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Atomunfall von Sellafield: Folgen wurden unterschätzt  
  50 Jahre nach dem schweren Atomunfall in der britischen Anlage Sellafield hat eine neue Studie ergeben, dass die Folgen der Verstrahlung damals unterschätzt wurden. Durch den Reaktorbrand sei doppelt so viel radioaktives Material freigesetzt worden wie bisher angenommen, heißt es in einer britischen Studie.  
Es sei davon auszugehen, dass in der Folge nicht nur etwa 200 sondern eher 240 Menschen an Krebs erkrankten, erklärte der Leiter des Forschungsteams, John Garland.
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Die Studie "Atmospheric emissions from the Windscale accident of October 1957" von J.A. Garland und R. Wakeford ist im Journal "Athmospheric Environment" erschienen (Band 41, Ausgabe 18, Seite 3904-3920, Doi:10.1016/j.atmosenv.2006.12.049).
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Einer der schwersten Atomunfälle
 
Bild: EPA

In dem Reaktor von Windscale - wie die Sellafield-Anlage damals nach einer nahe gelegenen Ortschaft genannt wurde - war am 10. Oktober 1957 durch Überhitzung ein Feuer ausgebrochen. Der Reaktor an der britischen Westküste diente der Erzeugung von Plutonium für den Bau von Atombomben. Die durch den Brand freigesetzte atomare Wolke erreichte Teile des europäischen Festlandes.

In Großbritannien wurde ein Gebiet von mehreren hundert Quadratkilometern verseucht. Zeitweilig war hier die Milcherzeugung verboten. Der Reaktor wurde stillgelegt. Es war einer der schwersten Unfälle in einem Kernreaktor vor dem Atomunglück von Tschernobyl.

Bild oben: Die Anlage von Sellafield aufgenommen am 18. Februar 2003.
Meteorologische Simulation
John Garland, ehemaliger Mitarbeiter der UK Atomic Energy Authority, und Richard Wakeford von der Universität Manchester haben die Daten des Unfalls in eine meteorologische Computersimulation einfließen lassen, um auf die Auswirkungen des Unfalls 1957 zu schließen. Ihre Untersuchung zeigte, dass verseuchte Emissionen am 10. Oktober von ca. 15 Uhr bis Mittags am nächsten Tag austraten.

Zwei Höhepunkte ließen sich feststellen: am Abend des Unglückstages selbst und zwischen 6 und 10.30 Uhr des 11. Oktober. Insgesamt trat laut Studie zweimal so viel radioaktives Material aus als bisher angenommen, und: "Der Dampf hat sich weiter nach Osten verbreitet als bisher angenommen", schreiben die Forscher.
Immer wieder verseuchtes Wasser
Der Zwischenfall vor 50 Jahren war zwar der schwerste in dieser Anlage, aber nicht der letzte. Heute gibt es in Sellafield zwei Aufarbeitungsanlagen für atomare Abfälle aus britischen und ausländischen Reaktoren. Trotz verbesserter Methoden gelangten immer wieder erhebliche Mengen verseuchtes Wasser ins Meer.
2005: Rohr gerissen
Im Mai 2005 war ein Teil der Atomanlage nach einem Unfall stillgelegt worden. Für Menschen und Umwelt habe keine Gefahr bestanden, teilte die Betreibergesellschaft British Nuclear Group seinerzeit mit. Nach britischen Medienangaben war in der Wiederaufarbeitungsanlage von Sellafield uran- und plutoniumhaltige Salpetersäure durch ein gerissenes Rohr ausgelaufen.

Der Plutonium-Anteil hätte für "für 20 Atombomben ausgereicht", hieß es. Die "hochgiftige Mischung" sei aber in einen vollständig abgedichteten Raum geflossen und nicht nach außen gedrungen.

[science.ORF.at/APA/dpa, 8.10.07]
->   Sellafield (Wikipedia)
->   British Nuclear Group
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01.01.2010