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Knochenfund soll Rätsel um aufrechten Gang klären  
  Erst Anfang der Woche berichteten US-Anthropologen von Knochenfunden, die vom ältesten gehende Vorfahren des Menschen stammen könnten. Nun legt der Wiener Forscher Horst Seidler mit neuen Funden nach.  
Im Februar hat sein Team bei Grabungen in Äthiopien das Stück eines Oberschenkels entdeckt, das derzeit auf ein Alter von 3,75 bis 4,5 Millionen datiert wird.

Das Fragment, das von einem Menschenvorfahren stammt, soll helfen, Licht in das Mysterium des aufrechten Ganges zu bringen. Der Fund wurde am Donnerstag von Seidler und Bildungsministerin Elisabeth Gehrer in Wien präsentiert.
Gattung: Vermutlich Australopithecus
 
Bild: APA

Bei dem in Galili/Äthiopien gemachten Fund handelt es sich um den relativ gut erhaltenen Oberteil des Oberschenkels. Kopf und Hals sind vorhanden, daher können die Wissenschaftler Rückschlüsse sowohl auf das Gewicht als auch auf die Körperhaltung des mutmaßlichen Australopithecus ziehen.

Obwohl genaue Datierungen und weitere Untersuchungen noch ausstehen, gehen die Forscher davon aus, dass die Art bereits aufrecht ging. Dafür spricht vor allem der relativ lange Oberschenkelhals, etwa bei heutigen Schimpansen ist er wesentlich kürzer.
Beginn des aufrechten Gangs
Andererseits fehlen dem Knochenfragment aber Anpassungen an den aufrechten Gang, etwa Ansatzstellen für stabilisierende Sehnen, wie sie beim heutigen Menschen ausgeprägt sind.

Seidler und seine Mitarbeiter nehmen daher an, dass der Menschen-Vorfahre sich gerade im Übergangsbereich zwischen vier- und zweifüßigem Gang befand. "Wahrscheinlich ging er am Boden weitgehend aufrecht, konnte aber auch noch recht gut klettern", so Seidler.
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Erst vor wenigen Tagen berichtete ein Forscherteam davon, in Äthiopien Knochen des ältesten gehenden Vorfahren des Menschen gefunden zu haben. Der Hominid habe vor fast vier Millionen Jahren die Grasebenen am Horn von Afrika bewohnt.
->   Offenbar ältester gehender Hominid entdeckt (7.3.05)
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Oberschenkel entscheidend
Der Oberschenkel ist für die Wissenschaftler insofern von besonderer Bedeutung, als die Funde aus der entscheidenden Zeit der Entstehung des aufrechten Ganges (Bipedie) mehr als spärlich sind.

Bis heute gibt es über die Ursachen, warum sich Bipedie überhaupt entwickelte, nur Spekulationen und Einzeltheorien. Als ältester Hinweis auf aufrechten Gang gilt derzeit ein 4,1 Millionen Jahre altes Schienbein, das in Kenia gefunden wurde.
Theorien zur Entstehung der Bipedie
Lange galt als plausibelste Hypothese, dass Klimaänderungen zum aufrechten Gang geführt hätten. In einer trockenen, baumlosen Savanne sollte die Bipedie von Vorteil sein, hieß es. In den vergangenen Jahren haben sich aber Kritiker gemeldet, das Klima dürfte in der fraglichen Periode feuchter gewesen sein als bisher angenommen.

Heute gehen viele Anthropologen - und auch Seidlers Team - davon aus, dass die freien Hände beim aufrechten Gang vor allem beim Transport von Nahrung entscheidende Vorteile brachten.
Datierung durch Fundschicht
Der Oberschenkel wurde bisher nur auf Grund seiner Fundschicht zeitlich eingeordnet. In der gleichen Schicht gab es nämlich auch tierische Überreste, so von - noch dreizehigen - Pferden, Schweinen, Elefanten- und Giraffen-Vorfahren.

Zur Zeitbestimmung wird etwa die Größe der Schweine herangezogen, die sich im Laufe der Evolution relativ rasch geändert hat.

[science.ORF.at/APA, 10.3.05]
->   Institut für Anthropologie, Uni Wien
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Das Geheimnis des aufrechten Gangs (19.8.04)
->   Waten im Wasser führte zum aufrechten Gang (3.8.04)
->   Zufallsfund ändert Theorie des aufrechten Ganges (5.6.03)
 
 
 
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01.01.2010