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Biorhythmus: Die "Uhr in der inneren Uhr"  
  Rund 24 Stunden dauert der Rhythmus unserer inneren Uhr. US-Forscher nahmen diese nun genauer unter die Lupe und machten eine überraschende Entdeckung: Sie fanden eine "Uhr in der Uhr", die einem Sechsstundentakt folgt.  
Der Takt wird von zwei Proteinen namens PERIOD und TIMELESS vorgegeben, berichtet ein Team um Michael W. Young von der Rockefeller University. Die weiteren Ursachen des zeitlichen Musters sind noch unbekannt.
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Die Studie "PER-TIM Interactions in Living Drosophila Cells: An Interval Timer for the Circadian Clock," von P. Meyer et al. erschien in "Science" (doi: 10.1126/science.1118126).
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Rhythmus - von innen
Die innere Uhr hat einen Rhythmus, bei dem tatsächlich jeder mit muss: Nicht nur die Schlaf- und Wach-Phasen orientieren sich an diesem universellen Takt, sondern im Prinzip alle wichtigen Körperfunktionen. Etwa der Stoffwechsel, die Zellteilung und die Hormonproduktion. "Circadian" - abgeleitet von den Worten "circa" und "dies" - nennen Biologen jene 24-stündigen Schwingungen im Körper, die selbst in Organen oder Geweben erhalten bleiben, wenn man sie operativ entfernt.

Was nahe legt, dass zumindest einigen Körperzellen ein natürlicher Takt innewohnt, der von der Außenwelt unabhängig ist. Umweltreize, etwa Licht, spielen dabei zwar auch eine Rolle, aber sie dienen lediglich der Feinabstimmung.
->   Innere Uhr - Wikipedia
Der mysteriöse "Faktor X"
In den 1960er Jahren sah man das noch anders. Damals wurde ein Modell vorgeschlagen, demzufolge circadiane Rhythmen ausschließlich durch die Wahrnehmung periodischer Änderungen entstehen, die von der Erdrotation abhängig sind. Das Erdmagnetfeld wurde beispielsweise als Kandidat für diese - unbekannte - Einflussgröße gehandelt, die man sinnigerweise "Faktor X" nannte.

Die darob entbrannte "Innen-Außen-Debatte" fand schließlich im Jahr 1984 ihr Ende, als man einen Pilz der Gattung Neurospora auf einen Weltraumflug schickte und in Dunkelheit aufbewahrte.

Das Ergebnis des Experiments war eindeutig: Obwohl der Pilz dem Einflussbereich des hypothetischen Faktors X entzogen war, schlugen die Lebensfunktionen weiterhin im circadianen Takt. Womit das Match endgültig zugunsten der endogenen Modelle entschieden wurde (Science 225, 232).
Rückkopplungsschleifen, wohin man blickt
Was die biochemische Basis der inneren Uhr angeht, einigte man sich sehr früh darauf, dass sich die beteiligten Moleküle in Form von Rückkopplungsschleifen, so genannten feedback loops, anordnen müssten. Denn nur so war erklärbar, dass Zellen ihre Rhythmik stetig anpassen und über lange Zeit aufrechterhalten.

Das stellte sich als zutreffend heraus - mittlerweile kennt man auch die Schlüsselspieler in diesem molekularen Reigen: Es handelt sich um zwei Proteine, die PERIOD (PER) und TIMELESS (TIM) genannt werden. Sie finden sich zwar nur in der Fruchtfliege, die Verhältnisse sind aber bei Säugetieren äußerst ähnlich.
PER und TIM im Doppelpack
Bisher ging man davon aus, dass PER und TIM vom Zellkern in das Zellplasma entlassen werden, sich dort verbinden und dann im Doppelpack zurück in den Kern wandern, wo sie - über Zwischenstationen - ihre eigene Herstellung regulieren. Das dauert 24 Stunden.

Entscheidend dabei war die Annahme, dass sich die beiden Proteine erst nach mehreren Stunden im Zellplasma zusammenfinden und dabei keinerlei zeitliche Ordnung erkennen lassen. Diese Annahme muss offenbar revidiert werden, wie nun eine Studie von Forschern der Rockefeller University zeigt.
Experiment mit leuchtenden Proteinen
Das Team um Michael W. Young markierte PER und TIM mit einem fluoreszierenden Farbstoff und verfolgte deren Weg in lebenden Zellen.

Das Besondere an ihrer Technik: Das Fluoreszenzsignal war abhängig von der Distanz der beiden Proteine, womit auch nachgewiesen wurde, wann genau sich PER und TIM im Zellplasma treffen.

Offenbar früher als gedacht. Bereits nach 30 Minuten bildeten die Proteine ein Doppelmolekül und hielten diese Verbindung für genau sechs Stunden bei. Dann, urplötzlich, trennten sich die beiden wieder und begaben sich einzeln in den Kern, um ihre Aufgabe zu vollenden.
"Sechsstündiger Countdown"
"Nach sechs Stunden wird ein Schalter umgelegt, der den Proteinkomplex förmlich explodieren lässt", kommentiert Young das überraschende Ergebnis: "Offenbar gibt es in dem ganzen System einen aus PER und TIM bestehenden Zeitgeber, der einen sechsstündigen Countdown zählt. Eine Uhr in der Uhr."

Damit wurde das Problem der circadianen Rhythmen gewissermaßen vom Großen zum Kleinen verschoben: Noch weiß man allerdings nicht, wie die "Uhr in der Uhr" tickt und ob sie von anderen Proteinen gesteuert wird.

"Der von uns entdeckte Timer mit seiner beeindruckenden Präzision wirft eine Frage auf: Gibt es mehr davon?", sagt Young im Gespräch mit science.ORF.at: "Ich wäre nicht überrascht, wenn es weitere kleine Zeitmaschinen gäbe, die in das System der inneren Uhr eingebettet sind."

Robert Czepel, science.ORF.at, 13.1.06
->   Michael W. Young Lab, Rockefeller University
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01.01.2010