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Wie Blutgerinnung unter Wasser funktioniert  
  Wie kann Blut unter Wasser gerinnen, wo es da doch keinen Luftsauerstoff gibt? - so lautete die aktuelle Frage von "Ask Your Scientist". Die Antwort: Das hochkomplexe System der Blutgerinnung funktioniert überall gleich - seine Effekte können unter Wasser maximal verzögert werden.  
Dies erklären die "Ö1-Radiodoktoren" Walter Gerischer-Landrock und Christoph Leprich , die die "Ask Your Scientist"-Frage dieser Woche beantworten.
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Die Frage der Woche im Wortlaut
Martin: "Wie funktioniert die Blutgerinnung eigentlich unter Wasser, wo es ja keinen direkten Kontakt zum Luftsauerstoff hat?"
->   Die Frage der Woche mit den User-Antworten
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Die Blutgerinnung - unter oder über Wasser
Von Walter Gerischer-Landrock und Christoph Leprich, Ö1-Radiodoktor

Eine der bemerkenswertesten Eigenschaften von Blut ist die Eigenart zu verklumpen, sobald es den Körper verlässt. Die Blutgerinnung dient dazu, den Blutverlust bei Verletzungen zu stoppen und die Wunde zu verschließen.

So ist dafür gesorgt, dass der Mensch nicht durch geringfügige Verletzungen verblutet und die Wunde unter dem geronnenen Blut heilen kann.

Dabei spielt es keine Rolle, ob sich die Wunde unter Wasser oder an der Luft befindet. Die Blutgerinnung hängt nicht von der Anwesenheit von Sauerstoff ab.
Hochkomplexer Prozess der Blutstillung
Zur Blutgerinnung kommt es, wenn die Endothelschicht (innere Auskleidung der Blutgefäße) verletzt wird. Dies ist die Initialzündung für hochkomplexe, kaskadenartig ablaufende und noch dazu gegenregulierte Prozesse, die als Blutstillung bezeichnet werden.
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Unter Wasser: Gleiches Prinzip, längere Dauer
Die Wunde eines Tauchers verschließt sich auch unter Wasser, zweifellos dauert der Prozess unter diesen Umständen länger, da das Fibrinnetz aufgeweicht wird, bestimmte Enzyme ausgeschwemmt werden etc. Der Schnitt im Finger schließt sich unter laufendem Wasser natürlich auch langsamer, da das über den Finger strömende Wasser die äußerste Blutkruste auflöst oder abstreift.

Wer bei der Frage an den "Selbstmord in der Badewanne" denkt: Dieser funktioniert nur dann, wenn Arterien eröffnet werden. Bei dem hohen Druck in Arterien hat die physiologische Gerinnung das Nachsehen. Venöse Blutungen allerdings kommen auch im warmen Wasser zum Stillstand.
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Zusammenspiel von Blutplättchen und Gerinnungsfaktoren
Durch ein Zusammenspiel der Gefäßwand der Blutgefäße, der Blutplättchen, den so genannten Thrombozyten, und Gerinnungsfaktoren, das sind im Blut gelöste Eiweiße, werden Gefäßdefekte abgedichtet und Blutungen gestoppt.

Gleichzeitig sorgt der zweite Schenkel des Blutgerinnungssystems dafür, dass der Gerinnungsvorgang nicht über das Ziel hinausschießt und es zu großflächigen Thrombenbildungen und damit zur Verstopfung ganzer Teile des Gefässsystems kommt.
Durchtrennung der Endothelschicht löst Gerinnung aus ...
Alle Blutgefäße sind mit einer dünnen Zellschicht, dem Endothel ausgekleidet. Durch eine Verletzung, wie z. B. ein Schnitt in den Finger, wird diese Endothelschicht durchtrennt. So kommen die Thrombozyten mit Substanzen und Strukturen in Berührung, wie z.B. dem Protein Kollagen, mit denen sie normalerweise keinen Kontakt haben. Genau dieser ungewohnte Kontakt löst den Prozess der Blutgerinnung aus.
... auch bei stumpfen Verletzungen
Zu Verletzungen dieser Endothelschicht können neben Schnittwunden z.B. auch stumpfe Bauchtraumata oder andere Einflüsse führen. Der lebensrettende Mechanismus der Blutgerinnung wird also bei kleinen und großen, bei sichtbaren und unsichtbaren Verletzungen in Gang gesetzt wird.
Thrombozyten stopfen das "Leck" im Blutgefäß
Proteine wie Kollagen wirken auf die Thrombozyten wie Klebstoff. In Bruchteilen von Sekunden schichten sich Blutplättchen über das "Leck" im Blutgefäß und verstopfen es, wobei der v. Willebrand - Faktor eine Brücke zwischen Gefäßwand und Thrombozyten bildet.

