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Verlage sagen Plagiarismus den Kampf an  
  Der genaue Anteil von Plagiaten in der Wissenschaft ist unbekannt. Untersuchungen zeigen aber, dass in manchen Forschungsbereichen jede sechste publizierte Arbeit zumindest verdächtige Passagen enthält. Herausgeber und Verlage reagieren nun auf das Problem und setzen spezielle Software ein, um Betrügern das Handwerk zu legen.  
Intellektueller Diebstahl
Plagiarismus ist Diebstahl geistigen Eigentums. Aufsehen erregte etwa letztes Jahr der Fall des Materialwissenschaftlers Yung Park, der zwischen 1995 und 2002 Passagen aus fremdsprachigen Arbeiten in großem Stil für eigene Publikationen verwendet hat - freilich ohne anzugeben, dass sie nicht von ihm stammen.

Hier ist die Sachlage klar, schwieriger wird die Beurteilung indes, wenn sich Autoren einer subtileren Strategie bedienen. Etwa dann, wenn sie gar nicht von anderen, sondern von sich selbst abschreiben.
->   Betrugsfall: Kritik an mangelnder Reaktion
Salami-Science
Der Selbst-Plagiarismus ist gewissermaßen das Propädeutikum des akademischen Betrugs. Hier ist es besonders knifflig, eine Grenze zwischen Schreibökonomie und bewussten Täuschungsmanövern zu finden.

Dass Forscher etwa häufig ihre Studienergebnisse in kleinen Häppchen präsentieren, damit die eigene Publikationsliste möglichst anschwillt, ist allgemein bekannt. Diese Strategie dient zwar nicht dem Lesevergnügen, wie etwa einmal DNA-Pionier Francis Crick öffentlich kritisiert hat, - unlauter ist das so genannte "salami-slicing" jedoch nicht.
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Zum Thema Plagiarismus erschien in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals "Nature" (Band 435, S. 258-9; doi: 10.1038/435258a) der Artikel "Taking on the cheats" von Jim Giles.
->   Zum Artikel
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Recycling und Mehrfachnutzung
Problematisch wird die Angelegenheit dann, wenn ein und die selbe Arbeit bei verschiedenen Journalen eingereicht wird oder Teilergebnisse mehrfach veröffentlicht werden, ohne auf vorhergehende (eigene) Arbeiten hinzuweisen.

Ebenfalls verbreitet ist das Recycling von Textblöcken für die Sektion "Introduction" in Fachartikeln. Hier gibt es zwar keine klaren, allgemeinverbindlichen Regeln, zumindest geben manche Journale eine inoffizielle Obergrenze an:

Bis zu 30 Prozent von Texten dürfen bei akuter Schreibhemmung wieder verwendet werden, allerdings nur dann, wenn es sich nicht um substanzielle Teile der Arbeit handelt.
Zahlenangaben unterschiedlich
Was den Verbreitungsgrad von echtem, d.h. "erwerbsmäßigem" Plagiarismus betrifft, liegen durchaus unterschiedliche Zahlen vor. Eine Analyse von L. D. Claxton von der U.S. Environmental Protection Agency ergab etwa, dass nur 0,02 Prozent von Publikationen in der biomedizinischen Datenbank "PubMed" der Kategorie "Betrugsverdacht" zuzurechnen sind (Mutation Research 589, S.17).

Ungleich höher sind die Zahlen, die M. Schein und R. Paladugu vom Cornell University Medical College im Jahr 2001 erhoben haben. Ihrer Untersuchung zufolge enthält nahezu jede sechste Studie in den drei führenden Chirurgie-Journalen auffällige Redundanzen (Surgery 129, S.655).
Verlage reagieren
Wie auch immer wahre Plagiats-Anteile bemessen sein mögen, die führenden Zeitschriften und Verlage sehen darin eine reale Bedrohung der wissenschaftlichen Integrität. Und das Problem verschärft sich zusehends: "Unsere Herausgeber berichten uns immer häufiger davon", klagt etwa der Präsident von Blackwell-Publishing in Oxford gegenüber "Nature".

Der weltgrößte Wissenschaftsverlag Elsevier - verantwortlich für die Publikation von 250.000 Studien pro Jahr - prüft gerade die technischen Möglichkeiten, um Copy-Paste-Autoren auf die Schliche zu kommen.

Und am unter Physikern beliebten Preprintserver "arXiv", an dem vor zwei Jahren 22 Plagiate entdeckt wurden, sind die Anti-Betrugs-Werkzeuge mittlerweile fertig für den Einsatz.
Software: Dubletten-Detektor, ...
Entsprechende Software gibt es jedenfalls genug. Ein Beispiel dafür ist etwa das "Self-Plagiarism Detection Tool" (SPlaT), das vom Computerwissenschaftler Christian Collberg von der University of Arizona entwickelt wurde. Das kostenfreie Programm überprüft online zugängliche Papers auf Textdubletten und soll Herausgebern und Peer-Reviewern die alltägliche Arbeit erleichtern.
->   SPlaT - The Self-Plagiarism Tool
... Anti-Plagiats-Programm
Das Programm "iThenticate" der Firma "iParadigms" spürt nicht nur Überschneidungen in Publikationen auf, sondern kann durch Vergleich mit einer umfangreichen Datenbank Plagiatsfälle definitiv bestimmen.

Ein von der Zeitschrift "Nature" durchgeführter Testlauf brachte allerdings ein ernüchterndes Ergebnis. Die Software erkannte ein offensichtliches Plagiat nicht, obwohl das Original in einem Journal mit hohem Impact-Faktor publiziert wurde.

Das liege daran, meint der Präsident von iParadigms, John Barrie, dass ein großer Anteil der Online-Literatur nur via (kostenpflichtiger) Passwörter zugänglich sei und deswegen nicht von der Datenbank erfasst werde.
->   iThenticate
Gemeinsames Vorgehen gefragt
Die Lösung dieses Problems kann daher nur darin bestehen, dass sich Verlage zusammenschließen und eine gebündelte Kontrolle eingereichter Publikationen ermöglichen. Eine Möglichkeit wäre etwa, sich dabei des bereits etablierten Link-Services "CrossRef" zu bedienen.

Bei der Betreiberfirma mit Sitz in Lynnfield, Massachusetts, gibt es schon erste Diskussionen über die Machbarkeit eines solchen konzertierten Vorgehens.

Robert Czepel, science.ORF.at, 20.5.05
->   CrossRef
->   Linksammlung zu Plagiaten (Uni Bielefeld)
->   Mehr zu Plagiaten im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010