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Bewegung aus dem Nichts: Virtuelle Teilchen machen's möglich  
  "Nichts kann aus Nichts entstehen", lässt Shakespeare König Lear sinnieren. Physiker würden dieser Aussage jedoch nur unter Vorbehalt zustimmen. Wie ein israelischer Forscher in einer aktuellen Publikation zeigt, kann Materie durch das reine Nichts - nämlich das Vakuum - sehr wohl in Bewegung gesetzt werden. Der seltsame Effekt soll mit der gegenwärtigen Labortechnologie nachweisbar sein.  
Alexander Feigel vom Weizmann Institute of Science in Israel hat berechnet, dass die so genannten Fluktuationen des Vakuums gewisse Flüssigkeiten in einem elektrischen bzw. magnetischen Feld zur Bewegung anregen.

Bei den aktuell verwirklichbaren Feldstärken sollte dieser Effekt immerhin zu einer Geschwindigkeit von 50 Nanometern pro Sekunde führen.
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Der Artikel "Quantum Vacuum Contribution to the Momentum of Dielectric Media" von A. Feigel erschien in der Fachzeitschrift "Physical Review Letters" (Band 92, 020404, Ausgabe vom16.1.04).
->   Zum Original-Abstract
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Das Vakuum ist nicht wirklich leer
Dass das Vakuum nicht so leer ist, wie es gemäß seiner Alltagsdefinition scheinen mag, ist in Physiker-Kreisen wohlbekannt. Ein berühmter Nachweis dessen ist der so genannte Casimir-Effekt:

Hier werden zwei sehr nahe aneinander platzierte Platten einer Kraft ausgesetzt, weil so genannte virtuelle Photonen einer gewissen Wellenlänge (Teilchen, die aufgrund von Vakuumfluktuationen entstehen bzw. vergehen) nicht in dem engen Raum zwischen den Platten existieren können.
->   Virtual particles bei Wikipedia
->   FAQs about virtual particles (UCLA Riverside)
Alte Debatte im neuen Kleid
Ganz ähnlich verhält es sich mit dem nun von dem theoretischen Physiker Feigel vorhergesagten Effekt. Seiner Meinung nach beherbergt das Vakuum nicht nur virtuelle Teilchen sondern auch Bewegungsenergie - und diese sollte wiederum an Materie weitergegeben werden können.

Feigels Berechnungen gehen auf eine fachliche Kontroverse zwischen dem deutschen Physiker Max Abraham und dem russischen Mathematiker Hermann Minkowski zurück.
Zwei Lösungen für ein Problem
Diese gingen der Frage nach, wie sich die Ortsveränderung eines elektromagnetischen Feldes bei der Durchdringung von Materie physikalisch definieren lasse. Die vorgeschlagenen Lösungen der beiden Theoretiker waren - obwohl durchaus unterschiedlich - bis heute in Fachkreisen diskutabel.

Feigel konnte nun zeigen, dass die Abrahamsche Formulierung nur die Eigenschaften des elektromagnetischen Feldes berücksichtigt, während Minkowskis Lösung auch die Bewegung von Materie einbezieht.
Virtuelle Photonen weisen Asymmetrie auf
Darauf aufbauend berechnete er, welche Kraft auf Materie wirkt, wenn sie einer speziellen Anordnung von Feldern ausgesetzt wird. Er fand heraus, dass virtuelle Photonen bei ihrer Reise durch diesen Körper eine eigenartige Asymmetrie aufweisen.
Bewegung im Vakuum: 50 Nanometer pro Sekunde
Angenommen, man legte an das untersuchte Material ein aufwärts gerichtetes elektrisches sowie ein nordwärts gerichtetes Magnetfeld an, dann wiesen ostwärts wandernde virtuelle Teilchen eine andere Bewegungsenergie auf als jene, die in der Gegenrichtung unterwegs sind.

Auf jene Asymmetrie im Vakuum sollte laut Feigels Berechnungen die Materie mit einer Gegenbewegung reagieren - und diese müsste wiederum experimentell erfassbar sein.

Bei einer elektrischen Feldstärke von 100.000 Volt pro Meter und einer magnetischen Flussdichte von 17 Tesla - Werte die zur Zeit im Labor realisierbar sind - sollte sich das Material immerhin 50 Nanometer pro Sekunde bewegen, schreibt Feigel in seiner Arbeit.
Resonanz: "Nett, elegant" und "gewieft"
Fachkollege Rodney Loudon von der University of Essex bescheinigt der Arbeit von Feigel eine "nette und elegante" Vorgehensweise und hält den vorhergesagten Effekt für real.

Auch Ulf Leonhardt von der University of St. Andrews stellt der Studie ein positives Zeugnis aus: Einige physikalische Subtilitäten seien zwar unter den Teppich gekehrt worden, nichts desto trotz sei die Grundidee der Studie "äußerst gewieft".
->   Weizmann Institute of Science
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
->   Der Casimir-Effekt: Die Kraft aus dem Nichts (5.11.02)
->   Winzige Schwarze Löcher in der Erdatmosphäre? (4.12.03)
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01.01.2010