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Das subjektive Reich der Sinne  
  Über Geschmack lässt sich bekanntlich bestens debattieren - das gilt nicht nur für ästhetische Urteile, sondern betrifft auch die Sinnesorgane. Warum gewisse Empfindungen von Menschen bisweilen unterschiedlich erlebt werden, versuchen gegenwärtige mehrere Forscherteams zu klären. Der Grundtenor der diesbezüglichen Studien: Die Tendenz zur Subjektivität herrscht bereits auf der grundlegendsten physiologischen Ebene. Denn jeder Mensch ist mit einer einzigartigen Kombination von Sinnesrezeptoren ausgestattet.  
Wie aus groß angelegten genetischen Untersuchungen hervorgeht, ist die Sinneswelt eines jeden Menschen ein echtes Unikat. Das gilt für Geruch, Geschmack und unter Einschränkung sogar für das Sehen.
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Zu diesem Thema erschien in der Zeitschrift "New Scientist" der Übersichtsartikel "In the realm of your senses" von Richard Hollingham (Ausgabe vom 31.1.04, S. 40-3).
->   "New Scientist"
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Wie erleben meine Mitmenschen die Welt?
Wer hat sich diese Frage nicht schon einmal gestellt: Erleben meine Mitmenschen die Welt genauso, wie auch ich es tue? Oder ist sie vielleicht qualitativ völlig anders gestaltet? Im strengen Sinn ist diese Frage freilich unbeantwortbar.

Denn nachdem subjektives Empfinden definitionsgemäß auf die Ich-Perspektive beschränkt ist, kann es auch nicht mit anderen geteilt werden. Daher muss sich die Naturwissenschaft in Bezug auf das "Problem des Fremdpsychischen", wie es im einschlägigen Jargon bezeichnet wird, in Bescheidenheit üben.

In diesem Zusammenhang hat die berühmte Formel eines "Ignorabimus" ("Wir werden es nicht wissen"), vom Naturforscher Emil Du Bois-Reymond bereits Ende des 19. Jahrhunderts artikuliert, auch heute noch Gültigkeit.
->   Emil Du Bois-Reymond: Die sieben Welträtsel (freenet.de)
Der indirekte Blick in die Psyche
Aber es gibt zumindest Möglichkeiten, die Welt des subjektiven Empfindens indirekt zu beleuchten - und so einen Vergleich zwischen Personen anzustellen.

Eine davon ist etwa die Vorgehensweise der modernen Neurobiologie, bei der man kognitive Vorgänge durch die Aktivität von Nervenzellen abzubilden versucht.
Genetik der Sinnesrezeptoren
Eine andere Strategie packt das Problem auf einer noch grundlegenderen Ebene an. Genetiker aller Herren Länder versuchen gegenwärtig die Variabilität jener Moleküle aufzudecken, mit denen wir mit der Welt in Kontakt treten: die Sinnesrezeptoren.
Geruch: 400 verschiedene Rezeptorproteine
Was den Geruchssinn betrifft, kann der Mensch rund 10.000 Gerüche mit Hilfe von 400 Rezeptorproteinen unterscheiden. Interessanterweise gibt es rund 1.000 Gene, die in die Geruchs-Kategorie eingeordnet werden.

Nach der Veröffentlichung einer Arbeitsgruppe vom Weizmann Institute of Science ist nun auch klar, warum das so ist: Bei mehr als der Hälfte dieser Gene handelt es sich um so genannte Pseudogene, d.h. funktionslose Abkömmlinge von Erbfaktoren.
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"Different noses for different people" von Idan Menashe, Orna Man, Doron Lancet und Yoav Gilad erschien in der Zeitschrift "Nature Genetics" (Band 34, S. 143-4, Ausgabe vom 5.5.03).
->   Zum Original-Abstract
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Tauschgeschäft "Sehen statt Riechen"
Forscher vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig haben dieser Erkenntnis kürzlich einen evolutionären Dreh verliehen. Sie argumentieren, dass sich unser eher unterdurchschnittliches Geruchsvermögen an der Degeneration von ehemals funktionstüchtigen Genen ablesen lasse.

Dabei handelt es sich gewissermaßen um das evolutionäre Tauschgeschäft "Sehen statt Riechen": Höhere Primaten wie der Mensch besitzen drei Pigmente zur Farbwahrnehmung, niedrigere Primatenarten müssen mit nur zwei Typen solcher Moleküle auskommen.
->   Mehr dazu: Geruchsverlust des Menschen für besseres Augenlicht (21.1.04)
Jede Person lebt in einzigartiger Sinneswelt
Interessant ist, dass die Geruchs-Gene auch in äußerst vielen Varianten vorkommen. Das bedeutet, dass vermutlich jeder Mensch mit einer ganz individuellen Komposition solcher Erbfaktoren ausgestattet ist.

Dies gilt z.B. auch in Bezug auf Geschmacks-Gene. Paul Bresdlin vom Monell Chemical Senses Center in Philadelphia leitet daraus gegenüber "New Scientist" eine Schlussfolgerung ab, die einem konstruktivistischen Lehrtext entnommen sein könnte.

"Keine zwei Personen leben in der selben Sinneswelt. Die Welt, die man sieht, das Essen, das man schmeckt, die Düfte, die man riecht - all das nimmt man in einer einzigartigen Art und Weise wahr", so der US-amerikanische Neurowissenschaftler.
Besonderheit: Vierfarbiges Sehen
In punkto Sehen gibt es zwar keine so große Vielfalt an Rezeptoren, aber auch hier existieren bemerkenswerte Ausreißer. Die für die Sehzapfen zuständigen Gene können bei Frauen in einer zusätzlichen funktionsfähigen Variante vorliegen.

Einige davon scheinen die Welt damit tatsächlich tetrachromatisch (d.h. mit vier- statt drei "Grundfarben") wahrnehmen zu können. Psychologische Untersuchungen zeigen, dass sie offensichtlich Grünschattierungen differenzieren, die dem Normalsterblichen völlig gleich erscheinen.

Was solche Personen genau empfinden, entzieht sich leider der Perspektive der dritten Person, in die sich der Forscher notgedrungen begeben muss.
->   Mehr zum Farbensehen bei sinnesphysiologie.de
Gute Frage: "Wie ist es, eine Fledermaus zu sein?"
Solche Fragen fallen daher weniger in den Bereich der Wissenschaft, sondern eher der Philosophie. Dort setzt man sich schon seit langem mit solchen Problemen auseinander.

Klassisch ist etwa die Formulierung des Philosophen Thomas Nagel, der bereits im Jahr 1974 die knifflige Frage stellte: "Wie ist es, eine Fledermaus zu sein?" Die dadurch entfachte Diskussion ist auch heute noch im Gang, nur die endgültige Antwort lässt noch auf sich warten.

Robert Czepel, science.ORF.at
->   Thomas Nagel: What is it like to be a bat? (aol.com)
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
->   Der Mensch: Gehör und Geruchssinn ausschlaggebend? (11.12.03)
->   Signalumwandlung im Ohr: Rezeptor identifiziert (13.6.03)
->   Wie die Nase lernt, Gerüche wahrzunehmen (24.10.02)
->   Wie entsteht die Welt im Kopf? (17.7.02)
->   Mehr zu den Sinnen des Menschen im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010