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Riesenfluten trennten Großbritannien vom Festland  
  Großbritannien ist heute eine Insel, weil riesige Schmelzwasserseen in der letzten Eiszeit mehrmals den Ärmelkanal überschwemmten und so die Straße von Dover verbreiterten, berichten britische Forscher.  
Der Ärmelkanal existiert zwar schon seit etwa 50 Millionen Jahren, aber früher hat er Großbritannien nicht komplett von Kontinentaleuropa abgetrennt.

Dort, wo sich heute die Straße von Dover befindet, verband der Weald-Artois-Sattel lange Zeit die beiden Landmassen.
Mindestens zwei Riesen-Überschwemmungen
Doch mit den Eiszeiten der letzten zwei bis drei Millionen Jahre änderte sich das Antlitz dieses Landstrichs enorm.

Sanjeev Gupta und Jenny Collier vom Imperial College London untersuchten den Meeresboden mit einem hochauflösenden Sonar und fanden Belege für die Ursache der Trennung Großbritanniens vom Festland: Der Ärmelkanal wurde mindestens zwei Mal von riesigen Süßwasserfluten überschwemmt.
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Die Studie "Catastrophic flooding origin of shelf valley systems in
the English Channel" von Sanjeev Gupta, Jenny S. Collier, Andy Palmer-Felgate und Graeme Potter ist im Journal "Nature" (Bd. 448, S. 342; 19.7.07) erschienen.
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Schmelzwassersee schwappte über
 
Bild: S. Gupta & A. Whitchurch

Der Meeresspiegel sank während der Eiszeiten durch die Vergletscherung immer wieder so stark, dass der Ärmelkanal trocken gelegt wurde. Zum ersten Mal geschah das vor etwa einer Million Jahren, dann immer wieder erneut, wenn die Gletscher vorstießen.

In diesen Zeiten füllte sich das Gebiet, das heute die südliche Nordsee bildet, mit dem Schmelzwasser der riesigen Gletscher und dem Wasser aus den Mündungen von Rhein und Themse. Der See wurde vom Weald-Artois-Sattel gestaut - bis er eines Tages überschwappte.

Im Bild zu sehen: die "Momentaufnahme" der Situation vor 450.000 Jahren vor dem Dammbruch; weiß: Eis, blau: Nordsee, orange: Land, Pfeile: Flüsse.
Die gewaltige Kraft des Wassers
Der Damm brach und über mehrere Monate hinweg ergoss sich eine Million Kubikmeter Wasser pro Sekunde in den Kanal. Die gewaltige Kraft des Wassers verbreiterte die Straße von Dover um ein Vielfaches und höhlte ein riesiges Flussbett aus.

Dem Verlauf dieses Flussbetts folgte später ein riesiger, quasi paneuropäischer Strom, der das Wasser von Rhein, Themse, Seine, Maas und anderer Flüsse in sich vereinte.
Breite Täler am Meeresgrund
Bild: S. Gupta
3D-Ansicht des unterseeischen Flussbetts
Dieses Ereignis fand vor etwa 400.000 Jahren statt - und war nicht die einzige Riesen-Überschwemmung, die den Ärmelkanal flutete. Danach kam es mindestens noch ein Mal zu einer solchen Flutung, wie Sanjeev Gupta berichtet. Sie fanden am Grund des Ärmelkanals ein System sehr breiter Täler, die vom Wasser in den Kalkstein gefräst wurden.

"Dieses vorgeschichtliche Ereignis könnte auch erklären, warum die Besiedlung von Großbritannien plötzlich zu einem Stopp kam, der 120.000 Jahre lang dauerte", erklärt Gupta.

Und schließlich könnten die Riesen-Überschwemmungen auch das Klima in der nordatlantischen Region verändert haben. Die Massen von Süßwasser, die sich plötzlich in den Atlantik ergossen, könnten die Temperaturen in dieser Gegend nachhaltig verändert haben.

[science.ORF.at, 19.7.07]
->   Webseite von Sanjeev Gupta
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Viereiszeitentheorie gerät ins Wanken (28.6.07)
->   Eiszeit begann auf Südhalbkugel früher (22.7.05)
 
 
 
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01.01.2010