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Proteine bremsen Licht auf Schneckentempo ab  
  US-Physiker haben Licht so weit abgebremst, dass es in einer Sekunde nur noch 0,1 Millimeter zurücklegte. Das Besondere daran: Den Forschern gelang dieses Kunststück mit Proteinen, die natürlicherweise in den Membranen von Bakterien vorkommen.  
Wie Pengfei Wu und Devulapalli Rao von der University of Massachusetts in Boston berichten, lässt sich das Tempo des Lichts mit der neuen Technik stufenlos regeln.

Damit können im Prinzip alle Geschwindigkeiten zwischen dem sprichwörtlichen Schneckentempo und der natürlichen Obergrenze von 300.000 Kilometern pro Sekunde produziert werden.
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Die Studie "Controllable Snail-Paced Light in Biological Bacteriorhodopsin Thin Film" von Pengfei Wu und D.V. G. L. N. Rao erschien in den "Physical Review Letters" (Bd. 95, S. 253601; doi: 10.1103/PhysRevLett.95.253601).
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Universelle Konstante
Genau 299.792.458 Meter legt das Licht pro Sekunde zurück. Schneller geht es nicht: Die Lichtgeschwindigkeit ist, wie schon Albert Einstein in der Speziellen Relativitätstheorie aus dem Jahr 1905 postulierte, eine universelle Konstante.

Sie definiert eine Obergrenze für die Ausbreitung sämtlicher physikalischer Objekte bzw. Signale, die wohlgemerkt nur für die Bewegung im Vakuum gilt.
->   Lichtgeschwindigkeit - Wikipedia
Bremsen möglich
Es geht nämlich auch langsamer. Licht kann, wenn es sich in anderen Medien ausbreitet, durchaus verlangsamt, kurzzeitig sogar gestoppt werden. Die ersten Versuche, bei denen Licht nennenswert abgebremst wurde, kombinierten ultrakalte atomare Gase mit einer äußerst aufwändigen Lasertechnik.

Im Jahr 2003 gelang einem Forscherteam um Robert W. Boyd von der University of Rochester ein ähnlicher Effekt bei Zimmertemperatur (Physical Review Letters 90, 113903). Dafür verwendeten Boyd und Kollegen eine Technik, die "coherent population oscillation" (CPO) genannt wird.
Absorption und Abstrahlung
Dabei richtet man einen Laserstrahl auf ein Material, dessen Moleküle von dem Licht angeregt werden und in einem relativ langlebigen Quantenzustand verbleiben. Bei den CPO-Experimenten werden die Laserphotonen absorbiert, und zwar so lange, bis sich alle Moleküle des verwendeten Materials in einem angeregten Zustand befinden.

Allerdings ist diese "Sättigung" nur von kurzer Dauer: Die angeregten Moleküle fallen in ihren Ausgangszustand zurück, geben wieder Photonen ab - und der Zyklus beginnt von neuem.

Nachdem zwischen Absorbtion und Abgabe der Photonen eine gewisse zeitliche Differenz besteht, führt das in Summe zu einer Verzögerung des Lichtsignals. Anders ausgedrückt: Das Licht wird gebremst.
Experiment mit Bakterienprotein
Robert W. Boyd und sein Team verwendeten vor drei Jahren in ihrem Versuch einen Rubin-Kristall, im Prinzip muss es aber kein anorganisches Material sein. Wie nun Pengfei Wu und Devulapalli Rao von der University of Massachusetts berichten, kann man dafür auch Proteine verwenden.

Etwa das purpurfarbene Bakteriorhodopsin, das von gewissen Bakterien in deren Membran eingelagert und als Protonenpumpe verwendet wird. Für die Färbung des Moleküls ist ein mit dem Vitamin A verwandter Stoff, das so genannte Retinal, verantwortlich.
->   Bakteriorhodopsin - Wikipedia
Weniger als 0,1 Millimeter pro Sekunde
Wu und Rao erzeugten eine rund 100 Mikrometer dicke Schicht aus Bakteriorhodopsin-Molekülen und bestrahlten diese mit grünem Laserlicht. Daraufhin änderte das Retinal seine räumliche Form und ging in einen angeregten Zustand über.

Die spontane Rückbildung in den Ursprungszustand passierte in den Experimenten erst nach einer Sekunde, was zu einer extremen Abbremsung des Lichts führte.

Wie die Forscher in ihrer Studie berichten, betrug die so genannte Gruppengeschwindigkeit der Lichtwellen nur mehr 0,091 Millimeter pro Sekunde.
Stufenlos regelbar
Wu und Rao fanden außerdem heraus, dass man den Übergang in den Anfangszustand dadurch beschleunigen konnte, indem man zusätzlich einen blauen Laserstrahl auf das System richtete.

Damit gelang es den beiden Forschern, die Geschwindigkeiten stufenlos zu regeln und Licht im Schneckentempo bis hin zu solchem mit Normalgeschwindigkeit (sprich: rund 300.000 Kilometer pro Sekunde) zu produzieren.

Robert W. Boyd, der die CPO-Technologie für solche "Brems-Experimente" eingeführt hat, hält die vorliegende Studie jedenfalls für äußerst originell: "Das ist ein sensationelles Ergebnis", so der Physiker: "Die beiden haben eine neue physikalische Technik gefunden, mit der sich die Lichtgeschwindigkeit kontrollieren lässt."

Wu und Rao hoffen indes, dass sie auch im angewandten Bereich sinnvoll einsetzbar wäre. Etwa bei optischen Computern oder in der Telekommunikation.

[science.ORF.at, 17.1.06]
->   University of Massachusetts
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01.01.2010