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Warum Vögel länger leben  
  Vergleicht man Säugetiere und Vögel gleicher Körpergröße, dann fällt auf: Unsere gefiederten Zeitgenossen werden im Durchschnitt einfach älter. Den Grund dafür könnte nun ein französisches Forscherteam gefunden haben. Die Mitochondrien der Vögel produzieren weniger schädliche Radikale, was offenbar lebensverlängernd wirkt.  
Wie ein Team um Francois Criscuolo vom Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS) herausfand, dürften dafür so genannte Entkopplungsproteine in der Mitochondrien-Membran verantwortlich sein.

Allerdings gibt es auch noch andere Faktoren, die berücksichtigt werden müssen. Etwa dieser: Wenn gefährliche Feinde nahen, sagen die meisten Vögel zum Abschied leise Servus - und fliegen davon.
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Die Studie "Avian uncoupling protein expressed in yeast mitochondria prevents endogenous free radical damage" erschien auf der Website des Fachjournals "Proceedings of the Royal Society B" (doi:10.1098/rspb.2004.3044).
->   Zum Abstract der Studie
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Tausend Jahre sind ein Tag
Eintagsfliegen leben nur einige Stunden, Schildkröten werden bis zu 300 Jahre alt, Mammutbäume überdauern sogar Jahrtausende. Warum ist die Natur so ungerecht und stattet die Arten mit so unterschiedlichen Lebensaltern aus?

Auf den ersten Blick hat das offenbar etwas mit der Körpergröße zu tun. Elefanten erreichen in Gefangenschaft schon mal 60 Lenze, für Mäuse ist selbst bei bester Haltung nach spätestens zwei Jahren Schluss.
Der Stoffwechsel entscheidet
In Wirklichkeit ist aber nicht die Größe entscheidend für das Lebensalter, sondern der Stoffwechsel. Das kann jeder überprüfen, der zufällig eine Maus oder einen Elefanten bei der Hand hat. Der Puls des Nagers rast mit 600 Schlägen pro Minute, während das Herz des Dickhäuters im selben Zeitraum nur 30 Mal pocht.

Geht man davon aus, dass Tiere in ihrem Leben eine mehr oder weniger konstante Zahl von Herzschlägen zur Verfügung haben - bei Säugetieren dürften es ein bis zwei Milliarden sein -, dann folgt daraus: Je höher die relative Stoffwechselrate, desto früher stirbt man.

Und erstere ist bekanntlich umso höher, je kleiner ein Tier ist. Womit wir wieder bei der Körpergrößenregel wären: Zwerge segnen im Tierreich eben früher das Zeitliche als Riesen.
->   Warum kleine Tiere nicht so alt werden wie große (23.4.03)
Vögel werden älter als Säuger
Allerdings gibt es durchaus gruppenspezifische Unterschiede. Vögel weisen etwa eine dramatisch längere Lebensspanne auf als Säugetiere vergleichbarer Größe. Beispiele dafür: Singvögel wie Amseln oder Stare können bis zu 20, Greifvögel sogar bis zu 100 Jahre alt werden. Warum Vögel mit einer solchen Langlebigkeit gesegnet sind, konnte jedoch bislang niemand erklären.
Die Alterungstheorie der freien Radikale
Die Antwort darauf könnte eine Theorie des Alterns geben, die unter dem Namen "free radical theory" bzw. "oxidative stress theory of aging" bekannt ist. Diese geht davon aus, dass Alterung im Wesentlichen auf Schäden an Biomolekülen zurückzuführen ist, die von Sauerstoffverbindungen, bzw. allgemeiner: von freien Radikalen verursacht wurden.
->   Theories of Aging (antiaging-systems.com)
Besonders schädlich: Reaktive Sauerstoffspezies
Besonders prominente Vertreter dieser Familie sind die so genannten reaktiven Sauerstoffspezies (kurz ROS), die etwa in Zigarettenrauch enthalten sind. Diese schädlichen Verbindungen können allerdings auch im Körper auf ganz natürliche Weise entstehen.

Und zwar als Nebenprodukt der Zellatmung in den Mitochondrien, weswegen es auch eine Reihe von Enzymen und Schutzmolekülen gibt, die zu ihrer Neutralisierung bereit stehen. Es sieht so aus, als würde die Langlebigkeit von Vögeln mit diesen Vorgängen zusammenhängen.

Vögel produzieren nämlich in den Mitochondrien klar weniger Radikale als Säugetiere, folglich sammeln sie im Lauf ihres Lebens auch weniger molekulare Schäden in den Zellen an.
->   Mehr zu ROS (Wikipedia)
Mehr Wärme durch Entkopplungsproteine
Ein Team um Francois Criscuolo vom Forschunsgzetrum CNRS in Paris hatte in diesem Zusammenhang schon länger eine Familie von Molekülen in Verdacht, die Entkopplungsproteine ("uncoupling proteins", kurz: UCPs) genannt werden.

Diese wurden zuerst im so genannten braunen Fett von Nagern, später auch bei Vögeln nachgewiesen. Die Entkopplungsproteine sitzen in der Membran der Mitochondrien und reduzieren den Wirkungsgrad der Energieumwandlung in den Zellkraftwerken, indem sie Protonen durch die Membran schleusen.

Mit anderen Worten, ihre Anwesenheit führt dazu, dass wertvolle chemische Energie in minderwertige Wärme umgewandelt wird. Aus physikalischer Sicht ein Unsinn, biologisch betrachtet aber doch von Nutzen:

Untersuchungen zeigen, dass die Synthese dieser Moleküle unter extremen Kältebedingungen stark ansteigt, sie werden von Tieren offenbar im Bedarfsfall als kleine Wärmeaggregate eingesetzt.
->   Uncoupling proteins (Arizona State University)
Nebeneffekt: Weniger Radikale in Mitochondrien
Francois Criscuolo und seine Mitarbeiter vermuteten nun, dass die Entkopplungsproteine noch einen zweiten Effekt haben: Wenn nämlich der Wirkungsgrad der Reaktionen in den Mitochondrien herabgesetzt wird, sollte dadurch auch die Produktion von schädlichen Radikalen gedrosselt werden.

Die französischen Forscher machten die Probe aufs Exempel und statteten Hefezellen mit UCP-Genen des Haushuhnes aus. Siehe da: Es entstanden tatsächlich weniger reaktive Sauerstoffspezies als in der Vergleichsgruppe.
Weiterer Faktor: Flucht durch Fliegen
Wurde damit der Schlüssel zur Langlebigkeit der Vögel gefunden? Criscuolo bleibt im Gespräch mit science.ORF.at vorsichtig: Zwar vermindern Entkopplungsproteine chronischen oxidativen Stress und verlängern folglich auch die Lebensspanne. Allein damit könne der Unterschied zwischen Vögeln und Säugern aber vermutlich nicht erklärt werden.

Vielmehr könnte es auch ganz profane Gründe geben, warum die Säugetiere ihren gefiederten Zeitgenossen in Sachen Lebensdauer unterlegen sind: Sie können sich ihren Fressfeinden nämlich nicht durch elegante Flugmanöver entziehen.

Untersuchungen zeigen zumindest, dass es diesen Zusammenhang innerhalb der Gruppe der Säuger gibt. Fledermäuse sind mit einer besonders hohen Lebenserwartung gesegnet.

Robert Czepel, science.ORF.at, 21.4.05
->   CNRS-Website
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01.01.2010