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Alpbach: Was ist "präkompetitive Forschung"?  
  "Die Grenzen unserer Sprache sind die Grenzen unserer Welt", formulierte Ludwig Wittgenstein. Der Gehalt des Satzes wurde bei einer Diskussion zur "präkompetitiven Forschung" in Alpbach deutlich.  
Wenig Gegenliebe
Am Freitagnachmittag war bei den Technologiegesprächen die Geburtsstunde - oder besser: der Geburtsversuch - eines neuen Terminus Technicus in der forschungspolitischen Debatte zu verfolgen: Um die "präkompetitive Forschung" ging es.

Der Versuch stieß bei den Teilnehmern zweier Podiumsdiskussionen - fein säuberlich eingeteilt in präkompetitive und kompetitive - auf wenig Gegenliebe.
Alle Forschung steht im Wettbewerb
"Plakativ, aber nicht gerecht" empfand diese Trennung etwa der Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Herbert Mang. Schließlich stünde auch die "erkenntnisorientierte Forschung" im Wettbewerb und nicht bloß die "anwendungsorientierte".

Sein Beispiel für ein Umschlagen vorerst nicht-anwendungsorientierter Erkenntnis in konkrete Applikationen: die Zahlentheorie. Auch Knut Consemüller, der Vorsitzende des Rats für Forschung und Technologieentwicklung, warnte vor einer Trennung von "Grundlagenforschung und industrieller Forschung". Stattdessen solle man die Dynamik, die derzeit in der Entwicklung der F&E-Ausgaben herrscht, fortsetzen.
Wettbewerb beginnt schon bei den Kindern
Wettbewerb optimiert Forschung und Entwicklung, so ein Tenor der Alpbacher Technologiegespräche, - mitunter betrachtet als Allheilmittel für bessere Wissenschaft, für mehr Jobs, ganz allgemein für gesellschaftliche Prosperität.

Wettbewerb beginne schon bei den Kindern, meinte die Molekularbiologin Renee Schroeder bei der - von Joachim Treusch, Vorstandsvorsitzender des Forschungszentrums Jülich, umsichtig und gewandt moderierten - Podiumsdiskussion. Sie erwähnte das Beispiel der "Kinder-Uni" in Wien lobend. Ein Wettbewerb der Wissenschaft um die Jüngsten, den auch Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) betonte.
Herausforderungen statt Probleme
Gehrer lieferte ein weiteres Beispiel für die Umbezeichnung von Phänomenen. Nicht nur, aber auch in ihrem Ministerium gebe es Menschen, die "Probleme" haben. Sie bevorzugt hingegen den Begriff "Herausforderungen", denen es sich zu stellen gelte.

Eine dieser "Herausforderungen" betrifft die teils mangelhafte Infrastruktur an den heimischen Universitäten - hier seien die in Alpbach schon eingeforderten "Sondermittel dringend erwünscht".
Mehr Wettbewerb durch Venture-Kapital
Joseph Strohmayer von der Österreichischen Staatsdruckerei forderte noch mehr Wettbewerb in der Wissenschaft - etwa durch den Einsatz von Venture-Kapital und dem langsamen Ausklingen jedweder öffentlicher Förderung der Wissenschaft. Außerdem sei die Forschung an sich effizienter zu gestalten.

Sein Vorschlag nach US-amerikanischem Vorbild: 20 Prozent der Forschungszeit freihalten für "Spinnereien", sprich freies Denken der Wissenschaftler, der Rest solle beinhart nach "Milestones" - also dem Erreichen konkreter Ziele - gearbeitet werden.
Milestones reichen nicht aus
Ernst Gornik, der Geschäftsführer der Austrian Research Centers, rückte vom Dogma der permanenten und objektiven Leistungsüberprüfung im Wettbewerb ein wenig ab. Ständige "Meilensteine" gewährten der freien Forschung keine Kontinuität, sehr wohl aber müssten - über längere Zeiträume hinweg - strenge Qualitätskontrollen angelegt werden.

Außerdem fördere die Einladung zu "Spinnereien" etwa in den Bell Labs nicht nur das freie Denken und das Auftauchen überraschend neuer Ideen, sondern funktioniere auch als eine Art Rekrutierungsprogramm - die Besten ihrer Disziplin werden dadurch angezogen, so Gornik.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at
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01.01.2010