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Physiker bestimmen die Masse des Universums  
  Zwei deutsche Physiker haben eine Formel entwickelt, mit der sich die Masse des Universums bestimmen lässt. Demzufolge wächst dessen Schwere nicht mit dem Volumen, sondern nur mit dem Radius - ganz ähnlich, wie es etwa auch bei Schwarzen Löchern der Fall ist.  
Nimmt man eine geschätzte Größe von 78 Milliarden Lichtjahren zur Hand, die vor einiger Zeit von anderen Physikern publiziert wurde, dann ist das Universum gegenwärtig rund eine Million Quadrillionen Quadrillionen Kilogramm schwer. Tendenz steigend.
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Die Studie "Concerning the instantaneous mass and the extent of an expanding universe" von H.J. Fahr und Michael Heyl erschien zunächst auf dem Preprintserver "arXiv" und später in den "Astronomical Notes".
->   Abstract
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Scheinbar simple Frage
Wie schwer ist das Universum? Die Frage klingt recht einfach. Intuitiv würde man bei ihrer Beantwortung folgendermaßen vorgehen: Man nehme die Dichte des Universums, die sich in unserer Umgebung experimentell bestimmen lässt.

Sie beträgt rund 10-26 Kilogramm pro Kubikzentimeter. Diesen Wert multipliziere man mit dem kosmischen Volumen - und voilà: Schon hat man die Masse des Universums. Was leider falsch ist.

Denn die Allgemeine Relativitätstheorie folgt einer anderen Metrik, als sie obiger "Pi mal Daumen"-Rechnung zugrunde liegt. Demzufolge beeinflusst etwa die Expansion des Universum, wie wir Distanzen und Massen messen - und daher darf man in diesem Fall nicht einfach Dichte mit Volumen multiplizieren.
Physiker entwickeln neue Formel
Hans Jörg Fahr vom Institut für Astrophysik und Extraterrestrische Forschung der Universität Bonn und Michael Heyl vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt haben sich dennoch an dieses Problem herangewagt und eine Formel entwickelt, mit der sich die Masse des Universums bestimmen lässt.

Das Ergebnis zeigt, dass man das Universum nicht wie ein großes, mit dünner Teilchensuppe gefülltes Schwimmbecken auffassen darf.

Denn die Schwere eines Schwimmbeckens ist bekanntlich davon abhängig, welches Volumen Wasser darin Platz hat. Verdoppelt man das Volumen, verdoppelt sich auch die Masse des Wasserkörpers.
Ähnlichkeit zu Schwarzen Löchern
Nicht so im Universum, in dem die Masse laut Fahr und Weyl mit dem Radius anwächst. Was bedeutet, dass es mit zunehmender Größe nur relativ wenig schwerer wird. Das Ergebnis erscheint als Reminiszenz an das Verhalten von Schwarzen Löchern, bei denen es sich ganz ähnlich verhält.

Anders ausgedrückt: Wäre das Universum ein gigantisches Schwarzes Loch, dann wäre es nur geringfügig schwerer, als es jetzt der Fall ist.
->   Schwarzes Loch - Wikipedia
1054 Kilogramm
Freilich weiß man nicht genau, wie groß das Universum tatsächlich ist. Da wir nur mit jenem Licht in Kontakt kommen, das sich seit dem Urknall in unseren Beobachtungsradius verirrt hat, kann man die Größe des Universums bestenfalls abschätzen, aber nicht direkt messen.

Das hat vor zwei Jahren der US-Physiker Neil J. Cornish getan, der aufgrund topologischer Überlegungen auf einen Wert von 24 Gigaparsec bzw. rund 78 Milliarden Lichtjahre kam (Physical Review Letters, 92, 201302).

Diese Schätzgröße kann man wiederum in die Formel von Fahr und Weyl einsetzen. Das Ergebnis: Demnach ist das Universum zum gegenwärtigen Zeitpunkt ungefähr 1054, also eine Million Quadrillionen Quadrillionen Kilogramm schwer.
Auf den Spuren Ernst Machs
Interessanterweise kam schon der österreichische Physiker Ernst Mach auf anderem Weg zu dem Ergebnis, dass die Masse des Universums von dessen Radius abhängig sein könnte. Wie Jörg Fahr gegenüber science.ORF.at erläutert, glaubte Mach, dass die Masse eines gegebenen Körpers einen Bezug zu allen anderen Körpern im Universum aufweise und damit keine unabhängige, feststehende Größe sei.

Ähnliche Konsequenzen ergeben sich auch aus den Berechnungen von Fahr und Heyl. Noch ist unklar, inwieweit dieses Prinzip mit der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) verträglich ist.

Eines steht jedoch fest: Wollte man die bereits von Mach angedachte Kontextabhängigkeit der Masse in das Theoriengebäude der Physik integrieren, müsste man die Feldgleichungen der ART erweitern. Und genau daran arbeitet Hans Fahr zur Zeit.

[science.ORF.at, 6.7.06]
->   Website von Hans Fahr (Uni Bonn)
 
 
 
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01.01.2010