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Schönborn präzisiert Kritik an Evolutionstheorie  
  Kardinal Christoph Schönborn präzisiert in einem Interview seine Kritik an der Evolutionstheorie: Das meiste in Natur und Gesellschaft funktioniere durch Kooperation und nicht durch "survival of the fittest".  
Der Wiener Erzbischof betrachtet die christliche Schöpfungslehre nicht als "Alternative" zur Evolutionstheorie. Die Evolutionstheorie sei eine naturwissenschaftliche These, die Schöpfungslehre sei eine Sache des Glaubens.
Schöpfungslehre und Evolution "füreinander offen"
Schönborn: "Ich glaube ..., dass die beiden füreinander offen sind und dass sie doch auch einander Fragen stellen sollen".

Aber er erwarte nicht, dass die Schöpfungslehre der Evolutionstheorie als eine "andere wissenschaftliche Theorie" gegenüber gestellt werde, betonte Schönborn laut Kathpress in einem Interview mit dem US-Internetdienst "Beliefnet".
Philosophische Einwände
Schönborn stellte klar, dass seine Skepsis nicht der wissenschaftlichen Evolutionstheorie, sondern dem ideologischen "Evolutionismus" gelte. Seine Einwände seien in erster Linie nicht naturwissenschaftlicher, sondern philosophischer Natur.

Es gehe um eine Kritik am atheistischen Materialismus, der die heutige Gesellschaft dominiere. Den "Evolutionismus" bezeichnet Schönborn als "weltanschauliche Position", die meint, "dass mit dem Modell Evolution alles erklärt werden kann, vom Big Bang bis zu Beethovens Neunter Symphonie". Das sei aber "Ideologie".
Keine Beleidigung Darwins
Das Hauptwerk von Charles Darwin "The Origin of Species" sei ein geistesgeschichtlicher Meilenstein und gehöre zu den großen Werken der Weltliteratur.

Kardinal Schönborn im "beliefnet"-Interview: "Das heißt nicht, dass ich mit allem einverstanden bin". Wenn die Thesen Darwins eine wissenschaftliche Hypothese sind, müssten sie sich der Kritik stellen. Was er kritisiere, sei eine gewisse "Immunisierungsstrategie", betonte der Kardinal.

"Als ob es eine Beleidigung der Würde Darwins wäre, wenn man seine Theorie wissenschaftlich kritisiert und sagt, da und dort gibt es Punkte, die mit dieser Theorie nicht erklärt werden können."
Kooperation wichtiger als Selektionskampf
In dem Interview ging Kardinal Schönborn auch auf die gesellschaftlichen Auswirkungen des Neo-Darwinismus ein. Die Idee vom "survival of the fittest" (dem Überleben der Tüchtigsten) sei zur Leitvorstellung der freien Marktwirtschaft geworden.

"Das Leben funktioniert zu 80 Prozent synergetisch und symbiotisch und zu 20 Prozent als 'Kampf'", sagte Schönborn. Das Meiste in der Natur funktioniere durch Synergien, durch Kooperationen, durch Symbiosen.
Gilt für Natur und Gesellschaft
Und so funktioniere auch die Wirtschaft. In den westlichen Gesellschaften gebe es das Modell des freien Wettbewerbs, der liberalen Marktwirtschaft in einem völlig deregulierten Markt.

Dabei werde übersehen, dass die Wirtschaft primär ein Kooperationsmodell braucht und nicht ein Modell nach dem Bild des "Survival of the fittest". Eine gute Gesellschaft bestehe vor allem aus kooperationsfähigen Menschen, betonte Schönborn.

[science.ORF.at/APA, 9.1.06]
->   Beliefnet-Interview mit Kardinal Schönborn
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01.01.2010