Jörg Flecker
FORBA -Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt
 
ORF ON Science :  Jörg Flecker :  Gesellschaft 
 
Jobchancen im IT-Sektor nach dem Hype  
  Der Fachkräftemangel im IT-Sektor beherrschte monatelang die Schlagzeilen der Wirtschaftsberichterstattung und wurde zu einem Standortnachteil ersten Ranges hochstilisiert. Was ist davon geblieben nach dem Ende des New Economy-Hypes und wie wirkt sich das auf die Jobchancen im IT-Sektor aus?  
Der IT-Fachkräftemangel: Reales und Fiktives
Von Manfred Krenn, FORBA

Der rasante Wachstumsprozess der IT-Branche der letzten Jahre, der inzwischen allerdings vorbei und einer Ernüchterung gewichen ist, hat die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich gezogen. In dieser Diskussion wurde Reales mit Fiktivem vermischt und damit ein Zerrbild der tatsächlichen Situation erzeugt.

In den IT-Unternehmen selbst wurde der in der Öffentlichkeit diskutierte Bedarf an IT-Fachkräften fast durchgehend als weit übertrieben erlebt. Das zeigt zumindest eine Studie, in die 20 Unternehmen der Branche in Wien einbezogen waren und die differenzierte Einblicke in personalpolitische Überlegungen und Strategien von IT-Unternehmen liefert.
Forschungsbericht
FORBA-Forschungsbericht 1/2002: Manfred Krenn, Ulrike Papouschek, Jörg Flecker: Personalpolitische Strategien im Informationstechnologie-Sektor und Vermittlungschancen nach Qualifizierungsmaßnahmen. Studie im Auftrag des AMS-Wien.
->   FORBA-Forschungsbericht 1/2002
Drei Faktoren bestimmen den Rückgang des "Fachkräftemangels"
Die scheinbar ungebremste Wachstumsdynamik im IT-Sektor ist weitgehend zum Stillstand gekommen. Der Markt hat sich verändert, der große Hype - und damit auch der große Mangel an Fachkräften - ist vorbei, viele Unternehmen befinden sich in einer Phase der Konsolidierung.

Als Hintergrund dieser Entwicklung werden v.a. drei Faktoren angeführt: Zum einen singuläre Großprojekte wie Euro- und Jahr-2000-Umstellung. Nachdem diese beiden Großprojekte vorüber sind, werden die dort gebundenen Kapazitäten an Fachpersonal wieder frei für andere Aufgaben, was den Bedarf an zusätzlichem Personal verringert.

Eine zweite wichtige Ursache wird in der allgemeinen Abschwächung der Konjunktur gesehen. Das bedeutet, dass viele Unternehmen Investitionsentscheidungen über IT-Projekte aufschieben oder überhaupt auf Eis legen.
Krise der New Economy
Ein weiterer Faktor ist die Krise in der New Economy selbst. Durch den Zusammenbruch von vielen so genannten Start-ups fallen diese zum einen für einen Teil der Dienstleister als Kunden aus.

Zum anderen befinden sich dadurch wieder viele IT-Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt und tragen dadurch ebenfalls zu einer Linderung des Fachkräftemangels bei.
Beschäftigungschancen für umgeschulte Arbeitskräfte
Bestanden in der Phase des expansiven Wachstums der Branche durchaus Möglichkeiten für QuereinsteigerInnen Fuß zu fassen, so legen die Ergebnisse unserer Studie den Schluss nahe, dass die aktuellen Chancen für umgeschulte Arbeitskräfte im IT-Sektor eher als gering einzustufen sind.

Das hat zum einen mit hohen fachlich-technischen Anforderungen an den meisten Arbeitsplätzen in der Branche zu tun, die in den letzten Jahren auch eindeutig gestiegen sind. Zum anderen aber auch entscheidend mit der Marktentwicklung, die zu einem Rückgang des Arbeitskräftebedarfs führte.
Verdrängungseffekte
Durch die Krise in der New Economy und den Zusammenbruch vieler Start-ups, aber auch durch den Personalabbau in großen IT-Unternehmen ist wieder mehr qualifiziertes Personal am Arbeitsmarkt, so dass Verdrängungseffekte von weniger Qualifizierten und umgeschulten Arbeitskräften im Gange sind.
Beschäftigungschancen für Frauen und Ältere
Der akute Fachkräftemangel in der Hype-Phase und die damit zusammenhängenden fehlenden Auslesemöglichkeiten haben durchaus Chancen für Frauen und ältere Arbeitskräfte, also jene Gruppen, die in der IT-Branche unterrepräsentiert sind, eröffnet.

Vor allem in Unternehmen mit starkem Wachstum und dementsprechend hohem Personalbedarf, etwa im Telekommunikationssektor, bestand gar nicht die Möglichkeit, Arbeitskräfte nach Faktoren wie Alter oder Geschlecht auszuwählen.
Geringer Frauenanteil im IT-Sektor trotz "Hype" stabil
Insgesamt allerdings hat auch die Hype-Phase nicht zu einem deutlichen Anwachsen des Beschäftigungsanteils von Frauen oder älteren Arbeitskräften im IT-Sektor geführt. Die männlich dominierten Personalstrukturen werden zwar in einigen Unternehmen als Problem wahrgenommen und münden in den verstärkten Wunsch nach einer höheren Frauenquote.

Aber das führt noch nicht zu aktiven Maßnahmen zur Veränderung dieses Zustandes, sondern verbleibt eher auf der Ebene passiven Abwartens. Im Großteil der befragten Unternehmen wird dieser Aspekt nicht einmal als besonderes Problem wahrgenommen - man findet sich mit der männlich dominierten Personalstruktur ab.
Schwerer Stand für ältere Arbeitskräfte
Einen schweren Stand im IT-Sektor haben nach wie vor ältere Arbeitskräfte. Auch wenn sich in Teilen der Branche das Bild und die Wahrnehmung Älterer verändert hat. Erfahrung wird als Wert, v.a. im Zusammenhang mit Projektmanagement-Aufgaben zunehmend geschätzt.
"Anpassung ist gefragt"
Insofern haben sich die Chancen Älterer für eine längeren Verbleib in Unternehmen dadurch erhöht. Bei der Rekrutierung setzen viele Unternehmen aber nach wie vor sehr stark auf junge HTL- oder FH-AbsolventInnen. Ausgenommen sind jene hochqualifizierten Spezialisten mit mehrjähriger Berufserfahrung, die dringend gesucht, aber kaum gefunden werden.

Die entscheidende Frage bleibt nach wie vor, ob, wie es ein Gesprächspartner formulierte, "Ältere auch wirklich den Drive haben, sich noch anzupasssen".
Resümee
Die Anforderungen, der Arbeitsdruck und die Arbeitszeiten sind im IT-Sektor jedoch gleich geblieben. Insofern haben sich die Rahmenbedingungen und damit die Beschäftigungschancen für Ältere und für Personen mit Betreuungspflichten, in der überwiegenden Mehrzahl Frauen, nicht entscheidend verbessert.
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