Christian Gastgeber
Österreichische Nationalbibliothek
BIBLOS-Redaktion und Österreichische Akademie der Wissenschaften, Institut für Byzanzforschung
 
ORF ON Science :  Christian Gastgeber :  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 
Buchdruck und Zensur unter den Habsburgern
Eine Ausstellung zum serbischen Buchdruck in der ÖNB
 
  Die Österreichische Nationalbibliothek zeigt gemeinsam mit dem Verein zur Förderung des Werkes von Vuk Stefanovic Karadzic in Kooperation mit der Bibliothek der Gesellschaft zur Förderung von Literatur und Kultur Matica srpska in Novi Sad und der Serbischen Nationalbibliothek in Belgrad ein Spektrum des serbischen Buchdruckes in Wien von 1741 bis 1900. Die Ausstellung gibt zugleich einen Einblick in die Einflussnahme des Kaiserhofes und die Kontrolle des Buchdrucks unter den Habsburgern.  
Das Ende des serbischen Buchdrucks 1638
Im Jahre 1638 erschien das letzte in serbischen Lettern gedruckte Buch in Venedig, damit endete auch der Druck serbischer Werke, wenn man von in Holz geschnitzten Abdrucken absieht. Den Bedarf an Büchern konnte weiterhin nur durch handschriftliche Abschriften oder durch "Importe" aus dem kaiserlichen Russland gedeckt werden.
Erste Bemühungen Ende des 17. Jahrhunderts und Ablehnung der Habsburger

Neue Anstrengungen zur Errichtung einer serbischen Druckerei dürften von dem Patriarchat in Pec ausgegangen sein. So sind Petitionen des Patriarchen Arsenije III. Carnojevic bekannt; der Kaiser kam jedoch den Ansuchen niemals nach. Diese Ablehnungen setzten sich auch im 18. Jahrhundert fort. Die dafür zuständige Illyrische Hofdeputation wollte es keinesfalls gestatten, dass an einem von ihr nicht kontrollierbaren Ort eine Druckerei entsteht, man wollte dies den Orthodoxen - wenn überhaupt - nur unter der Aufsicht der Katholischen Kirche gestatten, um so an richtiger Stelle Zensur betreiben zu können.
Der Erfolg der Beharrlichkeit
Die hartnäckigen Bemühungen des Metropoliten von Sremski Karlovci (Karlowitz) Petar Nenadovic machte es möglich, daß die Illyrische Hofdeputation dessen Bitte letztlich doch nachkam und die Errichtung einer Druckerei in Karlowitz gestattete. Dabei holte man sich in Wien Ratschläge bei dem Hof- und Universitätdrucker Leopold Johann Kaliwoda (1705-1781). Trotz der positiven Anfänge kam es dennoch nicht zur Einrichtung einer Druckerei in Karlowitz.
Erste Buchdrucke in Wien

Trotz der Verzögerung eines serbischen Buchdruckes mit eigener Druckerei wurden in den Jahren 1741 bis 1748 unterdessen in Wien einige grundlegende Werke gedruckt. 1741 erschien die ¿Darstellung der serbischen Wappen¿ von dem serbischen Graphiker Hristofor ¿efarovic in Kooperation mit dem Wiener Graveur Thomas Messmer. Auch in den folgenden Jahren wurden noch weitere Werke von ¿efarovic publiziert, darunter auch kaiserliche Privilegien.
Der Einfluss der russischen Orthodoxie: Handlungsbedarf für die Habsburger
Die ablehnende Haltung des Kaiserhofes einer eigenen serbischen Druckerei gegenüber bewirkte einen verstärkten Einfluss der russischen Orthodoxie, die sich als Nachfolger des griechischen Patriarchen und somit als Beschützer der Orthodoxen sah. Es wurden russische Lehrer nach Karlowitz geschickt, und es kam es zu einer verstärkten Verbreitung russischer Bücher und Ikonen. Dies hatte jedoch zur Folge, dass infolge einer solchen massiven Einwirkung die Sprache des Slavisch-Serbischen verdrängt wurde - begünstigt auch dadurch, dass man sich der russischen Sprache bediente (bis heute beim Gottesdienst üblich). Diese verstärkte ¿Russifizierung¿ war mit ein Grund zum Umdenken der Habsburger.
Die Gründung der serbischen Druckerei in Wien
1768 gewährte die Hofkammer die Errichtung einer eigenen Druckerei in Wien. Man begann Gespräch mit den Universitätsdrucker Joseph Kurzböck und dem Hofdrucker Thomas von Trattner. Am 14. Februar 1770 erhielt Kurzböck für 20 Jahre das Privilegium privatum zum Druck serbischer Bücher. Die dafür nötigen Lettern wurden von einem ehemaligen Mitarbeiter Trattners Magatsch erzeugt.
Der Einsatz des Staatzensors

