News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 
Nimmt die Lichtgeschwindigkeit zu?  
  Die Physik beruht auf einer Reihe unveränderlicher Größen, den so genannten Fundamentalkonstanten. Die bekannteste ist die Lichtgeschwindigkeit. Wenn sich beweisen lässt, dass eine der Konstanten gar nicht so konstant ist, dann wirkt sich das auch auf die anderen aus. US-Forscher ist dies durch die Analyse von Daten eines natürlichen Kernreaktors nun gelungen - die Lichtgeschwindigkeit nimmt ihnen zufolge zu.  
Zu diesen, die Grundfesten der Physik möglicherweise erschütternden Resultaten kommen Steve Lamoreaux vom Los Alamos National Lab (LANL) und sein Team. Sie haben Daten des Naturreaktors in Oklo, im afrikanischen Gabun, neu analysiert.

Dabei haben sie eine Abnahme der so genannten Feinstrukturkonstante errechnet, was sich indirekt auf die Lichtgeschwindigkeit auswirkt, wie das Wissenschaftsmagazin "New Scientist" berichtet.
...
Der Artikel "Speed of light may have changed recently..." ist im "New Scientist" (S. 6. Ausgabe vom 3. Juli 2004) erschienen.
->   Der Artikel im "New Scientist"
...
Natürlicher Kernreaktor spaltete Uran
Bei Oklo handelt es sich um eine 1972 entdeckte Uranlagerstätte, in der vor rund 1,7 Milliarden Jahren durch eine natürlich entstandene Urankonzentration eine nukleare Kettenreaktion begonnen hatte. Dies schloss man aus den ungewöhnlichen Isotopen-Zusammensetzungen der gefundenen Uranerze, auch in den Spurenelementen.

Der Kernreaktor war ca. 500.000 Jahre lang in Betrieb, ehe er erlosch. Dabei wurden mehrere Tonnen Uran nuklear gespalten und entsprechende Mengen Plutonium erzeugt.
->   Natürlicher Nuklearreaktor in Oklo (Curtin University)
Diskussion um Feinstrukturkonstante
Bei der bereits länger anhaltenden Diskussion um die Variabilität oder Konstanz der Feinstrukturkonstante α spielte der Naturreaktor von Oklo immer eine wichtige Rolle.

Mehrere Studien, die die relativen Anteile der verbliebenen radioaktiven Isotopen untersucht haben, kamen zu dem Schluss, dass die Kernreaktionen damals wie heute gleich abgelaufen sind. Und das bedeutet indirekt, dass sich auch α nicht verändert hat.
...
Feinstrukturkonstante α
Die Feinstrukturkonstante α ist eine vom deutschen Physiker Arnold Johannes Wilhelm Sommerfeld eingeführte dimensionslose Konstante bei der relativistischen Behandlung der Feinstruktur von Atomspektren. Sie ist ein Maß für die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung (d.h. der Kopplung geladener Teilchen mit Photonen). Im Bohrschen Atommodell kann man sie als das Verhältnis der Umlaufgeschwindigkeit des Elektrons im Grundzustand des Wasserstoffatoms zur Lichtgeschwindigkeit auffassen.
->   Mehr über α inWikipedia
...
Neue Analyse, überraschende Ergebnisse
Daraus sei, so Steve Lamoreaux im "New Scientist", ein fester Beweis für die Unerschütterlichkeit der Naturkonstante α geworden. Sein Team hat in einer Studie aber nun die Energiespektren der vorhandenen Neutronen im ehemaligen Reaktor noch einmal untersucht - mit überraschenden Resultaten.

Die Feinstrukturkonstante hätte sich demnach etwa um ein halbes Milliardstel ihres Wertes (4.5 mal 10 hoch minus acht) seit seinem Erlöschen reduziert. Und das führe - vorausgesetzt, dass die anderen Naturkonstanten gleich geblieben sind - notwendigerweise zu einer geringfügigen Zunahme der Lichtgeschwindigkeit.
...
Die entsprechende Studie "Neutron moderation in the Oklo natural reactor and the time variation of alpha" ist in den "Physical Review D" (Bd. 69, S. 121701, Ausgabe vom 15. Juni 2004) erschienen.
->   Original-Abstract ("Physical Review D")
...
Bedarf weiterer Beweise
Mehrere Forscherteams, die bisher mit Hilfe von Oklo auf die Konstanz der Konstante setzten, zeigten sich im "New Scientist" von den neuen Analysen überrascht - aber durchaus angetan.

Victor Flambaum etwa von der University of New South Wales in Australien hat bereits vor Jahren eine Veränderung von α über einen Zeitraum von 12 Milliarden Jahren konstatiert und Entsprechendes publiziert. Die nun vorgelegte Studie, die von einer Variabilität in den vergangenen zwei Milliarden Jahren ausgeht, sei so revolutionär, dass es unbedingt. noch weiterer Beweise bedürfe.
Mehrere Erklärungslinien
Die Physiker sind sich in der Frage der Konstanz der Konstanten alles andere als einig. Laut Flambaum gibt es keine allgemein akzeptierte Theorie, welche die Variabilität der Feinstrukturkonstante erklären könnte. Stattdessen gibt es eine Reihe rivalisierender: von jenen, die von einer linearen Änderungsrate ausgehen, bis zu jenen, die schnelle Oszillationen vorhersagen.

Bevor klar wird, wohin das Theoriependel ausschlägt, gebe es noch eine Reihe von Unsicherheitsfaktoren zu eliminieren. So seien u.a. die exakten Temperaturen des Naturreaktors von Oklo vor knapp zwei Milliarden Jahren nicht bekannt - und Kernreaktionen laufen bei verschiedener Wärme auch verschieden rasch ab.
Task Group untersucht Konstanten
Dass auch die fundamentalsten Konstanten der Physik einer ständigen Diskussion ausgesetzt sind, beweist auch die "Task Group on Fundamental Constants" (CODATA), ein Komitee angesehener Wissenschaftler, die sich mit der Bewertung experimenteller Daten zur Errechnung der Konstanten auseinandersetzt. Auf entsprechenden Webseiten kann man sich über die exakt aktuell gültigen Werte informieren.
->   Aktuelle Werte der Fundamentalkonstanten
->   Los Alamos National Lab
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Relativitätstheorie: Experiment bestätigt Einstein (29.8.03)
->   Nichts ist schneller als das Licht (17.3.03)
->   Verjüngungskur der Speziellen Relativitätstheorie (7.2.03)
->   Wird das Licht langsamer? - "Einstein hätte das gehasst" (9.8.02)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010