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Farben hören, Formen schmecken  
  Bei manchen Menschen löst ein Reiz unwillkürlich Verbindungen unterschiedlicher Sinnesempfindungen aus. Wissenschaftler sind dem Verständnis der Voraussetzungen dafür jetzt einen Schritt näher.  
Nur wenn die auslösenden Reize ins Bewusstsein vordringen, werden die entsprechenden Empfindungskombinationen ausgelöst, so ein Artikel im Nature Magazin.

Das Phänomen Synästhesie liefert damit auch einen weiteren Schlüssel für das Verständnis, wie Information im Hirn gespeichert wird.
Rote "i's", ein blauer Rachmaninow...
...Minze als kühle Glasröhre - wenn Synästhetiker Buchstaben lesen oder Musik hören, sehen sie bestimmte Farben, andere verbinden Geschmacksrichtungen automatisch mit gewissen Formen.
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Synästhesie
Bei der häufigsten Form der Synästhesie (griech.: syn: zusammen, aisthesis: Empfindung, Wahrnehmung) werden Gehörtes oder Gesehenes wie z.B. Sprache, Musik oder Geräusche unwillkürlich zusammen mit Sekundärempfindungen
(Farben, geometrische Formen oder Farbmuster) wahrgenommen. Der primäre Auslöser, also Wahrnehmungen über das Ohr, und die optischen Sekundärempfindungen werden dabei als Einheit erlebt. Die Synästhesien sind außerdem individuell einzigartig, sie werden von jeder betroffenen Person anders erlebt.
->   Synästhesie-Überblick
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Einer von 2.000 bis 25.000 Menschen soll laut Schätzungen Synästhetiker sein. Auffallend ist, dass hauptsächlich Linkshänder und deutlich mehr Frauen als Männer betroffen sind. Das Phänomen besteht von Geburt an, begleitet einen Menschen sein Leben lang und ist außerdem vererbbar.
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Phänomen schon lange bekannt
In der wissenschaftlichen Literatur werden Synästhesien seit etwa 300 Jahren beschrieben. Die häufigste Form ist die Verbindung von Gehörtem mit Farben. Einer der bekanntesten Synästhetiker war der russische Schriftsteller Vladimir Nabokov. Die erste systematische Bearbeitung der Synästhesie lieferte 1883 der britische Wissenschafter Francis Galton. Erst in den vergangenen Jahren begann allerdings die verstärkte psychologische und neurowissenschaftliche Beschäftigung mit dem Phänomen.
->   Ausführliche Informationen zur Synästhesie
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Ursachen nicht genau bekannt
Die Ursachen des Phänomens sind nicht genau bekannt, neurowissenschaftliche Untersuchungen haben aber gezeigt, dass die Gehirne von Synästhetikern offensichtlich anders "verschaltet" sind. Bei einem Hörreiz zum Beispiel ist bei ihnen nicht nur das Hörzentrum, sondern auch das Sehzentrum nachweislich aktiv.
Voraussetzung Bewusstsein
Nur, wenn ein Reiz bewusst wahrgenommen wird, kommt es bei Synästhetikern auch zu den Sekundärempfindungen, wie australische Wissenschafter kürzlich an Testpersonen nachgewiesen haben, die einzelne Buchstaben immer mit bestimmten Farben verbinden.
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Von der Form zur Farbe
Die Testpersonen bekamen eine halbe Sekunde lang Buchstaben zu sehen. Danach wurde ihnen ein buntes Rechteck gezeigt, dessen Farbe sie so schnell wie möglich bestimmen sollten. Stimmte die Farbe mit der überein, die der Buchstabe normalerweise bei ihnen hervorruft, konnten sie die Personen der Testgruppe schneller benennen, als eine nicht-synästhetische Kontrollgruppe. Wenn eine Testperson also zum Beispiel "i" sah, das sie automatisch mit blau verband, lag ihr das Wort "blau" sozusagen schon auf der Zunge - und sie konnte das anschließende blaue Rechteck um entscheidende Bruchteile von Sekunden schneller benennen als die Kontrollgruppe.
Entsprachen Buchstabe und Farbe sich jedoch nicht, brauchten die Synästhetiker entschieden länger. (Nature Vol.410, 2001).
->   Nature (kostenpflichtig)
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Wenn den Testpersonen der Buchstabe hingegen nur wenige tausendstel Sekunden gezeigt wurde, sie ihn also nicht bewusst wahrnehmen konnten, hatte das auch keinen Einfluss mehr darauf, wie schnell sie anschließend Farben benennen konnten.


Birgit Dalheimer, Ö1-Wissenschaft
Wie speichert Hirn Information
Diese Testergebnisse liefern auch neue Hinweise für die allgemeine Diskussion, in welcher Form unbewusste Information im Hirn gespeichert wird: ob zum Beispiel die Eigenschaften eines Objekts, wie etwa Farbe, Form, Geschmack, im Unbewussten gebündelt gespeichert sind oder nicht. Die Ergebnisse der australischen Wissenschafter sprechen dafür, dass erst mithilfe des Bewusstseins ein einheitliches Bild entsteht.
Nature Original-Beitrag (kostenpflichtig):
->   Cognitive neuroscience: Colour my i's blue
->   Unconscious priming eliminates automatic binding of colour and alphanumeric form in synaesthesia
 
 
 
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01.01.2010