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Glaube an Darwin: In Europa größer als in den USA  
  In Europa und Japan haben Charles Darwin und seine Evolutionstheorie mehr Anhänger als in den USA - unter der US-Bevölkerung gibt es ähnlich viele Befürworter wie Gegner. Österreich gehört zu den weniger "Gläubigen", was zumindest die wissenschaftliche Abstammungserklärung des Menschen angeht, und liegt bei einem Ländervergleich im hinteren Drittel.  
Jon D. Miller von der Michigan State University und zwei Kollegen erhoben die allgemeine Akzeptanz der Evolutionstheorie, in dem sie Umfrageergebnisse aus den letzten 20 Jahren aus den USA, 32 europäischen Ländern und Japan zusammentrugen.

Dass es in den USA eine größere Gegnerschaft gibt, die nicht daran glaubt, dass der Mensch vom Tier abstammt, führen die zwei US-Forscher und ihr japanischer Kollege u.a. auf den weit verbreiteten religiösen Fundamentalismus und die Inanspruchnahme der Wissenschaft durch die Politik zurück.
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Der Artikel "Public Acceptance of Evolution" von Jon D. Miller, Eugenie C. Scott und Shinji Okamoto ist in der Fachzeitschrift "Science" (Bd. 313, 11. August 2006, S. 765) erschienen.
->   Abstract
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USA gespalten ...
Bereits seit 1985 werden in den USA immer wieder Erwachsene befragt, ob sie der Aussage "Menschen, wie wir sie kennen, entwickelten sich aus früheren Arten der Tiere" zustimmen können oder nicht.

Über die letzten zwanzig Jahre hat sich die Anzahl der US-Amerikaner, die die Evolutionstheorie akzeptieren, von 45 auf 40 Prozent verringert. Doch auch die Opponenten sind weniger geworden: von 48 auf 39 Prozent.

Damit gibt es nach zwei Jahrzehnten der öffentlichen Diskussion der Evolutionstheorie ähnlich viele Befürworter wie Gegner, stellen Miller und seine Kollegen fest.
... und sehr verunsichert
Allerdings hat gleichzeitig die allgemeine Verunsicherung zugenommen: Waren sich im Jahr 1985 nur sieben Prozent der Amerikaner nicht sicher, ob Darwins Theorie stimmt, so waren es 2005 drei Mal so viele.

Die Verunsicherung in den USA käme noch viel besser zum Ausdruck, so die Autoren, wenn man Umfrageergebnisse betrachtet, bei denen den Befragten mehr Antwortmöglichkeiten zugebilligt wurden - beispielsweise auch ein "vielleicht wahr" und "vielleicht falsch". In diesen Fällen käme heraus, dass doch knapp mehr als die Hälfte der Amerikaner in der ein oder anderen Form "unsicher" seien.
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Das "Evolutions-Ranking"
Ein Vergleich der 34 Länder ergibt: Die meisten Evolutionsanhänger hat Island, gefolgt von Dänemark, Schweden und Frankreich mit rund 80 Prozent und mehr. An fünfter Stelle steht Japan mit 78 Prozent. Österreich liegt mit etwa 55 Prozent von Befragten, die die Evolutionstheorie als "wahr" betrachten, im letzten Drittel - 30 Prozent sagen, sie sei "falsch", 15 Prozent sind sich nicht sicher. Schlusslicht der Aufstellung bildet die Türkei (ein Viertel für "wahr", rund die Hälfte für "falsch") - noch hinter den USA. Die Daten für die 32 europäischen Länder entstammen dabei einer Eurobarometer-Studie aus dem Jahr 2005.
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Religiöser Fundamentalismus
Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die größere Ablehnung der Evolutionstheorie in den USA - im Vergleich zu Europa und Japan - mit einem größeren Fundamentalismus der Bibelgläubigen im Land zu erklären ist.

Diese würden "die Schöpfungsgeschichte als die wahre und akkurate Entwicklung von menschlichem Leben sehen und wissenschaftliche Erkenntnisse verdrängen".

Hingegen würden mehr Gottgläubige in Europa die Genesis eher metaphorisch betrachten und daher auch keine größeren Widersprüche zwischen religiösem Glauben und Darwin bzw. Forschungserkenntnissen zur Evolution sehen.

Anhand eines Vergleichsmodells, in das Variablen wie u.a. Alter, Bildung, religiöser Glaube, Haltung gegenüber dem Leben und der Wissenschaft und politische Ideologie einflossen, konnten Miller und seine Kollegen empirisch belegen: Die Wirkung von fundamentalistischem Religionsglauben auf die Haltung gegenüber der Evolution war in den USA fast zwei Mal größer als in den europäischen Ländern.
Von Parteien genutzt
Zudem meinen die Wissenschaftler, dass die Evolutionsdebatte in den USA wie nirgendwo sonst von Parteien instrumentalisiert worden ist.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts habe der konservative Flügel der Republikaner den Kreationismus genutzt, um ihre Unterstützung in den "roten", traditionell eher konservativeren Staaten im Süden und mittleren Westen zu festigen. Kreationismus beschreibt dabei den Glauben, der Mensch sei durch die übernatürliche Kraft eines Gottes geschaffen worden.

In Europa und Japan gibt es keine größere Partei, so die Autoren, die die Ablehnung der Evolutionstheorie politisch nutzen würde.
Bildung in Genetik
Als dritte Ursache für eine hohe Ablehnung der Evolutionstheorie streichen die Forscher die genetische Bildung heraus. Grundwissen über Genetik fördere die Akzeptanz. Es sei aber empirisch belegt, dass "eine substanzielle Anzahl von US-Amerikanern sehr verwirrt über Kernideen der Biologie des 20. und 21. Jahrhundert ist", wie die Autoren schreiben.

Daher sei es sehr wichtig, Grundlagen der Evolution von der Mittelschule an aufwärts zu unterrichten. Die wachsende Unsicherheit unter den US-Amerikanern zeige, dass die derzeitige Forschungslehre nicht effektiv sei.

[science.ORF.at, 11.8.06]
->   Michigan State University
->   Kreationismus - Wikipedia
->   Charles Darwin - Wikipedia
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->   Ist der Darwinismus eine säkulare Religion? (24.2.06)
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01.01.2010