Damit die Thrombozyten aber einen stabilen Wundverschluss bilden können, müssen sie miteinander durch feine Fasern verbunden werden.
Voraussetzung Fibrin: Feine Protein-Fasern
Diese Fasern bestehen aus Fibrin, ebenfalls einem Protein. Fibrin befindet sich allerdings nur in einer Vorstufe im Blut und wird erst im Bedarfsfall in einer komplexen Reaktionsfolge gebildet.

Das bedeutet: Ein Gerinnungsfaktor wird aktiviert, löst eine chemische Reaktion aus, diese aktiviert den nächsten Gerinnungsfaktor, der wiederum eine chemische Reaktion auslöst oder beschleunigt, somit den nächsten Gerinnungsfaktor aktiviert usw.
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Die dreizehn Schritte der Blutgerinnung
Der Einfachheit halber hat man die 13 verschiedenen Gerinnungsfaktoren mit römischen Zahlen durchnumeriert. Die Zahlen sind aber mit der Reihenfolge der Aktivierung bei der Blutgerinnung nicht identisch. ·
- I = Fibrinogen
- II = Prothrombin
- III = Gewebsthrombokinase (hier beginnt die exogene Aktivierung)
- IV = Kalzium
- V = Proaccelerin
- VI = ist kein selbständiger Faktor, weil es die aktivierte Form von V ist.
- VII = Proconvertin
- VIII = Hämophilie-A-Faktor
- IX = Hämophilie-B-Faktor
- X = Stuart-Prower-Faktor
- XII = Hagemann-Faktor (hier beginnt die endogene Aktivierung)
- XIII = Fibrin-stabilisierender Faktor
->   Mehr über Blutgerinnung (Roche Lexikon)
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Unterschiedliche Aktivierung der Reaktionsschritte
Die Gerinnungsfaktoren sind so ausgerichtet, dass sie, wenn sie einmal aktiviert sind, in einer Kettenreaktion genau aufeinander abgestimmte Schritte zur Herstellung des Fibrins durchlaufen.

Diese Reaktionsschritte können aber, je nach Art der Verletzung, unterschiedlich aktiviert werden.
Das exogene System: Blutverlust auf Minimum beschränken
Besteht die Wunde aus einer von außen zugefügten Verletzung des Gewebes, so wird das exogene System der Blutgerinnung aktiviert. Sobald Blut durch ein zerstörtes Gefäß in das Gewebe eintritt, wird der Gerinnungsfaktor III aktiviert.

Dieser Faktor "schubst" den Faktor VII an und so setzt sich die Gerinnungsreaktion fort. Das exogene System ist darauf ausgerichtet, sekundenschnell eine blutende Wunde zu verschließen, damit der Blutverlust auf ein Minimum beschränkt bleibt.
Endogenes System stillt Blutung im Inneren
Das endogene System der Blutgerinnung wird aktiviert, wenn Gefäße an ihrer Innenhaut beschädigt werden, aber keine Blutung in umliegendes Gewebe erfolgt. Durch Wunden an der Gefäßwand wird der Gerinnungsfaktor XII angeregt. Dieser aktiviert Faktor XI und der wiederum Faktor IX. So geht die Reaktion bis zur Bildung des Fibrins in einer festgelegten Reihenfolge weiter.

Das endogene System arbeitet langsamer, als das exogene, da bei einer endogenen Wunde kein schwerwiegender Blutverlust stattfindet.
Wie die Blutung gestoppt wird
Für das Funktionieren der Blutgerinnung ist es wichtig, dass Sicherungssysteme eingebaut sind. Damit sich das Blutgerinnsel nur an der Stelle der Verletzung bildet, und nicht das gesamte, verletzte Blutgefäß verschließt, verfügt der Körper über verschiedene Mechanismen, um die Blutgerinnung einzudämmen.

Diese Hemmstoffe sogenannte Inhibitoren wie z.B. Antithrombin III, Heparin, Protein C und Protein S können die Produktion von Fibrin stoppen, und sorgen so dafür, dass Fibrin seine Wirkung nur an der verletzten Stelle entfaltet.
Neue Gefäßwände bilden sich
Etwa zehn Minuten nach einer Verletzung weiten sich die Blutgefäße wieder und bei kleinen Verletzungen ist dann normalerweise die Wunde durch einen Blutpfropf verschlossen. In dieses Blutgerinnsel, wachsen dann nach und nach Gewebezellen ein und bilden eine neue Gefäßwand.
Blutgerinnsel wird abgebaut

Nachdem sich auch eine neue Endothelschicht gebildet hat, ist der Heilungsprozess abgeschlossen, und das Blutgerinnsel wird, im Rahmen der sogenannten Fibrinolyse, abgebaut.

Auf Grund der Komplexität des Systems läuft die Blutgerinnung, nicht immer fehlerfrei ab. Fehlt z.B. ein Faktor in der Gerinnungskaskade, kann es zu schwerwiegenden Störungen kommen.
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->   Das "Ask Your Scientist"-Archiv
->   Biotech-Verband imitiert Heilungsprozess des Körpers (12.2.03)
 
 
 
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