Kurzböck konnte seine Arbeit allerdings erst nach der Ernennung eines Staatzensors beginnen. Dieser Zensor sollte sowohl der kaiserlichen Obrigkeit entsprechen als auch von der serbischen Kirchenhierarchie akzeptiert werden. Nach zwei Fehlbesetzungen für diesen Posten fand man auf Empfehlung des Karlowitzer Metropoliten in der Person des am 16. April 1772 zum Kaplan der Kirche des Hl. Georg am Steyrerhof ernannten Atanasije Demetrovic die geeignete Person. Insgesamt wurden in der Druckerei Kurzböcks (1770¿1792) 151 Bücher gedruckt, überwiegend Bücher religiösen Inhalts und in weiterer Folge Schulbücher, amtliche Schriftstücke, Lobreden auf berühmte Persönlichkeiten und einigen Werke der Belletristik.
Kritik am Wiener Buchdruck
Die Ablehnung gegenüber Kurzböck kam ganz deutlich 1790 zum Ausdruck, als die serbische Versammlung die Übernahme der Kurzböck¿schen Druckerei anstrebte ¿ um sie in serbischem Umfeld und auf serbischen Boden weiterzuführen. Das wollte der Kaiserhof nicht dulden, und Kurzböck erhielt das Privileg verlängert.
Der Verkauf der Druckerei

Bestätigung der Übernahme der Druckerei durch Novakovic, unterzeichnet von Kurzböck
Dennoch kam es sehr bald zu einer Wende: schon am 12. Februar 1792 schloss Kurzböck einen Vertrag mit dem serbischen Hofagenten der königlich-ungarischen Hofkanzlei Stefan Novakovic zum Verkauf seiner Druckerei. Der Kaiser genehmigte diesen Verkauf (und die Übertragung der Rechte; Novakovic hob besonders hervor, gute Bücher ohne Druckfehler drucken zu wollen und damit die Importe aus Russland zu konkurrieren). Doch übernahm sich Novakovic mit dieser Arbeit finanziell. Am 13. September 1795 wurde die Druckerei mit Genehmigung des Kaisers an die Universität in Pest verkauft.
Die Mechitaristen führend im Druck serbischer Werke

Im 19. Jahrhundert übernimmt die Druckerei der Mechitaristenkongregation in Wien (neben dem armenischen) auch für den slawischen Buchdruck eine entscheidende Rolle; so werden in Wien die Klassiker der serbischen Literatur- und Kulturgeschichte, allen voran die ersten Werke (ab 1818) des Reformers der serbischen Sprache Vuk Stefanovic Karad¿ic, gedruckt. In der Folge kommen dann weitere wichtige Werke der serbischen Literatur bei den Mechitaristen in Druck.
Vuk Stefanovic Karadzic, Serbisches Wörterbuch Wien 1818, 1852
 


...
Literatur zum Thema
Das serbische Buch in Wien 1741-1900, Katalog der Ausstellung, Beograd-Novi Sad-Wien 2002 (mit einem Beitrag von Dejan Medakovic zum serbischen Buch- und Zeitungsdruck in Wien im XVIII. und XIX. Jahrhundert).

Dejan Medakovic, Serben in Wien, Novi Sad: Prometej 2001
...
...

Infos zur Ausstellung
20. März bis 27. April 2002

DAS SERBISCHE BUCH IN WIEN 1741 - 1900

Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek, Josefsplatz 1, 1010 Wien

Mo-Sa 10-14 Uhr, Sonn- und Feiertag geschlossen
Verlängerte Öffnungszeiten zu Ostern: 30. März - 1. April 10-16 Uhr
Eintrittspreise: Euro 4,36 bzw. Euro 2,90 (Kinder bis 14 Jahre, Senioren, Behinderte, Studenten, Präsenz- und Zivildiener)
->   ÖNB-Veranstaltungen
...
 
 
 
ORF ON Science :  Christian Gastgeber :  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick