News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 
FWF: Freier Zugang zu Forschungsergebnissen  
  Nachdem mit Steven Harnad diese Woche einer der "Apostel" des Open-Access-Prinzips in der Wissenschaftspublikation in Wien zu Gast war, reagiert nun der Wissenschaftsfonds (FWF). Falk Reckling, Abteilungsleiter für Geistes- und Sozialwissenschaften im FWF, beschreibt die Institution in einem Gastbeitrag als "Vorreiter von Open Access in Österreich" - und listet die konkreten Maßnahmen auf, um den freien Zugang zu Forschungsresultaten zu fördern.  
FWF als Vorreiter von Open Access in Österreich
Von Falk Reckling

Initiativen zum freien Zugang im Internet zielten lange Zeit auf Softwareprogramme ab und galten als Gegengewicht gegen die marktbeherrschende Stellung einiger weniger Großunternehmen.

Aus ähnlichen Gründen hat diese Idee in jüngerer Zeit auch in der Wissenschaft Fuß gefasst. Hier ist es das Ziel, einen möglichst flächendeckenden freien Zugang zu qualitätsgeprüften wissenschaftlichen Publikationen zu gewährleisten und damit unter Ausnutzung insbesondere der Internet-Technologie den Charakter öffentlich finanzierter Forschungsleistung als öffentliches Gut zu stärken.

In diesem Sinne wurde im Oktober 2003 die "Berlin Declaration on Open Access to Knowledge in the Sciences and Humanities" initiiert. Die Unterzeichner der Erklärung verpflichten sich darin, den freien Zugang im Internet zu wissenschaftlichen Publikationen maßgeblich zu unterstützen und zu propagieren.
->   Berliner Erklärung
Drei konkrete Maßnahmen
Der FWF, der Fonds zu Förderung der wissenschaftlichen Forschung, war die erste österreichische Organisation, die diese Erklärung im November 2003 unterzeichnet hat. Erklärungen zu unterzeichnen ist das eine, konkrete Taten folgen zu lassen, ist das andere. Der FWF hat folgende Maßnahmen veranlasst:

1) Die Kosten für referierte Publikationen in Open Access Zeitschriften, die aus FWF-Projekten hervorgehen, werden vom FWF finanziert.

2) Jedes Projekt erhält zur Bewilligungssumme einen Aufschlag von fünf Prozent. Diese Mittel sollen unter anderem auch für das Publizieren via Open Access eingesetzt werden.

3) Der FWF kommuniziert darüber hinaus aktiv die Nutzenstiftung des Open Access Modells gegenüber der österreichischen Scientific Community.
Freiwillige Selbstverpflichtung für alle Projektleiter
Anfang Mai 2005 ist der FWF, den Empfehlungen der "Road Map" der "Berlin Declaration" folgend, noch einen Schritt weiter gegangen: Alle LeiterInnen von FWF-Projekten wurden angeschrieben und aufgefordert, sich einer freiwilligen Selbstverpflichtung zu Open Access Publikationen anzuschließen.

In diesem Sinne wurden auch alle relevanten nationalen AkteurInnen mit der Bitte kontaktiert, sich der Initiative anzuschließen bzw. die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen.
Praxis der Veröffentlichungen
Forscherinnen und Forscher veröffentlichen ihre Arbeiten, die aus FWF-Projekten hervorgehen, in referierten Zeitschriften ihrer Wahl:

1) entweder in einer konventionellen kostenpflichtigen Zeitschrift oder

2) in einer Open-Access-Zeitschrift (dies wird unterstützt, immer dann wenn eine passende Zeitschrift existiert). Bei referierten Open-Access-Zeitschriften können allfällige Kosten beim FWF bis drei Jahre nach Projektende beantragt werden.
...
In beiden Fällen sind Versionen der Artikel unmittelbar nach Akzeptieren für die Veröffentlichung bzw. spätestens mit der Veröffentlichung in einem institutionellen Archiv, in einem fachspezifischen Portal oder in der Förderdatenbank der Forschungsinstitutionen frei zugänglich zu machen. (Die meisten Verlage sind mittlerweile zu einer solchen Vereinbarung bereit.)
...
3) Auch bei referierten Buchpublikationen sollten die AutorInnen darauf achten, ihre Rechte nicht vollständig an die Verlage abzutreten. Vielmehr ist es ratsam, Konditionen zu vereinbaren, die eine zeitnahe wenn nicht sogar gleichzeitige, frei zugängliche Veröffentlichung und Archivierung im Netz ermöglichen.
Open Access noch keine gleichwertige Alternative
Warum nur eine Selbstverpflichtung auf freiwilliger Basis? Die Beschränkung des FWF auf eine "Freiwillige Selbstverpflichtung" trägt dem Umstand Rechnung, dass das Modell des Open Access noch nicht mit den klassischen Publikationsmodellen auf einer Augenhöhe konkurrieren kann.

In einer solchen Situation sind die Gestaltungsmöglichkeiten einer Institution wie dem FWF als Forschungsförderungsorganisation, die selbst keine Forschung betreibt, begrenzt.

Einen weitaus größeren Einfluss auf die Entwicklung der Publikationsmodelle haben dagegen vor allem zwei Gruppen: etablierte WissenschaftlerInnen sowie Universitäten und Forschungsinstitute.
Großer Einfluss von Senior Scientists ...
Eine besondere Verantwortung bei der Verbreitung von Open Access kommt zunächst den Senior Scientists, also den etablierten WissenschaftlerInnen, die nachweislich hervorragende wissenschaftliche Arbeit leisten, zu.

Während NachwuchswissenschaftlerInnen bei ihrer Karriereentwicklung vorerst weiterhin maßgeblich auf die klassischen Publikationsmodelle angewiesen sind (u.a. um eine entsprechende Reputation aufzubauen, um ansprechende Impactfaktoren zu erreichen, etc.), können gerade Senior Scientists durch Gründungen von oder Veröffentlichungen in Open-Access-Zeitschriften dem neuen Modell zu einem Renommee verhelfen, das mit dem klassischen konkurrieren kann.
... Universitäten und Forschungsinstituten
Zudem sind die Universitäten und Forschungsinstitute aufgerufen, ihren WissenschaftlerInnen nicht nur zu Open-Access-Publikationen zu verpflichten, sondern Ihnen auch die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung zu stellen.

Für die Außendarstellung der Universitäten und Forschungsinstitute sollte es bspw. attraktiv sein, wenn es in den Forschungsdatenbanken Verknüpfungen zu den qualitätsgeprüften Publikationen der WissenschaftlerInnen gäbe.
In den Köpfen der Scientific Community etablieren
Open Access wird insbesondere dann einen größeren Stellenwert erlangen, wenn es gelingt, dieses Modell als komplementäre Variante der Dokumentation wissenschaftlicher Erkenntnis in den Köpfen der Scientific Community zu etablieren.

Nur so kann es gelingen, eine positive Spirale in Gang zu setzen, die Open Access tatsächlich auf "gleiche Augenhöhe" mit klassischen Publikationsmodellen hebt.

[17.6.05]
...
Über den Autor
Falk Reckling, Ökonom, ist Leiter der Abteilung für Geistes- und Sozialwissenschaften im FWF und Ansprechpartner für Open Access im Wissenschaftsfonds.
...
->   Hintergründe der Open-Access-Initiative im FWF
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Open Access - Wissenschaft zur freien Entnahme (16.6.05)
->   Michael Nentwich: Plädoyer für "Open Access" in der Wissenschaft (15.6.05)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010