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Haarlängen sind genetisch festgelegt und funktional  
  Dass die Haare unseres Körpers unterschiedlicher Pflege bedürfen, entspricht der Alltagserfahrung: Manche muss man ständig schneiden, andere nicht. Haupt- und Achselhaar etwa sehen zwar ähnlich aus, wachsen aber sehr unterschiedlich lang. Der Grund dafür liegt in ihrer verschiedenen Funktion, die genetische Information der Haarwurzeln legt unter anderem die Länge für jeden Haartyp fest.  
Dennoch ist das Haar gerade in der für seine Länge entscheidenden Wachstumsphase hochgradig sensibel und beeinflussbar.

Vor allem die Regulierung der einzelnen Wachstumsphasen ist für die Wissenschaft noch unklar und somit Gegenstand aktueller Forschungsaktivitäten, wie Experten für die User von science.ORF.at erläutern.
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Die Frage der Woche im Wortlaut
loveissuicide.: "Wie allgemein bekannt ist, muss man, will man nicht aussehen wie Vetter Itt von der Addams Family, regelmäßig zum Friseur gehen, weil das Haupthaar ständig wächst. Aber wie kommt es, dass es Stellen am Körper gibt (z.B. Augenbrauen), wo die Haare bis zu einer bestimmten Länge heranwachsen und nicht weiter - zupft man sie aber aus oder schneidet sie ab, wachsen sie wieder bis zur ursprünglichen Länge und nicht weiter. Wie ist das zu erklären?"
->   Zur Frage der Woche samt User-Forum
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Drei Zyklen des Haarwachstums
"Das Haarwachstum wird stark durch die männlichen Geschlechtshormone, die Androgene, in den Haarwurzeln mitbestimmt. Sie geben hauptsächlich vor, wann und wo Haare wachsen", erklärt Daisy Kopera, Dermatologin und Leiterin der Haarambulanz für Gesichtsdermatosen in Graz.

"Die Lebensspanne eines Haares kann sehr unterschiedlich sein. In der Regel dauert der Lebenszyklus eines Haares ungefähr sieben Jahre und setzt sich aus drei Phasen zusammen: der so genannten Wachstumsphase (Anagenphase, Anm.), gefolgt von einer Übergangsphase (Katagenphase), die in einer Ruhephase (Telogenphase) endet", so Kopera weiter.

"Nach der Ruhephase fällt das Haar aus und macht Platz für ein neues, das aus demselben Haarfollikel, einer länglichen Einstülpung der Oberhaut, nachwächst. In jedem Follikel, an dessen unterem Ende das Haar in der Haarwurzel gebildet wird, kann etwa zehn bis zwölf Mal ein Haar nachwachsen", hält die Grazer Dermatologin fest.
Maximal 75 Zentimeter nach sechs Jahren
In der Anagenphase bildet sich eine neue Haarwurzel, und die Produktion eines Haares beginnt. Die Dauer dieser Wachstumsphase ist genetisch vorgegeben und dauert etwa zwischen drei und sechs Jahren, in Ausnahmefällen auch länger.

Bei einer Wachstumsgeschwindigkeit von durchschnittlich zwölf Zentimetern pro Jahr können demnach die einzelnen Haare eine maximale Länge von etwa 75 Zentimetern nach etwa sechs Jahren erreichen, erklärten die von science.ORF.at befragten Experten.
Frauenhaare langsamer, aber länger
"Haarlängen über einen Meter sind selten, weil die Lebensspanne eines Haares dafür sorgt, dass sie vorher ausfallen und das neue Haar in seiner Entwicklung wieder ganz von vorne anfängt. Männerhaare werden tendenziell zwar nicht so lang, sie wachsen dafür in der Regel aber schneller als Frauenhaare", so Kopera.

Die für einen Menschen maximal erreichbare Länge der Kopfhaare hänge also in erster Linie von der Dauer der Wachstumsphase ab. Auch bei sorgfältiger Pflege können sie somit niemals "endlos" lang werden, bestätigt die Grazer Ärztin.
Genetischer "Mikrochip" bestimmt Länge
"Die Länge jedes einzelnen Haares egal ob Kopf-, Körperhaar oder zum Beispiel Augenbrauen ist von seiner eigentlichen Funktion abhängig, die wiederum genetisch in den Haarwurzeln festgelegt ist. Jede Haarwurzel hat so quasi einen eigenen Mikrochip, der ihre Funktion und somit die Beschaffenheit darunter auch die Länge des Haares festlegt", beschreibt Daisy Kopera die biologische Ausgangssituation für jedes Haar.
Aus Augenbrauen wird kein Haupthaar
Die Grazer Dermatologin hält fest, dass daher auf die Kopfhaut transplantierte Augenbrauen nicht wie Haupthaar wachsen würden, da ihre Funktion in der Wurzel genetisch festgelegt ist.

Ebenso wachsen abgeschnittene oder gezupfte Haare eben immer bis zu der für sie genetisch vorprogrammierten Länge. Die Wirkung von Haarwuchsmitteln sei alleine schon deshalb begrenzt und könne so den Haarwuchs nur sehr oberflächlich beeinflussen.
Papille: Wachstumszentrum des Haares
Ralf Paus, Leiter der Experimentellen Dermatologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck, geht ins Detail: "Wie in allen Geweben liegt die genetische Information im Zellkern. Speziell die genetische Information der Wachstumszellen in der so genannten Papille - einem Teil der Haarwurzel - legt die Funktion jedes einzelnen Haares fest. Die Papille ist das so genannte Wachstumszentrum des Haares, hier werden die Nährstoffe über den Blutkreislauf aufgenommen."
Veranlagung plus Umwelteinflüsse
Das Haarwachstum stellt sich allerdings für den Lübecker Dermatologen als zwiespältig dar: "Denn die genetische Veranlagung ist zwar wichtiger und bestimmt definitiv den Haartypus, allerdings ist der Haarfollikel auch hochgradig sensibel für äußere Umstände wie den Stoffwechsel, Hormonhaushalt oder etwa die Versorgung der Haarwurzel mit Nährstoffen. Der Haartyp und somit auch die Haarlänge können dennoch nicht durch diese äußeren Einflüsse verändert werden."
"Biologische Uhr" noch unklar
"Die Besonderheit der Haare ist, dass sie eigene Einheiten bilden, jedes Haar ist ein Miniorgan für sich sozusagen." Wie die Wachstumsinformation selbst generiert und weitergegeben wird, ist hingegen noch unklar und Teil der Forschungsaktivitäten von Ralf Paus.

Die spezielle Herausforderung in seinem Forschungszweig: "Vor allem die Regulierung der Wachstumsphasen, ist noch unklar. Denn die bisher erforschten 'biologischen Uhren', die beispielsweise den Kortison- oder Hormonspiegel steuern, lassen sich auf das Haarwachstum nicht anwenden."

Wie die "biologische Uhr" des Haarfollikels funktioniert, ist Teil von genetischer Information, die es noch zu entdecken gilt, und die laut Paus den Austausch der Zellen innerhalb des Haargewebes steuert, die den Haarwuchs vorantreiben.

Christoph Urbanek, 12.9.05
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