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Wie "Mega-Technik" die Erderwärmung aufhalten soll  
  Die Erderwärmung gilt mittlerweile als Tatsache. Die große Frage: Wie soll man dieser Entwicklung Einhalt gebieten? Eine Reihe von Forschern liebäugelt zunehmend mit der Idee des "Mega-Engineering": Bizarr anmutende Konstruktionen wie etwa ein riesiger Spiegel, der Sonnenlicht zurück ins Weltall strahlen soll. Ein solcher "globaler Thermostat" könnte dramatische und unvorhersehbare Auswirkungen haben, argumentieren dagegen die Kritiker dieser Gedankenspiele.  
Die diversen Ansätze, Hintergründe und Probleme der durchaus ernstgemeinten "Mega-Konstruktionen" beleuchtet ein Artikel im Wissenschaftsmagazin "New Scientist".
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Der Artikle "A mirror to cool the world" von Fred Pearce ist erschienen in der aktuellen Ausgabe des "New Scientist", Seiten 26 - 29 (27.3.04).
->   "New Scientist"
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Globale Erderwärmung - eine Tatsache
Die Aussichten sind trübe: Ja nach zugrundeliegendem Modell prognostizieren Forscher eine mehr oder minder starke Erwärmung des Planeten Erde - mit potenziell verheerenden Folgen für die Bewohner.
"Mega-Engineering" als Ausweg?
Wie aber ist dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten? Eine Reihe von Forschern geht dabei ziemlich bizarr anmutende (Gedanken-)Wege. Sie schlagen unterschiedliche Methoden des "Mega-Engineering" vor.

Mit anderen Worten: Technische Konstruktionen oder auch Umweltmanipulationen im großen Maßstab. Ein Vorschlag beinhaltet etwa eine Art riesigen "Spiegel", der auf die Erde einstrahlendes Sonnenlicht zurück ins Weltall reflektieren soll.
Zunehmendes Interesse an der Idee
Bis vor kurzem hätten Klimaforscher solche Ideen mehrheitlich abgelehnt, berichtet nun Fred Pearce im "New Scientist". Doch die Situation ändert sich offenbar.

Selbst führende Klimaforscher wie etwa Bert Bolin, ehemals Vorsitzender des Intergovernmental Panel on Climate Change der UNO, sehen diese Vorschläge demnach mit zunehmendem Interesse.
->   Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)
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Ursachen für den Wandel: Kyoto und abrupter Klimawechsel
Dieses Umdenken hat laut Pearce zwei Gründe: Zum einen das fortgesetzte politische Hin und Her um das Kyoto-Protokoll. Das Abkommen ist noch immer nicht in Kraft, mittlerweile scheint fraglich, ob es überhaupt noch ratifiziert wird. Ganz zu schweigen von der Frage, ob die darin festgelegten Reduktionen an Treibhausgas-Emissionen ausreichend sind, der prognostizierten Erwärmung tatsächlich Einhalt zu gebieten.

Zudem befürchten manche Forscher, dass ein gravierender klimatischer Wechsel sehr viel früher kommen könnte, als derzeit in den konventionellen Modellen vorausgesagt wird. Ein abrupt stoppender Golfstrom etwa könnte Maßnahmen in einem Zeitraum von wenigen Jahren dringend notwendig machen, meinen diese Experten.
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Zwei Hauptstrategien des "Mega-Engineering"
Bei einer Konferenz im Jänner haben nun Forscher in Cambridge über die diversen Technologien im Rahmen des "Mega-Engineering" für den Klimaschutz diskutiert.

Diese wiederum lassen sich in zwei Hauptbereiche aufteilen: Diverse Ansätze wollen den Treibhaus-Effekt aufhalten, indem sie das klimaschädigende Gas CO2 "einfangen" und einlagern - beispielsweise tief in den Ozeanen der Erde.

Die zweite Reihe der Mega-Konstruktionen lässt den CO2-Gehalt mehr oder minder ungehindert in der Atmosphäre anwachsen. Der Erwärmung soll vielmehr Einhalt geboten werden durch a) eine Abschirmung der Erde von der Sonne oder b) durch Modifikationen der Umwelt, die dann wiederum mehr Sonnenstrahlung zurück ins Weltall reflektieren und so zur Abkühlung beitragen.
Albedo-Manipulation: Ideen seit den 60er Jahren
Das Rückstrahlvermögen der Erde - die so genannte Albedo - zu verändern, wäre laut Pearce tatsächlich der schnellste Weg, die Klimaerwärmung zu stoppen. Und Ideen dazu gibt es seit geraumer Zeit.

