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Selbstvertrauen fördert Sprachkompetenz  
  Beim Spracherwerb von Migrantenkindern spielt das Selbstvertrauen eine wichtige Rolle. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forschungsprojekt des Sprachwissenschaftlers Rudolf de Cillia von der Universität Wien.  
Türkische Kinder, die in ihrer Muttersprache individuell identitätsstärkend betreut wurden, erzielten nach ein bis zwei Semestern bessere Leistungen als unbetreute Schüler einer Vergleichsgruppe. Und zwar sowohl in Türkisch als auch in Deutsch.
Betreuung durch psychologisch geschulte Lehrer
Für das Projekt wurden Hauptschüler aus der ersten bzw. zweiten Klasse, die schwache Leistungen aufwiesen und soziale Probleme in der Klasse hatten im Rahmen einer Wochenstunde psychagogisch betreut.

So wurden etwa die Selbstwahrnehmung geschult und der Wortschatz in der Muttersprache gefördert. Sechs andere Kinder erhielten dagegen keine identitätsstärkende Förderung und dienten als Vergleichsgruppe.
Sprachkompetenz deutlich verbessert
Ergebnis: Nach ein bis zwei Semestern hatten die betreuten Kinder ihre Leistungen in Türkisch und Deutsch sowohl im Vergleich zu vorher als auch im Vergleich mit den unbetreuten Kindern deutlich verbessert.

"Die Stärkung der muttersprachlichen, kulturellen und sozialen Identität führt zu höherem Selbstbewusstsein, die Verwendung der Muttersprache im Fachunterricht und im sozialen Gefüge wirkt sich auch positiv auf die Zweitsprache aus", folgert de Cillia in einem Beitrag der Uni-Zeitung der Universität Wien.
Muttersprache nicht vernachlässigen
Die Linguistin Katharina Brizic betonte gegenüber der APA, dass mit dem Schuleintritt die Beschäftigung mit der Muttersprache nicht abreißen sollte. In der Praxis könnte die Betreuung nicht nur individuell erfolgen, sondern würde auch in Gruppen, also etwa Schulklassen, Sinn machen.

Dafür brauche es aber einerseits muttersprachliche Pädagogen sowie eine Einschulung der Lehrer. Eine Wochenstunde wäre dafür ausreichend - obwohl die Stärkung des Selbstvertrauens der Migrantenkinder eigentlich in den gesamten Unterricht inkludiert werden sollte.
Kinder türkischer Minderheiten mit Sprachproblemen
Ausgangspunkt der Studie war ein vorangegangenes Projekt de Cillias, für das über vier Jahre hinweg Volksschulkinder mit deutscher sowie mit nichtdeutscher Muttersprache begleitet wurden.

Dabei stellte man fest, dass aus der Türkei stammende Kinder im Erst- und Zweitsprachenerwerb deutlich schlechter als Kinder aus Österreich und Ex-Jugoslawien abschnitten. Grund: Viele Kinder kamen zwar aus der Türkei, hatten aber Kurdisch oder eine andere der rund 60 Minderheitensprachen als Muttersprache.

Türkisch wiederum wurde ihnen nur von ihren in der Türkei zwangsassimilierten Vorfahren in rudimentärer Form weitergegeben.

Folge war eine schlechte "muttersprachliche Basis" vieler Kinder und ein damit verbundenes geringes sprachliches Selbstbewusstsein bereits bei Großeltern und Eltern, das sich in der Migration noch verstärkte.

[science.ORF.at/APA, 19.12.05]
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01.01.2010