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Innsbrucker Physiker "beamen" erstmals Atome  
  Österreich scheint immer mehr zum Mekka der Quantenphysik zu werden: Innsbrucker Wissenschaftlern gelang erstmals die Teleportation eines Atoms. Dabei wurde Quanteninformation von einem Kalzium-Ion auf ein zweites übertragen.  
Bild: Nature
"Nature"-Cover
Von den Experimenten der Physikergruppe um Rainer Blatt, Leiter einer von fünf Gruppen des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation (QOQ) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), berichtet die aktuelle Coverstory von "Nature".

Für viel Echo sorgen bereits seit Jahren die Teleportations-Experimente an Lichtteilchen (Photonen) vom Wiener Teil des QOQ um Anton Zeilinger.
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Die Studie "Deterministic quantum teleportation with atoms" ist in "Nature" (Bd. 429, S. 734, Ausgabe vom 17. Juni 2004) erschienen.
->   Original-Abstract in "Nature"
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Messung verändert Zustand
Bild: C.Lackner
Verwendete Ionen-Falle
Mit Teleportation wie im Science-Fiction, wo ganze Menschen "gebeamt" werden, haben die Experimente der Physiker freilich nichts zu tun. In der Experimentalphysik wird nicht Materie irgendwelcher Art von A nach B übertragen, sondern Information - genau gesagt: Quanteninformation - über scheinbar beliebige Distanzen.

In der Quantenphysik verhält sich vieles nicht so, wie wir es vom täglichen Leben gewohnt sind. So gilt es etwa als unmöglich, den genauen Zustand eines Teilchens - sei es eines Lichtteilchens (Photons) oder auch eines Atoms - zu messen, ohne ihn zu beeinflussen.

Im Falle der von Blatt eingesetzten Kalzium-Ionen bedeutet dies: Wenn man etwa den Anregungszustand der Elektronen bestimmen will, kann man das zwar tun, durch die Messung wird der Zustand aber schlagartig verändert.
Verschränkte Teilchen haben gleiche Eigenschaften
Doch seit einigen Jahren ist klar, dass sich dieses Dilemma durch die Zuhilfenahme anderer Quanteneffekte zwar nicht ausschalten, aber doch umgehen lässt. Wie auch Zeilinger etwa bei seinen Photonen setzt Blatt auf die so genannte Verschränkung.

Es handelt sich dabei um eine höchst seltsam anmutende Verbindung, die zwei Teilchen eingehen können und dann wie über einen unsichtbaren Faden mit einander verbunden sind - Albert Einstein nannte sie die "spukhafte Fernwirkung".

Manipuliert man eines der verschränkten Teilchen - etwa im Zuge einer Messung - so manifestiert sich die Änderung schlagartig auch beim anderen, ohne dass man dieses auch noch messen müsste.
->   Mehr dazu: Quantenkommunikation erstmals im freien Raum (20.6.03)
Verschränkung von Kalzium-Ionen
 
Bild: APA/C.Lackner

Forschungsteammitglied Christian Roos bei der Teleportation

Während verschränkte Photonen etwa in Kristallen hergestellt werden, läuft der Prozess bei Atomen anders. Die Kalzium-Ionen (ein Elektron in der Hülle fehlt) werden dazu nahe dem absoluten Nullpunkt abgekühlt, bis sie sich alle, perlschnurartig aufgereiht, in einem energetischen Grundzustand befinden.

Beschießt man dann eines der Ionen mit einem kurzen Laser-Impuls, so stößt das Ion auch die Nachbar-Ionen an. Letztendlich machen alle Teilchen der Reihe die gleiche Bewegung, ohne dass klar ist, von welchem der Impuls ausging.

Und genau das, erklärte Blatt gegenüber der APA, ist eine Voraussetzung für die Verschränkung. Anschließend wird der Impuls - ebenfalls durch einen Laser - gleichsam wieder aus dem Verband herausgesaugt und die Atome nehmen wieder den Grundzustand ein.
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Erst Anfang Juni war in "Science" eine Studie der Arbeitsgruppe von Rainer Blatt erschienen, in der sie von einer aus drei Kalzium-Ionen bestehende Minimalversion eines Quantencomputers berichteten.
->   Mehr dazu in: Forscher rücken Quantencomputer näher (3.6.04)
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Quanteninformation von drei Ionen
Bild: C.Lackner
Innerer Teil der verwendeten Ionen-Falle
Aus dem Verband wählten die Wissenschaftler dann zwei Ionen, etwa Ion 2 und Ion 3 genannt. Die Aufgabe war nun, den Anregungszustand eines neu ins Spiel kommenden Kalzuim-Ions (Ion 1) auf Ion 3 zu übertragen. Ion 2, das ja mit Ion 3 verschränkt ist, dient dabei als Vermittler.

Dazu werden Ion 1 und Ion 2 gemessen und verglichen. Sind die Zustände gleich, so weiß man, dass auch 3 mit 1 ident ist, da 2 und 3 ja verschränkt wurden. Ist 2 jedoch in einem anderen Zustand als 1, so kann der Experimentator, da er den Zustand von 3 kennt, ohne es zu messen, durch eine gezielte Manipulation, den ursprünglichen Zustand von 1 am Ion 3 herstellen. Die exakte Quanteninformation wurde also von 1 auf 3 übertragen - und zwar über eine Entfernung von zehn Mikrometern.

Hintergrund: "Deterministic quantum teleportation with atoms" (pdf-Datei)
Arbeit an Quantencomputern
Die Innsbrucker Physiker arbeiten mittlerweile auch an Quantencomputern. Dabei machen sich die Wissenschafter den Umstand zu Nutze, dass Quanten nicht nur in zwei Zuständen existieren können, erst bei der Messung nehmen sie einen dieser beiden Zustände (angeregt oder nicht angeregt) ein.

Tatsächlich gibt es aber unendlich viele mögliche Zustände dazwischen, so genannte Superpositionen. Damit könnten etwa Daten wesentlich effektiver gespeichert werden als mit bisher üblichen binären Speichersystemen.

Von ähnlichen Ergebnissen wie jenen der Gruppe Blatt wird in "Nature" auch vom amerikanischen National Institute of Standards and Technology (NIST) berichtet.

Mehr über Rainer Blatt: "Beam-Professor" ein humorvoller Rheinländer (oesterreich.ORF.at)
->   Institut für Experimentalphysik, Universität Innsbruck
->   Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (ÖAW)
->   National Institute of Standards and Technology (NIST)
Aktuelle Beiträge zum Thema:
->   Verschränkte Teilchen überwinden Gesetze der Optik (13.5.04)
->   Weltweit erste Banküberweisung mit Quantenkryptographie (21.4.04)
->   Mit kalten Gasen zum Quantencomputer (11.7.03)
->   science.ORF.at-Archiv zum Thema
 
 
 
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01.01.2010