Bereits Mitte der 1960er Jahre schlugen beispielsweise US-Forscher vor, Milliarden von kleinen reflektierenden Objekten wie etwa weiße Golfbälle über die tropischen Ozeane zu verteilen.

Und 1982 entwarf der russische Forscher Mikhail Budyko ein Szenario, das vulkanische Eruptionen nachahmen sollte: Lichtreflektierende Partikel, die in großer Zahl in die Stratosphäre eingebracht werden.
Aluminiumballons und der gigantische "Spiegel"
Jüngere Entwürfe von Forschern um den mittlerweile verstorbenen Physiker Edward Teller vom Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien beinhalten Millionen winzige Aluminiumballons, die - gefüllt mit Wasserstoff - in der Stratosphäre schweben könnten.

Ein weiterer Ansatz des Teller-Kollgen Lowell Wood ist der erwähnte gigantische "Spiegel", der zwischen Erde und Sonne installiert werden könnte, um solare Strahlung von der Erde weg zu reflektieren.
->   Lawrence Livermore National Laboratory
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Oder auch: Weißere Wolken für mehr Rückstrahlung
John Latham wiederum vom amerikanischen National Center for Atmospheric Research in Boulder, Colorado, schlägt eine Methode vor, die sehr viel simpler klingt: Er will Wolken weißer machen, und auf diesen Weise einen stärkeren Rückstrahleffekt erzielen. Dabei handelt es sich ganz einfach um eine Variation der alten Idee, Wolken zu erzeugen, um "Regen zu machen".

Dafür müssten man allerdings eine Art modifizierter "Regen-Maschinen" in großer Anzahl über die Weltmeere verteilen. Diese sollen Kondensationskeime in die Atmosphäre blasen - und damit die Tropfenbildung in den Wolken anregen. Stephen Salter von der University of Edinburgh hat laut Latham einen Protopyen entwickelt, der eigentlich dem "Regenmachen" dienen soll - aber auch für Lathams Idee verwendet werden könnte.
->   National Center for Atmospheric Research
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Offensichtliche Probleme: Machbarkeit, Kosten
All diese Vorschläge führen natürlich zu sehr offensichtlichen Problemen wie der Machbarkeit oder den - tendenziell gigantischen - Kosten für solche Konstruktionen.
Kritiker: Mögliche dramatische Folgen
Kritiker verweisen zudem auf einen weiteren Aspekt: Mit etwas so entscheidendem und wenig erforschten wie der Sonnenstrahlung herumzuspielen, könnte dramatische und unvorhergesehene Konsequenzen für das Klima auf der Erde haben, warnen sie.
Beispiel UV-Strahlung: Ersticken unterm Sonnenschirm
Folgt man etwa der von Lowell Wood vorgeschlagenen Strategie, so entstünden ideale Bedingungen für die rapide Zerstörung der schützenden Ozonschicht, führt Fred Pearce in seinem Artikel aus. Woods Entgegnung: Seine Methode würde auch UV-Strahlung herausfiltern.

Doch selbst diese hat ihre Rolle in der Atmosphärenchemie, wie der Chemiker und Umweltwissenschaftler Peter Liss von der University of East Anglia ausführt. UV erzeuge Hydroxyl, warnt er - den "chemischen Reiniger der Atmosphäre".

Ohne UV würden demnach alle möglichen verschmutzenden Gase wie Methan oder auch Smog-Bestandteile sich in gefährlichen Mengen anhäufen. "Wir könnten bald unter unserem planetaren Sonnenschirm ersticken", bringt Pearce die möglichen Folgen auf den Punkt.
->   Arbeitsgruppe Peter Liss (University of East Anglia)
Viele Einwände, offene Fragen
Die Reihe der Einwände gehen die diversen Methoden des "Mega-Engineering" ist lang. Am wahrscheinlichsten ist es laut Pearces Artikel im "New Scientist" noch, dass Techniken der Absorption und Lagerung von CO2 - etwa im Meeresboden - zur Anwendung kommen. Doch auch hier sind Aspekte wie Sicherheit und Umweltverträglichkeit noch unklar.

Und selbst wenn diese Technologien plangemäß funktionieren würden, bliebe immer noch eine wichtige Frage offen: Was tun mit der immensen Kontrolle, die die Menschheit mit dem "globalen Thermostat" über das Erdklima hätte. Wessen Hand würde dieses Instrument kontrollieren?

Man könnte damit die Temperatur der Erde ganz nach Wunsch einstellen, meint etwa Lowell Wood. "Falls notwendig, könnten wir eine neue Eiszeit stoppen." Genauso leicht aber könnte man damit eine solche Katastrophe auch auslösen.

Sabine Aßmann, science.ORF.at
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01.01.2010