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Die molekularen Rädchen der inneren Uhr  
  Je länger es hell ist, desto später wird man müde. Am heutigen längsten Tag des Jahres fühlt man sich meist besonders aktiv, und das hat einen medizinisch nachweisbaren Grund. Denn wie eine aktuelle Forschungsarbeit von britischen Biologen zeigt, erleben unterschiedliche Zellregionen ihren Aktivitätshöhepunkt zu verschiedenen Zeitpunkten. In welchen Zeitraum er verschoben wird, hängt von den äußeren Lichtverhältnissen ab.  
Britische Biologen, die die Anpassung an den Tag-Nacht-Rhythmus am Beispiel des sibirischen Hamsters untersucht haben, sprechen von Morgen- und Abend-Schwankungen, die unabhängig von einander mit Sonnenaufgang und Dämmerung synchronisiert werden. Sie konnten die Rädchen der inneren Uhr bis auf die molekulare Ebene herunter brechen.
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Die Studie "Photoperiod differentially regulates gene expression rhythms in the rostral and caudal SCN" von David Hazlerigg, Francis Ebling und Jonathan Johnston von der Universität Aberdeen ist am 21. Juni 2005 im Fachjournal "Current Biology" erschienen (DOI 10.1016/j.cub.2005.06.010).
->   Current Biology
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Steuerung über circadiane Rhythmen
Die innere Uhr der Säugetiere besteht aus rund 20.000 Neuronen, die über komplizierte Strukturen mit der Umwelt kommunizieren.

Der so genannte circadiane Rhythmus ist für alle Säugetiere wichtig, schließlich bestimmt er nicht nur, wann man sich wach fühlt bzw. schläfrig wird, sondern er steuert auch zahlreiche Körperfunktionen, vom Hormonhaushalt bis zur Verdauung.
->   Das Geheimnis der inneren Uhr (20.7.01)
Interessant: der "Suprachiasmatische Kern"
Um der Funktionsweise der inneren Uhr auf die Spur zu kommen, konzentrierte sich das Interesse der Wissenschaft während der vergangenen Jahrzehnte auf eine spezielle Region im Gehirn, den "Suprachiasmatischen Kern" (SCN).

Dabei handelt es sich um zwei Ansammlungen von Nervenzellen, die in der Mittellinie des Gehirns im Hypothalamus (Teil des Zwischenhirns) direkt über den optischen Nerven sitzen.
Tücke im Detail
Die Tücke steckt im Detail, denn je genauer Forscher die Mechanismen analysieren, die zur Synchronisation des Organismus mit den äußeren Lichtverhältnissen führen, desto komplexere Strukturen entdecken sie.

Schon Ende Mai 2005 publizierten niederländische Wissenschaftler eine Studie, in der sie zwischen einem dorsalen (hinteren) und ventralen (vorderen) Teil des SCN unterschieden: Der erstere Zellcluster ist für die langsame Anpassung des Körpers an veränderte Lichtverhältnisse zuständig, der zweitere für die schnelle.
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Die Studie "A GABAergic Mechanism Is Necessary for Coupling Dissociable Ventral and Dorsal Regional Oscillators within the Circadian Clock" von Henk Albus und Kollegen ist am 24. Mai 2005 in "Current Biology" (Band 15, S. 886-893, DOI:10.1016/j.cub.2005.03.051) erschienen.
->   Zum Original-Abstract
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"Jet Lag" dauert rund sechs Tage
Aus den zwei unterschiedlich schnell adaptierenden Teilen konnte auch der "Jet Lag" erklärt werden: Ändern sich die Lichtverhältnisse plötzlich, braucht ein Teil des Gehirns rund sechs Tage, um sich darauf einzustellen.

Während dieses Zeitraums verwirrt das widersprüchliche Neuronenfeuer den Organismus und führt zu den bekannten Symptomen von Schlafstörungen bis hin zu Schwindel und Benommenheit.
Genaktivität schwankt mit Tageslänge
Die Forscher rund um David Hazlerigg fügen nun einen weiteren Baustein in das Puzzle. Sie unterscheiden zwei weitere Regionen, die sich durch die Genaktivität unterscheiden: Die Gene der kaudalen (unteren) Region exprimieren an kurzen Tagen am meisten bei Morgendämmerung, jene in der rostralen (oberen) Region bei Abenddämmerung.

Wenn die Tage länger werden, verschieben sich auch die Kurven: Jene der kaudalen Gene bewegt sich in den frühen Morgen, jene der rostralen in die Nacht hinein. Die Vermutung liegt nahe, dass mit den Genen auch der Körper früher bzw. später aktiviert wird.
Störungen können Krankheiten auslösen
Die Forscher sprechen von "der ersten Studie, die den Zusammenhang zwischen molekularer Aktivität und Tageslänge belegt hat". Sie vermuten, dass das Krankheitsbild der "Saisonal abhängigen Depression" (SAD) mit einer Störung der Gen-Mechanismen oder der Neurotransmitter, mit denen Reize übertragen werden, zusammenhängen.

[science.ORF.at, 20.6.05]
->   Mehr über die "Saisonal abhängige Depression" bei Netdoktor.de
Mehr über die innere Uhr in science.ORF.at:
->   Schlafforscher: Bürolicht lähmt die innere Uhr (11.5.05)
->   Schlafverhalten verändert sich mit Alter systematisch (30.12.04)
->   Josef Penninger: Regulator für innere Uhr entdeckt (1.9.04)
 
 
 
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01.01.2010