektrisches Feld ist, mit der Abschaffung des Äthers so drastisch gewandelt hat, wer schützt Sie davor, ihre Vorstellung morgen wieder ändern zu müssen? - Ich fürchte niemand. Vermutlich gibt es keine 'wahre' Theorie, sondern nur schlechtere und bessere."

Christoph Urbanek, 15.12.04
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