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Zwillings-Genetik: Gleich und doch verschieden  
  Eineiige Zwillinge besitzen zwar das gleiche Erbgut, können sich aber trotzdem körperlich unterscheiden. Wie spanische Forscher herausgefunden haben, sind dafür chemische Modifikationen an der DNA verantwortlich. Diese entscheiden, wann welches Gen aktiviert oder stillgelegt wird.  
Wie ein Team um Manel Esteller vom Spanish National Cancer Center (CNIO) berichtet, sind die so genannten epigenetischen Muster von Zwillingen in den ersten Lebensjahren kaum zu unterscheiden, in höherem Lebensalter jedoch sehr wohl: Das könnte erklären, warum eineiige Zwillinge mitunter unterschiedliche Anfälligkeiten für Krankheiten aufweisen.
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Die Studie "Epigenetic differences arise during the lifetime of monozygotic twins" von Mario F. Fraga et al. erschien auf des Website des Fachjournals "Proceedings of the National Academy of Sciences" (doi: 10.1073/pnas.0500398102).
->   Zur Studie (sobald online)
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Identes Erbgut, ...
Bei vier von 1.000 Geburten dürfen sich die Eltern doppelt freuen. So häufig kommen nämlich eineiige Zwillinge zur Welt. Fachleute nennen sie "monozygotisch" - und meinen damit, dass sie aus ein und der selben befruchteten Eizelle entstanden sind. Das bedeutet, dass sie auch dasselbe Erbgut, die identische Komposition von Genen aufweisen. Sind sie deswegen auch als Menschen gleich?
... aber körperliche Unterschiede
Die Erfahrung lehrt: Sie sind sich zwar äußerst ähnlich, aber keineswegs ident. So können eineiige Zwillinge etwa ein wenig unterschiedlich aussehen oder an unterschiedlichen Erkrankungen leiden. Dafür sind mehrere Erklärungen möglich, eine davon stammt aus dem noch jungen Fachgebiet der Epigenetik.

Letztere untersucht, welches Gen wann und wo im Körper aktiviert bzw. unterdrückt wird. Das wird in der Regel durch chemische Modifikationen an Erbgut und speziellen Proteinen festgelegt, die jedoch durch Umwelteinflüsse veränderbar sind. Womit diese Disziplin im Übrigen elegant die Brücke zwischen den scheinbar unvereinbaren Kategorien "Anlage" und "Umwelt" schlägt.
->   Epigenetik bei Wikipedia
Je älter, desto unterschiedlicher
Zwei dieser Modifikationen haben Manel Esteller und seine Mitarbeiter nun bei 40 Zwillingspaaren im Alter von drei bis 74 Jahren genauer untersucht.

Und zwar die so genannte Methylierung an der DNA sowie die Acetylierung der Histone - jene Proteinen, die an die Chromosomen gebunden sind. Der springende Punkt dabei: Beide chemische Änderungen beeinflussen die Genaktivität und somit die biologischen Eigenschaften von Körperzellen.

Wie das Forscherteam um Esteller herausfand, sind diese Signale bei Zwillingen in den ersten Lebensjahren kaum zu unterscheiden, entwickeln sich aber später in zwei Drittel der Fälle gleichsam auseinander. Die Werte waren dann umso unterschiedlicher, je älter die Zwillinge waren und je weniger Zeit sie miteinander verbracht hatten.
Vergleich junger und alter Chromosomen
 
Bild: PNAS

Bild: DNA-Methylierung beim Chromosom 1 im Vergleich: Das Muster ist bei dreijährigen Zwillingen sehr ähnlich (links), bei 50-jährigen Zwillingen sind hingegen bereits deutlichere Unterschiede zu erkennen (rechts).
Was epigenetsiche Signale beeinflusst
Das spricht für die Hypothese, dass der Lebensstil die epigenetischen Signale verändert. Was das konkret sein könnte, ist jedoch noch offen. Denkbar wären etwa Ernährung, Rauchen oder Sport. Die Forscher schließen aber auch Zufallsfaktoren nicht aus, die sich bei Zellteilungen aufsummiert haben könnten. In diesem Fall könnte man gewissermaßen von "epigenetischer Drift" sprechen.

[science.ORF.at, 5.7.05]
->   Cancer Epigenetics Laboratory (CNIO)
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01.01.2010