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Hunde imitieren wie Kleinkinder  
  Kleinkinder können bereits im Alter von 14 Monaten die Ziele ihrer Mitmenschen grob einschätzen und passen daraufhin ihr Nachahmungsverhalten an. Tests mit Hunden haben nun ergeben, dass sie ebenfalls einen Sinn für die Absichten ihrer Artgenossen besitzen.  
Sie imitieren das Verhalten anderer Hunde nur dann, wenn es ihnen vorteilhaft erscheint, berichten Verhaltensforscher um Friederike Range von der Universität Wien.
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Die Studie "Selective Imitation in Domestic Dogs" von Friederike Range et al. erscheint in "Current Biology" (Bd. 15 (10), Ausgabe vom 15. Mai 2007).
->   Current Biology
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Licht mit dem Kopf einschalten
Im Jahr 1988 machte der US-amerikanische Psychologe Andrew N. Meltzoff einen interessanten Versuch. Er führte 14 Monate alten Kindern vor, wie ein Erwachsener einen Lichtschalter auf einer Leuchtbox betätigte - und zwar nicht, wie üblich, mit den Händen, sondern mit dem Kopf.

Die Frage war: Würden die Kinder dieses ungewöhnliche Verhalten imitieren? Eine Woche später setzte er die kleinen Probanden selbst vor die Leuchtbox, und siehe da: zwei Drittel der Kinder benutzten ebenfalls den Kopf, um das Licht in der Box aufzudrehen.

Das wurde als Hinweis darauf gewertet, dass bereits Einjährige zwischen dem Ziel einer Handlung und den Mitteln, diese zu erreichen, unterscheiden können. Anders ausgedrückt: Die Kinder empfanden das Verhalten der Erwachsenen als vernünftig und imitierten es daher (Developmental Psychology 24, 470).
Kinder suchen nach dem Sinn
 
Bild: Nature/György Gergely, Harold Bekkering, Ildikó Király

Wenn das zutrifft, dachte Meltzoffs Fachkollege György Gergely einige Jahre später, dann müssen Kleinkinder auch verschiedene Kontexte von Handlungen unterscheiden können.

Er variierte den Versuchsaufbau und konfrontierte Kinder des gleichen Alters mit zwei Situationen: Einmal betätigte die erwachsene Person den Schalter mit dem Kopf und legte die Hände frei sichtbar auf den Tisch. Im anderen Fall wickelte sie sich hingegen in eine Decke ein und suggerierte damit, dass die Hände für das Wärmen des Körpers gebraucht würden (Bild oben).

Tatsächlich reagierten die Kleinkinder in beiden Situationen unterschiedlich. Waren die Hände des Erwachsenen zuvor sichtbar, imitierten 69 Prozent die Kopfbewegung. Waren sie hingegen unter der Decke verborgen, fiel die Nachahmungsrate auf 21 Prozent.

Offenbar ahmen Kleinkinder nicht wahllos das gesamte Verhalten ihres Gegenüber nach. Sie imitieren besonders jene Handlungen, die auf neue, ungewöhnliche Strategien hinweisen, auch wenn der Sinn der Sache noch gar nicht klar ist. Kann man hingegen erkennen, dass die abweichende Handlung durch äußere Umstände erzwungen wurde, verliert sie sofort an Anziehungskraft (Nature 415, 755).
Auch Hunde imitieren wählerisch
 
Bild: Friederike Range

Bisher war unklar, ob nur Menschen diese Fähigkeit besitzen. Friederike Range, Verhaltensforscherin an der Uni Wien, fand nun heraus, dass auch Hunde dazu imstande sind. Freilich musste das experimentelle Setting dafür ein wenig verändert werden. Die Tiere wurden vor folgende Aufgabe gestellt: Sie mussten an einem Stab ziehen, um damit einen Futterbehälter zu öffnen.

Natürlicherweise tun sie das mit dem Maul, Range trainierte jedoch eine Hündin, dafür die Pfote einzusetzen. Das Tier nahm die Rolle der Demonstratorin ein und führte den restlichen Hunden ihre spezielle Pfotentechnik vor. Analog zu Gergelys Versuch gab es auch hier zwei Varianten: Einmal tat sie das mit einem Ball im Maul, ein anderes Mal ohne Ball (Bild oben).

Die Vierbeiner reagierten ganz ähnlich wie Kleinkinder: Sie benutzten die Pfote in der Mehrzahl der Fälle nur dann, wenn ihr Vorbild keinen Ball im Mund hatte. Könnten Hunde reden, würden sie ihre Reaktion vermutlich so erklären: Dass ein Hund mit vollem Mund auf die Pfotentechnik ausweicht, ist trivial. Wenn er die Pfote freiwillig verwendet, hat er sich vermutlich etwas dabei gedacht.

Ob Schimpansen oder andere Primaten ebenfalls so selektiv reagieren würden, weiß man bisher nicht, erklärt Range im Gespräch mit science.ORF.at. Und warum können es die Hunde? Eine Hypothese ist, dass diese Fähigkeit erst im Zuge ihrer Domestizierung entstand. Ob das zutrifft, müssen weitere Versuche klären.

Robert Czepel, science.ORF.at, 26.4.07
->   Friederike Range - Uni Wien
->   Andrew N. Meltzoff - University of Washington
->   György Gergely - Ungarische Akademie der Wissenschaften
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01.01.2010